Aus dem Archiv: Bayern dominiert Frankfurt

Maurice Trenner 22.03.2020

Nachdem Justin letzte Woche eine alte Spielanalyse von Jan ausgegraben hatte, schaue ich diese Woche einem anderen Miasanrot-Urgestein über die Schulter. In der Saison nach dem Triple analysierte Steffen das Spiel der Adler beim Rekordmeister.

Die Ausgangslage

Die erste Saison unter Pep Guardiola entpuppte sich für die Münchner als fast nahtlose Fortsetzung der Triple-Saison. Nicht nur konnte man in der Hinrunde den europäischen Supercup und die Klub-WM gewinnen, sondern man cruiste auch durch die heimische Liga. 15 Siege, zwei Unentschieden und zehn Punkte Vorsprung auf den Verfolger Bayer Leverkusen standen zum Ende einer ungeschlagenen Hinserie auf der Habenseite.

Auch der Start in die Rückrunde verlief erfolgreich. Zum Auftakt schlug man den Tabellendritten Gladbach auswärts mit 2:0, bevor man im Nachholspiel gegen den VfB Stuttgart durch einen traumhaften Seitfallzieher von Thiago in allerletzter Minute mit 2:1 besiegen konnte. Somit ging man mit dem damals schon fast uneinholbaren Vorsprung von dreizehn Punkten in die Partie gegen Frankfurt.

Falls ihr euch nicht mehr erinnert

Wie auch sechs Jahre später Hansi Flick, stellte Pep Guardiola in dieser Partie seinem im Sommer verpflichteten Spielmacher Thiago einen gelernten Außenverteidiger zur Seite. Nur statt Joshua Kimmich, der im Winter 2014 als 19-Jähriger noch in der dritten Liga kickte, spielte dort Kapitän Philipp Lahm. In der Verteidigung setzte der Trainer auf das Triple-Duo Boateng und Dante, während Rafinha Lahm hinten rechts vertrat. In der offensiven Dreierreihe liefen Götze zwei zentral auf, nachdem er zuvor auch immer wieder in der Sturmspitze agierte. Dort war an jenem Sonntag Wembley-Torschütze Mandžukić zu finden. Robben, Kroos und Müller saßen zu Beginn nur auf der Bank.

Die Elf der Frankfurter hingegen liest sich wie das Who-is-Who der Sticker-Sammelhefte von 2010-2015: Trapp – Djakpa, Russ, Madlung, Jung – Rosenthal, Flum, Schwegler, Barnetta – Alex Meier, Joselu. Trainiert wurde die Eintracht zu jener Zeit natürlich von Armin Veh.

Die erste Hälfte fasste Steffen auch schnell und mühelos zusammen:

Bayern eroberte schnell die Kontrolle über das Spiel und hatte bereits nach 10 Minuten zwei gute Chancen zur Führung (Mandžukić, Shaqiri). Die gelang wenig später Mario Götze, der nach Kopfball-Ablage von Mandžukić mit einer herrlichen Direktabnahme zum 1:0 traf. Bayern setzte wie unter Guardiola üblich nicht direkt nach, sondern konzentrierte sich in der Folge vor allem auf Ballkontrolle. […] Als Ribéry nach 44. Minuten zum 2:0 traf, war die Messe im Prinzip gelesen.Steffen, über die erste Halbzeit

Und auch die zweite Hälfte brachte er prägnant auf den Punkt:

Mit der Einwechslung von Robben nahm das Münchener Offensivspiel erst ab der 75. Minute noch einmal so richtig Fahrt auf. Robben, Dante und Mandžukić erhöhten in der Folge mit sehenswerten Treffern auf 5:0. Ein Ergebnis, das am Ende durchaus noch hätte höher ausfallen können. Guardiola hat nun eine seltene, komplette Trainingswoche vor sich, um die Abläufe zu verfeinern.Steffen, über die zweite Hälfte

Da gewann Bayern 5:0 und was schrieb Steffen? Kein großen Lobesworte, sonder direkt der Gedanke an die nächsten Wochen. Der Mahner hatte in diesen Tagen nicht nur die Säbener Straße im Griff, sondern färbte auch auf Miasanrot ab. 

Drei Dinge, die auffielen

An dieser Stelle will ich sowohl auf zwei Analysepunkte von Steffen zurückgreifen, aber auch meinen eigenen Kommentar hinterlassen.

1. Thiago on fire

Ohne Toni Kroos agierte Thiago wieder stärker als vertikaler Verbindungsspieler im Zentrum. Zwar kippte Bayerns Nummer 6 immer mal wieder zwischen die Innenverteidiger ab und agierte als Ballschlepper von hinten heraus – meist agierte Thiago aber im Bereich zwischen Mittellinie und gegnerischem Sechzehner. Seine 185 Ballkontakte sind rekordverdächtig. Viel wichtiger als diese Zahl ist für mich aber eine andere. Thiago spielte 53 Pässe im Angriffsdrittel. In den beiden Rückrunden-Spielen zuvor waren es gerade einmal 33 im Schnitt. Das zeigt, wie gut es dem Spanier gegen Frankfurt gelang die Verbindung zwischen den aufbauenden und den angreifenden Spielern herzustellen.Steffen, über Thiago

Auch sechs Jahre später kann man festhalten, dass dieser längst vergessene Sonntagnachmittag eines der ganz großen Spiele von Thiago im roten Trikot war. Es ist faszinierend zu sehen, wie der Spanier überall auf dem Platz zu finden war. Oft als erster Verteidiger gegen den Ball, häufiger als Initiator im letzten Drittel. Geradezu verzaubernd ist, wie er das perfekte Gespür für Tempowechsel zu haben schien. Egal ob Dribbling mit enger Ballführung, ein langer Ball in den freien Raum oder der gepflegte Doppelpass – nur selten war eine Aktion des Spaniers nicht zielführend.

Die Kombination aus Taktgeber Lahm, Verbindungsspieler Thiago und dem torgefährlichen Götze auf den drei zentralen Positionen ist eine sehr vielversprechende Mischung.Steffen, über Münchens Mittelfeld gegen Frankfurt

Selten konnte der FC Bayern ein so technisch versiertes und kreatives Mittelfeldzentrum aufstellen wir mit Thiago, Götze und Lahm. Ein Trio, das man so in der Bundesliga jedoch nur noch ein weiteres Mal sah, am nächsten Spieltag gegen Nürnberg. Gerade nach der Rückkehr von Schweinsteiger lief häufig der Leitwolf in der Zentrale auf. Das raubte den Münchnern jedoch diese Flexibilität und den Spielwitz, den es mit dem deutsch-spanischen Dreieck gab.

Am schwersten traf diese Entwicklung rückblickend Götze, der durch die große Konkurrenz auf der 10er-Position immer wieder auf den ihm ungeliebten Flügel ausweichen musste. Einer der Gründe, warum er ultimativ bei den Bayern scheitern sollte.

2. Shaqiri erneut ohne Durchschlagskraft

Es war das Zeitfenster, um nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen. Xherdan Shaqiri bekam gegen Frankfurt zum dritten Mal in Folge die Chance von Anfang an. Nutzen konnte der Schweizer diese Gelegenheit auch gegen Frankfurt nicht zu 100 Prozent. Shaqiri hat die zweitwenigsten Ballkontakte, spielte die zweitwenigsten Pässe, schoss nur 1 Mal aufs Tor und hatte die schlechteste Passquote des gesamten Bayern-Mittelfelds (83 Prozent). Es gibt ein paar Rätsel auf, dass Shaqiris größte Stärke – sein Zug zum Tor – in drei zurückliegenden Startelf-Einsätze so gut wie gar nicht zur Geltung kam. Arjen Robben bereitete in seinen knapp 25 Minuten einen Treffer vor und erzielte ein Tor selbst. Gleiches gilt für den bereits angesprochenen Ribéry. Es spricht viel dafür, dass Shaqiri in den kommenden Wochen wieder ins zweite Glied zurück rücken muss. Zumal mit Müller eine weitere torgefährliche Alternative 90 Minuten auf der Bank saß.Steffen, über Flügelstürmer Shaqiri

Auch bei seinem nächsten Analysepunkt greift sich Steffen einen Spieler heraus. Mit Shaqiri trifft es einen Spieler, der sich bei den Münchnern nie vollends durchsetzen konnte und im Winter 2015 den Verein verließ. Das Spiel gegen Frankfurt ist ein guter Hinweis darauf, warum dem quirligen Schweizer dieser letzte Schritt verwehrt blieb. Anders als es seine Statistiken vermuten lassen, macht der Kraftwürfel kein schlechtes Spiel. Er wechselt oft die Positionen mit Götze und Ribéry und sorgt für Aufruhr im Strafraum der Hessen. Seine Spielweise ist dabei durchaus ähnlich zu der von Gnabry heute.

Zum Unglück von Shaqiri muss er sich allerdings an Ribéry und Robben in deren besten Jahren messen lassen. Eine Aufgabe, der der damals 23-Jährige nicht gewachsen ist. Zudem war Shaqiri auch nicht perfekt ins Spielsystem von Guardiola integriert und wirkte immer wieder wie ein Fremdkörper. Nachdem er in der Hinrunde der Saison 2014/15 trotz einiger Verletzten kaum noch zum Einsatz kam, war eine Trennung fast unvermeidlich.

3. Früher war nicht alles besser

Schaut man sich dieses Spiel aus der ersten Guardiola-Saison heute an, so wird man direkt überrascht wie viele Parallelen man zum aktuellen FC Bayern unter Hansi Flick ziehen kann. Zwar spielen nur noch vier Spieler aus der damaligen Startelf immer noch im Verein, doch es bestehen weitreichende Verbindungen.

Noch waren die Automatismen und Positionierung, die Guardiola später ins Spiel integrieren sollte, nicht vollends in den Köpfen der Spieler angekommen. Wie auch heute, hatten die Münchner viel den Ball und suchten dann immer wieder den Pass in die Tiefe. Die Staffelung von Thiago und Lahm erinnerte viel an Thiago und Kimmich heute. Gegen den Ball versuchte man zuerst hoch zu pressen, was aber gelegentlich auch unorganisiert wirkte und vom Gegner leicht überspielt werden konnte.

Nach der Führung genehmigte man sich auch erstmal eine kurze Verschnaufpause, um dann jedoch vor der Pause die Frankfurter in deren Drangphase umso empfindlicher zu treffen. Gegen danach sichtlich demotivierte Hessen brauchte es dennoch die Einwechslung des Ehrgeiz in Person von Robben, um die Führung auszubauen. 

Was bedeutet das für die aktuelle Situation? Es dauert seine liebe Zeit, um ein System einzustudieren und dieses dann zu perfektionieren. Dies in einer Saison – oder wie im Falle Flick in einer halben Saison – umzusetzen, ist fast unmöglich. Gibt man einem Trainer mit einer klaren Spielidee jedoch Zeit, so ist viel möglich und der Kader kann ein ungeahntes Potenzial entfalten. Dementsprechend darf man sicher jetzt schon gespannt sein auf die nächste Saison, sollte Flick als Trainer weitermachen dürfen.

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