Der FC Bayern nach Champions-League-Aus vor einer Zeitenwende?

Georg Trenner 19.04.2023

Falls Ihr es verpasst habt

FC Bayern – Manchester City: die Aufstellungen

Im Vergleich zum Hinspiel veränderte Thomas Tuchel die Startelf auf zwei Positionen. João Cancelo und Eric Maxim Choupo-Moting kamen neu in die Startelf. Thomas Müller und Alphonso Davies mussten auf die Bank. 

Pep Guardiola tat, was Pep Guardiola früher nie tat: nichts. Er ging die Aufgabe in der Allianz Arena unverändert mit der Elf aus dem Hinspiel an. 

FC Bayern nutzt seine Möglichkeiten in der ersten Halbzeit nicht

Beide Teams begannen gut organisiert gegen den Ball, jedoch ohne letztes Risiko. Das führte nach zehn Minuten zu Passquoten von unter 80% auf beiden Seiten und einem Spiel ohne Torschuss. 

City versuchte, mit de Bruyne und Silva ihre rechte Seite zu überladen. Doch Cancelo, auch wenn er sich einmal nur mit einer gelben Karte retten konnte, hielt die Seite deutlich besser als Davies im Hinspiel. 

Wie im Hinspiel wollte der FC Bayern auf Umschaltsituationen setzen: Diesmal schaffte man es auch, nach Ballgewinnen Chancen zu kreieren. Der FC Bayern brach regelmäßig und schnell zwischen den Linien durch und kam hinter die letzte Reihe von Manchester City.

In der 16. Minute eroberten Goretzka und Coman den Ball im Mittelfeldzentrum und konterten über Sané und Musiala, der wieder Sané einsetze. Von halblinks aus lief er auf Ederson zu. Citys Torhüter verkürzte den Winkel und Sané legte den Ball an Torhüter und Tor vorbei. 

Acht Minuten später presste City sehr hoch gegen de Ligt, doch mit seinem schwachen Fuß überbrückte er das halbe Spielfeld. Über Musiala und Coman landete der Ball wieder bei Sané, diesmal auf halbrechts. Diesmal schloss er nicht selbst ab, sondern legte ab für Goretzka, der die Chance nicht nutzen konnte. 

In der 37. Minute schockte der Schiedsrichter die Allianz Arena. Nachdem Clement Turpin einige Minuten vorher eine rote Karte gegen Upamecano vom VAR wegen einer Abseitsstellung zurücknehmen musste, pfiff er diesmal Handelfmeter gegen seinen Landsmann. Eine harte Entscheidung. Diesmal war das Karma auf Seiten des FC Bayern, und Erling Haaland schoss drüber. 

Im Anschluss übernahm der FC Bayern wieder die Kontrolle und erspielte ich weitere Chancen. Coman kam nach Hackenzuspiel von Sané zu einem Abschluss aus spitzem Winkel und Choupo-Moting und Coman kamen zu einer Doppelchance, nachdem Musiala vorher etwas unkoordiniert auf die Grundlinie durchtänzelte. 

Nach nur 47 Minuten ging es mit 0:0 in die Kabinen. Bis auf den Elfmeter ließ Bayern defensiv nichts zu. Offensiv war es in Anbetracht des Gegners gut. Doch ohne das letzte Risiko zu gehen, fehlte die letzte Klarheit bei den Chancen. 

Haaland macht die Hoffnungen früh zunichte

Beide Teams kamen ohne Änderungen aus der Kabine. Auch das Spiel lief unverändert weiter. Bayern drückte, die ganz klaren Chancen und das Tor fehlten. 

Gut zehn Minuten nach Wiederanpfiff verkörperte sich das ganze Viertelfinale in 40 Sekunden: Ausgehend von einem Einwurf von Cancelo auf Höhe der Mittellinie (56:08) kombinierte der FC Bayern sich über drei, vier Stationen auf die rechte Seite, wo Kingsley Coman zur Grundlinie dribbelte und von dort an Ederson vorbei am Tor entlang quer spielte (56:32) – einzig der Stürmer fehlte, der den Fuß hinhielt. Nach einem langen Befreiungsschlag auf Haaland ließ dieser zu de Bruyne tropfen, der wiederum Haaland schickte. Haaland wackelte Upamecano aus und traf zum 1:0 für Manchester City (56:46). 

Das Viertelfinale war gelaufen. Beim FC Bayern kamen sukzessive Davies, Mané, Tel, Müller und Stanišić für Cancelo, Sané, Choupo-Moting, Musiala und Pavard. 

Bevor das Spiel austrudelte, entschied der Schiedsrichter mit VAR-Hilfe auf einen Handelfmeter für den FC Bayern. Kimmich verwandelte sicher. 

Es blieb beim 1:1. Der FC Bayern ist aus der Champions League ausgeschieden. 

Dinge, die auffielen

1. Tuchels Plan ging auf – Guardiolas auch    

Insgesamt war es in der ersten Halbzeit das Spiel, das der FC Bayern wollte. Die Münchner waren spielbestimmend und besser: 64% Ballbesitz, vier zu null Schüsse aufs Tor und je nach Zählweise drei bis vier ordentliche Chancen aus dem Spiel heraus. 

Es fehlte jeweils das Quäntchen Glück, um das Übergewicht in eine Führung zu verwandeln. Das Glück, das City im Hinspiel beim Traumtor von Rodri hatte, fehlt dem FC Bayern in beiden Spielen.

Und doch wäre es verkürzt, nur vom fehlenden Spielglück zu sprechen. Im Hinspiel ging Guardiolas Idee auf, den FC Bayern in die “Ballbesitzfalle” zu locken. Und auch im Rückspiel hatte man den Eindruck, so unzufrieden sei City nicht mit dem Spielverlauf – auch vor der eigenen Führung. City ließ den FC Bayern spielen, aber City ließ erneut keine “hunderprozentige” Chance zu. 

Man gewann den Eindruck, dass Bayern manchmal nicht konsequent zu Ende spielte, nicht konsequent zu Ende spielen konnte. Hier eine Flanke zu früh geschlagen, dort ein Schuss zu früh, ein anderes Mal abgeschlossen, wo der Pass besser wäre. Wie in den letzten Wochen fehlte die Leichtigkeit und Sicherheit, die den kleinen Unterschied zwischen sehr gut und Weltklasse ausmacht. Den Unterschied zwischen Bayern München und Manchester City im April 2023.

2. Zum dritten Mal in Folge Aus im Viertelfinale   

Das Aus gegen Manchester City bedeutet für den FC Bayern nach dem Titelgewinn 2020 das dritte Jahr in Folge, in dem im Viertelfinale Schluss in der Königsklasse ist. 

Zuerst schied man unglücklich aus: „Dass Paris mit Neymar, Mbappé und Co. zu Chancen kommt, ist kaum zu verhindern. Dass diese Superstars aus sechs Schüssen drei Tore erzielen, ist nicht die Regel, aber auch keine Sensation. Dass der FC Bayern aus 31 Schüssen nur zweimal trifft, ist ebenfalls zwar nicht normal, aber innerhalb der erwartbaren Ergebnisse. Dass beides ausgerechnet im so wichtigen Champions-League-Spiel zusammenfällt, ist Pech. C’est la vie“, schrieb ich zur Niederlage gegen Paris 2021.

Dann schied man überraschend aus: Als „größte Sensation (des FC Bayern im europäischen Wettbewerb) seit Jahrzehnten“ bezeichnete ich das Aus gegen Villarreal 2022.

Diesmal schied man deutlich aus. Fast chancenlos. Trotz vieler positiver Ansätze war die Niederlage über 180 Minuten überaus deutlich. Der FC Bayern verteilt normalerweise Komplimente der Art „stets bemüht“ an unterlegene Gegner. Er sollte nicht der Empfänger solcher Komplimente sein. 

In der Abfolge sind es drei sehr unterschiedliche Arten auszuscheiden. Drei Arten, die alle auf ihre eigene Art schmerzen. 

3. Der FC Bayern vor einer Zeitenwende? 

„Wie viel Topteam steckt noch drin in den Roten?“, fragte Kommentator Jan Platte unmittelbar vor Anpfiff bei DAZN. Es könnte die Frage für die nächsten Monate – oder Jahre werden. 

Zuletzt musste der FC Bayern vor vierzehn Jahren mindestens dreimal in Folge auf ein Halbfinale in der Champions League verzichten. Damals waren auf den Titel 2001 acht Jahre gefolgt, in denen der FC Bayern auf einen Halbfinaleinzug in der Champions League warten musste, bevor elf überaus erfolgreiche Jahre mit zwei weiteren Titeln folgten. Elf guten folgten nun drei enttäuschende. 

Hinzu kommt eine abnehmende Dominanz in der Bundesliga, abzulesen an der stetig schrumpfenden Punkteausbeute. Die nachlassende Leistung in der Bundesliga wird bisher von den Meisterschaften überdeckt. 

Blickt man auf die Mannschaft, die 2020 in der Champions League triumphierte, fehlte in beiden Spielen gegen Manchester City aus der damaligen Startelf die komplette Achse Neuer – Alaba – Thiago – Müller – Lewandowski. Müller und Neuer stehen noch im Kader des FC Bayern, doch ob und wenn ja, wie lange Neuer und Müller nochmal zurückkommen, ist offen. Sie sind 37 und 33 Jahre alt. 

Eine Achse der Zukunft auf gleichem Niveau hat sich bisher in diesem Kader nicht herausgebildet. Einzig de Ligt und Kimmich ist eine vergleichbare Rolle zuzuschreiben. Ohne weitere Entwicklung von Musiala oder einem einschlagenden Stürmertransfer droht der vorläufige Abschied aus den europäischen Top-Fünf.



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