Aus dem Archiv: Bayern ringt Düsseldorf nieder

Justin Trenner 14.03.2020

Den Anfang macht die Begegnung des FC Bayern München in der Saison 2012/13 mit Fortuna Düsseldorf am 25. Spieltag. Die Ausgangslage: Großer Vorsprung in der Liga und das leichte Gefühl, dass beim Rekordmeister der Schlendrian Einzug gehalten hat. Dabei hatte man gerade das Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals in London deutlich mit drei eigenen Toren (und einem Gegentor) gewonnen, im Pokal-Viertelfinale Dortmund mit 1:0 besiegt und in der Liga eine beeindruckende Serie hingelegt.

Dass das Gefühl etwas diffus zu sein schien, zeigt auch der Blick in unser Archiv. Jan schrieb in seiner Analyse damals:

20 Punkte Vorsprung in der Liga und eine Saison wie vom anderen Stern. Eigentlich könnte das als Beschreibung für die Münchner Fußballwelt aus roter Sicht ausreichen. Besonders gestern Nachmittag beim Heimspiel gegen Düsseldorf ist mir wieder bewusst geworden, mit welcher Ruhe man als Bayernfan in diesen Wochen Bundesligaspiele anschauen kann. Da trifft Mathis Bolly bereits in der 16. Minute für die Gäste, aber wirklich aufgeregt hat es mich nicht. Dieses frühe Tor, eigentlich etwas das eher die Münchner hinzaubern, war natürlich unnötig und jeder hätte gern wieder zu Null gespielt. Aber bin ich nervös geworden? Eher nicht.Jan in der Analyse zum Spiel bei Miasanrot

Falls Ihr es verpasst habt:

Der Rückblick auf alte Taktiktafeln ist ein bisschen so, als würde ich Pro Evolution Soccer 6 nochmal in die Konsole werfen: Grafisch nicht mehr mit heute vergleichbar, aber inhaltlich schon ganz geil!

Bayern Fortuna Düsseldorf
Wechsel: Gómez für Mandžukić (61.), Shaqiri für Kroos (68.), Pizarro für Müller (72.)

Schweinsteiger, Kroos und Gustavo im Mittelfeld macht was her und allein die Namen „Lahm“, „van Buyten“ und „Mandžukić“ lassen mein Herz intensiver schlagen. Notfalls also einfach van Buyten neben Mandžukić in den Sturm stellen und den 0:1-Rückstand mit dem heute gut bekannten Flankenfestival drehen. Läuft! Der Blick zurück ins Archiv zeigt aber, dass das zunächst nicht nötig war. Wild blieb es dennoch. Ich übergebe wieder an Jan:

Thomas Müller gleicht kurz vor Ende der 1. Halbzeit aus und alles war wieder im Griff. Fortuna erhöht auf 1-2, wieder keine Aufregung. Eher »das bekommen wir noch gedreht«-Gedanken. Ribéry gleicht aus und dann passieren eben Geschichten, die nur der Fußball schreibt. Jérôme Boateng erzielt sein erstes Bundesligator überhaupt. Das tut er nicht in einer Partie, die schon entschieden ist, sondern im wichtigen und entscheidenden Moment, der dann zum 3:2 Heimsieg führt. Für seinen ersten Treffer erwischt er den perfekten Moment.Jan in der Analyse zum Spiel bei Miasanrot

Und dann wird unser Chef ein bisschen emotional. Herrlich.

Schon beim Training zog er beim Testspiel 2-3 Mal ab und traf. Dass er das dann am Samstag wiederholt, ist einfach nur fantastisch. Glückwunsch, Jérôme! Vielleicht ist ja der Knoten geplatzt und wir sehen ihn nun häufiger beim Torjubel. Ansonsten darf er sich Freudenschreie gern für so wichtige Momente aufheben.Jan in der Analyse zum Spiel bei Miasanrot

Es brauchte also tatsächlich einen Innenverteidiger. Nicht aber van Buyten, sondern Boateng. Letztendlich standen die drei Punkte zu Buche. Bayern holte den nächsten Sieg in einer unglaublichen Saison. Auch Jan schlussfolgerte:

Nun kann man das Spiel nach Abpfiff auf zwei verschiedene Arten bewerten. 1) Ein weiterer Sieg in der laufenden Saison. 2) Kämpferische Düsseldorfer machen uns & der Chancenverwertung große Probleme. Eine Kombination wäre wahrscheinlich der beste Weg. Für »wieder ein Sieg« bekamen wir zu viele Gegentore, aber gleichzeitig würde ich da keine Krise herein interpretieren. Eher muss man den Willen und die Leistung unserer Bayern loben. Rückstände gab es nicht oft und in den vergangenen Spielzeiten wäre das höchstwahrscheinlich ins Auge gegangen. 22 zu 4 Torschüsse, 75% Ballbesitz und am Ende haben wir uns belohnt. DAS ist der FC Bayern dieser Saison. Wille, Laufbereitschaft und irgendwann auch ein Quäntchen Glück. Das Glück des Tüchtigen. Ungewöhnlich war nur die an einigen Stellen fehlende Stabilität in der Defensive. Das wertet vor allem die Leistung von Dante auf, denn wer würde – zum aktuellen Zeitpunkt – vermuten, dass er ja eigentlich ein Neuzugang war und seine erste Saison im roten Trikot spielt. Niemand.Jan in der Analyse zum Spiel bei Miasanrot

Da haben die Bayern gerade so Düsseldorf mit 3:2 weggearbeitet und Jan überhäuft sie mit Lob. Auf Miasanrot. Dem Mahnerblog. 2013 war vieles eben noch anders. Die vorherigen Spielzeiten saßen noch zu tief in den Köpfen und das Ende des Weges mit dem erlösenden Titel schien trotz des großen Vorsprungs noch nicht in Sicht zu sein. Eine leichte Skepsis war in den Köpfen vieler Fans gewachsen und so verwundert es auch nicht, dass gerade die engen Siege in komplizierten Spielen positiv hingenommen wurden. Aber Miasanrot wäre ja nicht Miasanrot, gäbe es nicht wenigstens eine kleine Mahnung:

Unachtsamkeit darf sich dennoch nicht einschleichen und der astronomische Vorsprung, solang die Meisterschale noch nicht graviert ist, nicht verspielt werden. Sorge macht das aber nicht. Zu gut, zu konsequent und zu konzentriert scheinen die Spieler und das Umfeld zu sein.Jan in der Analyse zum Spiel auf Miasanrot

Und Jan ließ es sich nicht nehmen, die Rekordsaison zu visualisieren:

Bundesligatabelle der letzten Jahre zum 25. Spieltag

SaisonPlatzierungTordifferenzPunkteAm Ende
2012/131+5766_________
2011/122+41512. Platz
2010/115+18423. Platz
2009/101+3053Meister
2008/092+22482. Platz
2007/081+2953Meister
2006/074+9444. Platz
2005/061+2959Meister
2004/052+2250Meister
2003/042+27502. Platz
2002/031+4059Meister
2001/024+30473. Platz
2000/011+2146Meister

Er schrieb dazu:

Die Meistersaison 2002/03 kommt noch annähernd an die aktuelle Punkteverteilung heran, aber auch da fehlen fast 3 Siege. Wir müssen noch eine Lücke beim Ergebnis der aktuellen Spielzeit lassen, aber der Rathausbalkon ist hoffentlich schon reserviert. Also lasst uns die Sache klar machen und dann mit erhöhter Konzentration auf den DFB-Pokal und die Champions League schauen. Düsseldorf hat »Fortuna« im Namen, aber das Glück (des Tüchtigen) war auf Seite unserer Münchner. Jan in der Analyse zum Spiel bei Miasanrot

Dinge, die auffielen:

Da die Analyse eher emotional als analytisch war, sei hier noch die eine oder andere Ergänzung angebracht:

1. Müller auf dem Flügel

Eine Diskussion, die alle Trainer des FC Bayern über Jahre hinweg begleitet hat, ist die richtige Einbindung von Thomas Müller. Interessanterweise sind jene Trainer gescheitert, die ihn nicht gewinnbringend einbinden konnten, während alle mehr oder minder erfolgreich waren, wenn sie um ihn herum ein funktionierendes System aufbauen konnten.

Gegen Fortuna Düsseldorf stellte Jupp Heynckes Toni Kroos auf der Zehn und Müller auf der rechten Seite auf. Kroos ist zurecht einer der Lieblingsspieler des Trainers gewesen. Doch es gab eben ein Dilemma: eine Doppelsechs mit Kroos und Schweinsteiger ist defensiv zu anfällig, während das Vorziehen von Kroos auf die Zehn Müller von seiner Paradeposition verdrängt.

Gegen Düsseldorf schien sich genau das zu bestätigen. Heynckes konnte nicht zufrieden sein mit der Durchschlagskraft und dem Positionsspiel seiner Offensive. Und so brachte er auch in der 68. Minute Shaqiri für Kroos. Robben fehlte mit einer Wadenverhärtung.

2. Mentalität, Zusammenhalt und Optionen von der Bank

Wie Jan bereits in seiner Analyse geschrieben hat: Die Einstellung und der Wille dieser Mannschaft war unglaublich. Wer sich solche Arbeitssiege heute nochmal ansieht, der merkt, dass es im Fußball nicht immer auf die feine Klinge ankommt. Man braucht eben manchmal auch Glück. Die Bayern erzwangen dieses oft genug in der Saison 2012/13. Die Partie gegen Düsseldorf sollte sich jeder ansehen, der von seiner Mannschaft 34 Top-Leistungen allein in der Liga verlangt. Auch weil von der Bank Spieler kamen, die hohes Niveau mitbrachten. Gerade die Breite im Angriff war damals eine echte Waffe. Einen Mario Gómez in der damaligen Verfassung bringt nicht jeder mal eben von der Bank.

Man könnte vor allem mental eine kleine Parallele zur jetzigen Situation der Bayern vor den Maßnahmen gegen das Coronavirus ziehen. Gerade die Partien gegen Schalke und Augsburg schienen eher mäßig als überzeugend zu sein. Das Gefühl eines gefährlichen Trends machte sich unter den skeptischeren Fans breit. Doch diese Spiele gilt es eben trotzdem zu gewinnen. Und dann muss man sich gemeinsam wieder zur Bestform hocharbeiten.

3. Ausblick

Der Ausblick damals war deshalb klar: Mit einem 3:1-Sieg aus dem Hinspiel in London in der Tasche ging man mit breiter Brust ins Rückspiel gegen Arsenal. Auch hier also die Parallele zur Situation, wie sie die Bayern jetzt gehabt hätten: 3:0-Sieg gegen Chelsea, eigentlich sicher weiter.

Es birgt aber auch Gefahren, wenn man trotz schwächerer Leistungen ständig gewinnt. Die Frage, ob die Bayern ihren Schalter gegen Chelsea am Mittwoch umlegen können, können wir an dieser Stelle nicht beantworten. Aber wir schauen uns am Mittwoch mal an, wie ihnen das gegen Arsenal 2013 gelang. Bis dahin:

Weiter gehts, München! Als nächstes wartet der FC Arsenal im Rückspiel.Jan in der Analyse zum Spiel bei Miasanrot