Jamal Musiala und Eric Maxim Choupo-Moting jubeln über ein Tor. Im Hintergrund zeigt der Schiedsrichter Abseits an.

FC Bayern spaziert auf Schalke zum 2:0-Sieg: „Saugnapf“ Musiala überragt erneut

Justin Trenner 12.11.2022

Julian Nagelsmann stellte vor dem letzten Spiel des Kalenderjahres nochmal etwas um. Joshua Kimmich begann auf rechts, Jamal Musiala rückte etwas tiefer neben Leon Goretzka und dafür gab es die volle Offensivpower mit Serge Gnabry, Kingsley Coman, Leroy Sané und Eric Maxim Choupo-Moting.

Schalke hingegen zog defensiv wie erwartet die Mauer hoch. Auf dem Papier war es ein königsblaues 4-2-3-1, auf dem Platz ein „Möglichst-viele-Spieler-stehen-extrem-kompakt-im-defensiven-Zentrum-Terodde“.

Falls Ihr es verpasst habt:

1. Halbzeit: FC Bayern lässt sich Zeit

Die ersten Minuten der Partie liefen dementsprechend zäh. Bayern versuchte, sich Schalkes Defensivblock zurechtzulegen, scheiterte aber meist an der eigenen Präzision, wenn es dann doch mal vertikal wurde. Mehr als Abschlüsse aus der Distanz waren zunächst aber nicht drin und so hatte sogar Schalke 04 die erst gute Gelegenheit, als Bülter auf der linken Seite auf das Tor von Manuel Neuer zulief, dort aber aus spitzem Winkel scheiterte (24.).

Kurz darauf kam Gnabry nach einer Flanke zu einem gefährlichen Kopfball, mehr war für die Bayern in den ersten 30 Minuten aber nicht drin. Als dann alles auf eine torlose erste Halbzeit hinauslief, war es aber Gnabry, der den Dosenöffner für die Münchner parat hatte.

Kimmich brach seinen Tiefenlauf auf der rechten Seite ab, spielte zurück auf Gnabry. Gleichzeitig fand Musiala im besetzten Strafraum der Schalker den kleinen Raum, der bespielt werden konnte. Gnabry reagierte schnell, lief nach seinem Pass gut durch und bekam den Ball per Hacke zurück in eine zentrale Position aus gut zehn Metern Entfernung. In seiner aktuellen Form eine Leichtigkeit (38.).

Schalke wurde jetzt nervöser und Bayern etwas druckvoller. In der 41. Minute hatte Gnabry erneut eine gute Gelegenheit, wurde aber in letzter Sekunde abgegrätscht. Und dann war eine Halbzeit zu Ende, bei der viele das 0:1 verpasst haben dürften, weil sie zuvor einschliefen.

2. Halbzeit: FC Bayern legt früh nach

In der zweiten Halbzeit legten die Bayern früh nach. Ein Freistoß für Schalke führte zu einem Konter, den das Team von Nagelsmann eiskalt ausspielte. Am Ende einer sehenswerten 16-sekündigen Umschaltsituation vollendete Choupo-Moting (52.). Damit beendete der Kameruner seine Krise von immerhin einem torlosen Spiel.

Bayern hatte nun standesgemäß alles im Griff. Und beinahe erhöhte Musiala sogar auf 3:0, doch sein sehenswerter Treffer wurde richtigerweise wegen Abseits zurückgenommen (67.). Ansonsten war das Spektakulärste an der Schlussphase ein wenig Pyrolicht im Bayern-Block.

Mit dem Sieg bauen die Münchner ihren Vorsprung in der Tabelle weiter aus. Da morgen der SC Freiburg und Union Berlin aufeinandertreffen, werden sich auch die Verfolger weiter ein paar Punkte abnehmen. Das lockere Auslaufen kam dem Serienmeister vor der WM in Katar wohl absolut gelegen.

Dinge, die auffielen

1. Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger

Und plötzlich war wieder 2018. Kimmich musste als Rechtsverteidiger ran, die Bayern spielten biederen Fußball und taten sich dementsprechend selbst mit einem sehr eindimensionalen Gegner schwer. Dass Kimmich auf die rechte Defensivseite musste, war überraschend. Noussair Mazraoui spielte nicht, weil er mit leichten muskulären Problemen zu tun hatte, wie der FC Bayern bekannt gab. Eine reine Vorsichtsmaßnahme.

Statt Josip Stanišić zu bringen, der sich erst jüngst für einen neuen Vertrag bis 2026 entschieden hat, entschied sich Julian Nagelsmann aber für Kimmich. Um es mit Schiedsrichtersprache zu sagen: Keine klare Fehlentscheidung. In jedem Fall aber eine, die in den sozialen Netzwerken diskutiert wurde.

Kimmich machte das offensiv gewohnt souverän, war beim Führungstreffer mit einem guten Tiefenlauf beteiligt und im Spielaufbau durch kluges Positionsspiel gut eingebunden. Gleichzeitig wackelte er defensiv leicht. Schon nach wenigen Minuten rannte ihm ein Gegenspieler davon. Gegen Schalke 04 konnte sich der FC Bayern aber das eine oder andere Problem in der Rückwärtsbewegung erlauben.

Problematischer war sein Fehlen in der Schaltzentrale. Goretzka ist kein Taktgeber, Musiala zog es nach vorn. Das ließ den Motor der Münchner mehrfach stottern und gab Schalke die Zeit, sich zu sortieren. Dass Nagelsmann also nahezu alles auf dem Platz hatte, was er an Offensivpersonal zur Verfügung hatte, resultierte nicht in einem besonders druckvollen Spiel.

2. Jamal Musiala: Der Saugnapf unter den Fußballspielern

Jamal Musiala ist ein ganz passabler Fußballspieler. Beim Führungstreffer zeigte er sein Raumverständnis, gegen den Ball bewies er, wie viel reifer er im Vergleich zu seinen ersten Auftritten in tieferer Mittelfeldrolle geworden ist und dann sammelte er Beinschüsse wie Treuepunkte im Supermarkt – beiläufig und so, als würden sie ihm nichts bedeuten.

Das Auswärtsspiel auf Schalke war sein hundertster Auftritt im Bayern-Trikot. Er ist der erste Teenager, dem das gelingt. „Erst“ würde man in diesem Kontext verwenden, wenn man sieht, wie abgezockt er agiert. Als hätte er schon ein Jahrzehnt lang nichts anderes gemacht, als für einen Top-Klub Räume aufzureißen, sich unter Druck zu behaupten, Tore zu schießen und Assists zu geben.

„Schon“ ist hingegen der passendere Begriff, wenn man den Zeitstrahl als Referenz nimmt. Es fühlt sich an, als hätte Musiala erst gestern sein Debüt für die Münchner gegeben. Und heute ist er ein absoluter Schlüsselspieler, der im Konzert vieler Weltklassespieler vollkommen unumstritten in der Startelf steht. Musiala ist immer noch 19. Eigentlich wartet man da nur auf Formdellen, die man dann nüchtern mit „er ist halt 19“ wegkommentiert.

Und wer weiß: Vielleicht kommen diese Dellen noch. Aber im Moment spielt er selbst bei angezogener Handbremse auf Schalke so, als gäbe es bei ihm keine Dellen. Passenderweise kann man Saugnäpfe nutzen, um Dellen zu entfernen. Dass man bei Musialas Ballbehandlung das Gefühl hat, dass er Saugnäpfe an den Füßen hat, ist also vielleicht kein Zufall.

3. Ein Spiel wie die Bundesliga

Borussia Dortmund verliert gegen Borussia Mönchengladbach zum sechsten Mal nach 15 Spieltagen, Leipzig verpatzte den Saisonstart und dass Union oder Freiburg bis zum Saisonende an den Münchnern dranbleiben, erscheint unwahrscheinlich. Neun Punkte vor Dortmund, sechs Punkte vor RaBa – eigentlich kann man den Bayern abermals zur Meisterschaft gratulieren.

Und irgendwie war dieses in so vielen Aspekten langweilige Spiel stellvertretend für den Status-quo dieser Liga. Nun ist Schalke längst kein Top-Klub mehr in Deutschland. Im Gegenteil: Es wäre ein Erfolg, wenn sie die Klasse halten. Doch dass da ein Team spürbar alles gibt, was in sich steckt und nicht mal in die Nähe eines Achtungserfolgs kommt, obwohl die Bayern ihr Kalenderjahr mit einem lockeren Auslaufen beenden, ist bemerkenswert.

Aus Sicht der Münchner positiv. Denn selbst in den erfolgreichen letzten Jahren ging die Qualität oftmals verloren, Spiele im Energiesparmodus über die Bühne zu bringen. Zuletzt gelang das mehrfach. Es spricht für den Rekordmeister, dass sie diesen Unterschied Woche für Woche sichtbar machen. Aus Sicht der Bundesliga ist es vermutlich dann auch egal. Das Thema wurde ja von allen Seiten rauf und runter diskutiert. Wenn man aber daran denkt, was für packende Duelle das früher waren, als die Bayern auf Schalke zu Gast waren, dann wirken diese 90 Minuten wie eine absurde Parallelwelt, die sich niemand ausdenken kann.



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