Analyse: Real Madrid – FC Bayern München 4:2 (n.V.)
Der FC Bayern verliert das Champions League Halbfinale mit 2:4 gegen Real Madrid.
Falls ihr es verpasst habt:
Ancelotti brachte beide verbliebene Innenverteidiger mit Hummels und Boateng die angeschlagen ins Spiel gingen.
Müller musste zunächst auf die Bank. Das zuletzt von Ancelotti favorisierte Mittelfeld mit Vidal, Alonso und Thiago begann hinter Lewandowski.
Zidane musste Bale ersetzen. Für ihn kam der zentralere Isco. Benzema und Ronaldo begannen als echte Doppelspitze.
Die erste Chance im Spiel gehörte den gut beginnenden Gästen. Thiago und Robben scheiterten jedoch bei einer Doppelchance an der vielbeinigen Madrider Abwehr und dem Außennetz (10.).
Es entwickelte sich ein munteres Spiel mit engagierten Vorstößen beider Mannschaften. Real setzte das nächste Ausrufezeichen. Alonso verlor ohne Druck den Ball und erlaubte Madrid so einen Konter. Über Ronaldo landete der Ball bei Carvajal, der Neuer mit einem gut platzierten Flachschuss aus 18 Metern zu einer Glanztat zwang (26.). Eine Minute später tauchte Ramos gegen nun nachlässige Münchner im Strafraum auf. Sein Schuss wurde von Boateng von der Linie gekratzt.
Madrid machte nun richtig Druck, zwang Bayern sogar zu Fehlpässen im eigenen Strafraum. Bis auf vier gute Schusschancen für Kroos (drüber, Neuer) und Ronaldo (Neuer, drüber) blieb es jedoch glimpflich.
Die Roten kamen besser aus der Pause. Robben hatte schon nach wenigen Minuten eine Riesenchance, die Marcelo von der Linie klärte. Zwei Minuten später zog Robben in den Strafraum und nahm das Angebot des etwas ungestümen Casemirodankend an. Elfmeter. Lewandowski trat an und verwandelte sicher. 0:1.
Bayern nun wie ausgewechselt. Mit mehr Kontrolle, mehr Zug zum Tor und mehr Kontrolle in der Konterverteidigung. Zidane reagierte als erster und brachte Offensivallrounder Asensio für Benzema. Wenig später nahm Ancelotti Ribéry vom Feld und schickte Douglas Costa in die Partie.
Danach machte Alonso in seinem letzten Spiel im Bernabeu Platz für Müller (75.). 20 Sekunden später köpfte Cristiano Ronaldo nach einer traumhaften Flanke das 1:1. Weitere 120 Sekunden später traf Sergio Ramos nach einer Brustablage von Müller zum 1:2 ins eigene Tor. Hier wurde im Nachgang der Partie nach mehreren Zeitlupen eine hauchdünne Abseitsposition festgestellt.
Das Spiel wogte nach diesem Doppelschlag nun hin und her. Vazquez näherte sich mit einem Scherenschlag Neuers Tor (80.). Kurz danach stellte Schiedsrichter Kassai Arturo Vidal mit Gelb-Rot vom Platz. Der Chilene wandelte schon lange am Rande eines Platzverweises, doch die zweite Gelbe Karte war eine klare Fehlentscheidung. Vidal grätschte einfach sauber einen Ball ab.
Ancelotti reagierte direkt und brachte Kimmich für Lewandowski. So ging es in die Verlängerung. Bayern nun in einem dicht gestaffelten 4-4-1. Ronaldo versuchte es nun immer wieder im Alleingang aus dem 10er Raum, scheiterte jedoch in der 96. Minute mit seinem Fernschuss an Neuer. In der 98. Minute war es erneut Neuer, der einen Schuss von Asensio noch um den Pfosten lenkte.
Bayern schaffte ein paar gute Entlastungsangriffe, aber Real machte das Tor. Kroos fand in der Mitte den freistehenden Ronaldo, der aus 10 Metern sicher abschloss. Ronaldo stand bei Kroos Flanke einen Meter im Abseits. 2:2 (105.).
Bayerns Moral war gebrochen. Zwei Verletzte auf dem Feld. Mit den Kräften am Ende. Es sollte kein einziger echter Bayern-Angriff mehr folgen. Real entscheid nun konsequent das Spiel. Erneut Ronaldo traf nach glänzender Vorarbeit des herausragenden Marcelo aus leicht abseitsverdächtiger Position zum 3:2 (109.). Asensio machte wenig später den Deckel drauf (112.). Real Madrid steht damit im Halbfinale.
3 Dinge, die auffielen:
1. Erst Mittelfeldschlacht – dann Wahnsinn
Zinedine Zidane entschied sich vor der Partie Isco für den verletzten Gareth Bale zu bringen und lag damit zunächst goldrichtig. Der Spanier interpretierte seine Rolle als nomineller Außenspieler völlig anders als der Waliser und bewegte sich in alle möglichen Räume im Mittelfeld. So konnte Real immer wieder Überzahlsituationen im zentralen Mittelfeld herstellen, denn Isco spielte gemeinsam mit Casemiro, Kroos und Modric gegen Thiago, Alonso und Vidal. Carvajal und Marcelo unterstützen die Offensivbemühungen immer wieder mit tempogeladenen Vorstößen.
Bayerns tiefer Spielaufbau war in der ersten Halbzeit schwach. Alonso verlor einige Bälle. Boateng musste mehrfach zu wilden langen Bällen greifen, um sich aus dem Druck zu befreien. Gleichzeitig war das Pressing zahnlos – auch weil Robben und Ribéry nicht wirklich gut mitarbeiteten und Vidal (6 Fouls) mehrfach einen Schritt zu spät kam. Generell fehlten hohe Ballgewinne, um während Casimero als Zweikämpfer agierte und viele Steilpässe abfing, zwangen Kroos und Modric das Münchner Mittelfeld-Dreieck immer wieder in schlechte Winkel. Das reichte aus, um einen strukturierten Ballvortrag über Alonso und Thiago zu unterbinden. Was blieb, war das direkte Spiel in die Spitze. Hier fehlte es jedoch an Unterstützung für Lewandowski.
Eine kleine Änderung änderte nach der Pause das Spiel. Ribéry agierte nun seinerseits deutlich zentraler und bespielte immer wieder den Rückraum hinter Kroos und Modric. Gleichzeitig schoben Alaba und Lahm nun etwas höher und boten so zusätzliche Anspielstationen im Aufbau. Das reichte, um die Kontrolle nach der Pause zurück zu gewinnen. Für Ribéry wurde so auch der Weg auf die linke Seite kürzer wo er wie vor dem Elfmeter Robben unterstützten konnte. In der 70. Minute gingen Isco und Ribéry beim Stand von 0:1 vom Feld. Real entschied sich fortan tiefer zu stehen und zu kontern.
Die Mittelfeldschlacht fand so nach 70 Minuten ihr Ende. Der Wahnsinn ging danach erst richtig los. Nach den Wechseln und spätestens nach der roten Karte gegen Vidal gingen die ohnehin recht oberflächlichen Strukturen im Spiel beider Mannschaften völlig flöten und es entwickelte sich ein Spiel mit offenem Visier. Zuvor hatte Bayern begonnen mit Müller als zweitem Angreifer die Strafraumbesetzung deutlich zu verbessern und Madrids Abwehrkette vor richtige Probleme zu stellen.
Es ist müßig darüber zu diskutieren was ohne den fragwürdigen Platzverweis passiert wäre. Fakt ist: Nach 210 Minuten, davon fast 80 Minuten in Unterzahl steht die Mannschaft mit der größeren individuellen Qualität im Halbfinale.
2. Die zwei Türme
Viel ist vor dem Spiel über die beiden Münchner Innenverteidiger diskutiert worden. Alternativen wurden durchgesprochen. Der ein oder andere plädierte gar dafür mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf kein Risiko einzugehen. Es war klar. Sollte es irgendeine Chance geben dass Boateng und Hummels auflaufen, laufen sie auf. Vor allem Boateng waren die Schmerzen anzusehen. Beide kämpften sich durch. Schmissen sich in Konter, in Torschüsse, in Flanken, in Zweikämpfe. Wie zwei Türme.
Vor allem Hummels (4 erfolgreiche Tacklings, 2 abgefangene Bälle, 3 Klärungen, 4 geblockte Schüsse) rettete mindestens fünf Mal in höchster Not im Strafraum und überzeugte zudem nach schwächerer Anfangsphase auch im Spielaufbau. Es war eine denkwürdige Leistung, die zwangsläufig an Jens Jeremies in der Champions League-Saison 2001 erinnerte. Wenn auch dieses Mal mit negativem Ausgang.
Es brauchte am Ende zwei Abseitstore und einen herausragenden Cristiano Ronaldo (9 Torschüsse), um die beiden Abwehrspieler und Schlussmann Neuer, der ebenfalls hervorragend spielte zu besiegen. Hummels und Boateng waren das Sinnbild für eine kämpferisch bemerkenswerte Leistung des FC Bayern. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Spätfolgen ihres Einsatzes in Grenzen halten.
3. Ancelottis Wechsel werfen Fragen auf
Man muss sicher noch abwarten wie sich die Spieler selbst zu den Wechseln äußern. Kurz nach dem Schlusspfiff muss jedoch die Frage gestellt werden, ob Ancelotti seiner Mannschaft mit den Auswechslungen wirklich geholfen hat.
Mit Ribéry ging in der 70. Minute der wichtigste Faktor für die bessere zweite Halbzeit der Bayern. Costa blieb danach sehr schwach. Der am Wochenende gute Coman blieb 120 Minuten unten.
In der 75. Minute ging Xabi Alonso. Von der Leistung her sicher vertretbar. Auch die Idee mit Müller war gut. Allerdings war es ein Risiko den dunkelgelb vorbelasteten Vidal auf dem Feld zu lassen. Das rächte sich. Selbst wenn die Schiedsrichterentscheidung bei der zweiten Gelben Karte falsch war.
Auch Lewandowskis Auswechslung in der 88. Minute warf Fragen auf. Für ihn kam Kimmich, der phasenweise überfordert wirkte als zusätzlicher Mittelfeldspieler. Eine Reaktion auf die Gelb-Rote Karte, vielleicht auch eine Reaktion auf seine Verletzung. Ancelotti deutete nach dem Schlusspfiff an, dass es wohl eher taktische Überlegungen waren.
Insgesamt war die Reaktion auf die Unterzahl definitiv besser als im Hinspiel. Trotzdem bleibt am Ende das Gefühl, dass die Hilfe von Außen in beiden Spielen gegen Real nicht optimal war.
3.1. Philipp Lahm wird nie wieder in der Champions League spielen
Hier fehlen mir angemessene Worte.