5:4 – Kampf und Krampf gegen Liga Zwei

Tobi Trenner 03.04.2019

Falls ihr es verpasst habt:

Rotation?! Bayerntrainer Kovač änderte die Startaufstellung im Vergleich zum ernüchternden Remis in Freiburg dreifach: Süle statt Boateng, Gnabry statt Coman und Müller statt dem unfitten Lewandowski. Neuer und Alaba fehlten weiterhin. An der Formation änderte sich selbstverständlich nichts.

Die Gäste aus Heidenheim wechselten doppelt, für Feick und Thiel rückten Robert Andrich und Sebastian Griesbeck ins Mittelfeld. Taktisch entschied sich Trainer Frank Schmidt für ein durchaus fluides 4-3-1-2/4-3-2-1 mit dem in München bekannten Niklas Dorsch als Antreiber.

Das Spiel begann überraschend ausgeglichen. Heidenheim wollte Angriffe möglichst schnell und direkt ausführen, stellte sich aber defensiv nicht einfach tief rein. Die Bayern hatten dadurch sichtlich Probleme, den Ball produktiv laufen zu lassen und ins Angriffsdrittel einzudringen.

Nach acht Minuten köpfte Hummels nach Ecke übers Tor, die erste Halbchance der Partie. Kurz darauf zeigte sich Serge Gnabry wieder mal aktiv, zusammen mit Joshua Kimmich kombinierte er sich vertikal in den Strafraum, doch die Hereingabe wurde verpasst. Der FCB zog nun das Tempo an.

Ein paar Minuten Ernsthaftigkeit reichten dann auch. Thiagos Außenristpass auf Müller konnte noch zur Ecke geklärt werden. Ebendiese landete jedoch beim freistehenden Goretzka, der problemlos zur Führung köpfte (12.). Nahezu im Gegenzug wurde aus Ernsthaftigkeit wieder Fahrlässigkeit. Thiago, kurz zuvor noch brillant, spielte einen schlimmen Fehlpass vor den eigenen Strafraum. Niklas Süle räumte Andrich resolut ab und erhielt nach Videobeweis eine rote Karte wegen Notbremse – eher diskutabel, wenn man die Präsenz von Kimmich und auch Ulreich in Betracht zieht. Den folgenden Freistoß knallte Schnatterer an die Torlatte.

Nun gab es Chaos in Rot. Dovedan scheiterte von der Strafraumkante an Ulreich, Schnatterer durfte erneut aus weniger als 20 Metern einen Freistoß ausführen – diesmal in die Mauer. Der FC Bayern verlor bei eigener Führung im eigenen Stadion jegliche Kontrolle über einen Zweitligisten. Kovač brachte daraufhin Boateng für Ribéry.

Dies brachte auch nichts. Nach Flanke Schnatterer köpfte Robert Glatzel locker zum Ausgleich ein (27.). Es war ein offener Schlagabtausch zwischen zwei gleichwertigen Teams. Nach zehn Minuten hin und her schlug Heidenheim erneut zu. Ein Konter landete bei Schnatterer, der von rechts in die lange Ecke schob (39.). Die Bayern machten sich zu diesem Zeitpunkt nahezu lächerlich und waren mit der Unterzahl gnadenlos überfordert.

So ging man nach 45+4 Minuten mit einem 1:2-Rückstand in die Pause, welcher Fußballdeutschland an die Fragilität der kovac’schen Erfolgswelle und des Münchner Selbstbewusstseins erinnerte.

Zur zweiten Halbzeit brachte Kovač sofort Coman und Lewandowski, womit er bereits alle drei Wechsel vorgenommen hatte. Die Bayern waren aufgewühlt, jedoch zu ungenau und hektisch. Bis Lewandowski einen zweiten Ball per Kopf auf Müller steil passte, den der Kapitän verwerten konnte. Das nicht gerade logische 2:2 (53.).

Nun wurde es noch wilder. Heidenheim scheiterte noch am bereits liegenden Kimmich, der einen Schuss blocken konnte, direkt im Gegenzug revanchierte sich Müller bei Lewandowski. Der Pole musste nach guter Hereingabe nur noch einschieben, plötzlich führten die Bayern unerklärlicherweise (56.).

Heidenheim verlor in dieser Phase die Kontrolle über die Partie, die Gäste wurden immer weiter in die Abwehr gedrückt. Eine Ecke von Thiago wurde von Hummels verlängert, sodass Gnabry am langen Pfosten einschieben konnte. Nach Videobeweis wurde der fälschliche Abseitspfiff zurückgenommen, es stand 4:2 (66.). Zwei Minuten später scheiterten Gnabry und Coman knapp an Abwehr bzw. Torwart, es wäre wohl die Vorentscheidung gewesen.

Als Kingsley Coman liegen blieb, stockte den Bayernfans der Atem. Der Franzose konnte zwar weiterspielen – ohne verbleibende Wechsel musste er das auch. Doch die dauerhafte Verletzungsgefahr des Flügelspielers scheint selbst die des Arjen Robben zu übertreffen.

Aus dem Nichts wurde das Spiel wieder heiß. Glatzel drückte den Ball von der Strafraumkante ins lange Eck (74.). Wie so viele Gegentore in diesem Jahr war auch dieses völlig grundlos und verblüffend in der Simplizität. Und es blieb lustig: Zwei Minuten später drückte Hummels den Gegner im Strafraum um, Glatzel lupfte souverän zum Ausgleich (77.).

Chaos war nichts gegen die Schlussphase. Heidenheim scheiterte mehrfach vor Ulreich und die Bayern erhielten in der 84. Minute einen Handelfmeter zugesprochen. Lewandowski traf zum 5:4. In der 89. Minute zimmerte Gnabry (nicht zum ersten Male) den Ball gegen die Torlatte, während sich Heidenheim noch nicht aufgegeben hatte.

Letztendlich blieb es beim 5:4. Die Bayern stehen im DFB-Pokal-Halbfinale. Tja.

3 Dinge, die uns auffielen:

1. Chaotisch

Bestimmt hatte Kovač der Mannschaft einen Matchplan mitgegeben. Zu sehen war wenig, ob vor oder nach dem Platzverweis. Ohne die Vertikaldribblings von Gnabry, die akkuraten Flanken von Kimmich und die Verzögerungen von Lewandowski, wäre gefühlt jeder Bayernangriff eine Sackgasse gewesen.

Ein Pokalviertelfinale ist fraglos kein Platz für taktische Experimente. Ein Heimspiel gegen Heidenheim ist jedoch auch kein Kampf, der über individuelle Überlegenheit gewonnen werden muss. Die Spurenelemente von spielerischer Entwicklung, die im Bayernspiel zu finden sind, findet man weiterhin nur im Kleingedruckten.

2. Panisch

Eine der wiederkehrenden Geschichten der Bayernsaison: jeglicher Rückschlag wird zur Naturgewalt. Der frühe Platzverweis gegen Niklas Süle war sicherlich nicht optimal, doch die tiefreichende Verunsicherung stand in keinem Verhältnis. Gegen einen Zweitligisten bewiesen die Bayern eine Defensivstabilität, die jedem Knäckebrot unterlegen wäre.

Es war nicht das erste Mal in dieser Saison und es wird nicht das letzte Mal in dieser Saison gewesen sein. Gute Phasen und völliger Kontrollverlust sind im ständigen Wechsel. Man könnte fälschlicherweise von einer Kämpfermentalität sprechen oder den Bayern masochistische Veranlagungen unterstellen. Letztendlich ist es einfach eine mentale Instabilität, die sich als tief verankert erwiesen hat.

3. Fragwürdig

Vier Gegentore. Im Pflichtspiel. In der Allianz Arena. Gegen Heidenheim. Glückwunsch, die Bayern haben dennoch gewonnen. Glückwunsch, die Bayern sind im Halbfinale. Wer über einen Großteil der Partie so stümperhaft auftritt, sollte über diese positiven Fakten problemlos hinwegsehen können.

In Mönchengladbach hat sich der Sportdirektor trotz guter Ergebnisse für einen Umbruch entschieden, da er erkannt hat, dass die Potenziale nicht ausgeschöpft werden und der Erfolg nicht stabil ist. In der Zwischenzeit absolviert der FCB eine unfassbar verkrampfte und ergebnisorientierte Saison. Es gibt Vereine mit einer Vision. Der deutsche Rekordmeister gleicht dieser Tage eher einem Fiebertraum.