Blaues Auge gegen alte Dame

Tobias Trenner 06.02.2019

Falls ihr es verpasst habt

Gegen die Berliner kehrte Thiago zurück auf die Doppelsechs neben Leon Goretzka, während Niko Kovač auf Thomas Müller verzichtete. Für Manuel Neuer kam die Partie noch zu früh, so startete Sven Ulreich erneut im Kasten.

Hertha BSC vs. FC Bayern MünchenGrundformationen: Hertha BSC – Bayern, 06.02.2019

Nach zwei Minuten der erste Aufreger, Goretzka wurde im Strafraum von Rekik am Fuß getroffen und sah die gelbe Karte aufgrund einer vermeintlichen Schwalbe. Eine Fehlentscheidung. Über einen möglichen Elfmeter kann man diskutieren, eine Schwalbe war es auf keinen Fall.

Aus dem Freistoß der Schwalbe erzielte die Hertha sofort das 1:0. Beim langen Ball von Keeper Jarstein verschätzte sich Süle. Die Berliner waren gedankenschneller und schafften es gegen passive Münchner in den Strafraum vorzudringen. Maximilian Mittelstädt erzielte schlussendlich die Führung für die Mannschaft von Dardai.

Die Anfangsphase bot viel Spektakel. Nachdem die Bayern geschickt zwischen die Linien kamen, konnten die Berliner Lewandowski nicht verteidigen. Serge Gnabry reagierte am schnellsten, erhielt den zweiten Ball im Sechzehner und erzielte den Ausgleich.

Die Bayern zeigten sich variabler in der Besetzung des Zehnerraums. Thiago besetzte wie gewohnt die zentrale Position im Mittelfeld. James und Goretzka bewegten sich davor zwischen den Linien. Während der Kolumbianer eher über die halblinke Seite kam, stieß Goretzka des Öfteren in den offenen Zehnerraum.

In der Folge neutralisierten sich beide Mannschaften weitestgehend. Die Herthaner formierten sich in einem tieferen 4-4-2. Duda und Ibisevic versuchten eng zu stehen und Pässe auf Thiago zu verhindern.

In der 20. Spielminute hatten dann die Bayern die nächste Torchance. Wieder war Serge Gnabry involviert. Der Neuzugang erhielt den Ball auf der rechten Seite und ging mutig ins Eins-gegen-Eins. Seinen Torschuss konnte Jarstein noch abwehren. Allerdings zeigte die Entstehung der Situation die Probleme der Münchner. Wie so oft fokussierte man sich auf eine Seite. Jedoch fehlten die Verbindungen ins Zentrum. Die Klasse von Thiago, der dank seiner starken Ballannahme den Raum in der Mitte bespielen konnte, ermöglichten erst den Wechsel auf die rechte Seite zu Gnabry.

Die Berliner ließen sich im Laufe der ersten Halbzeit immer tiefer in die eigene Hälfte drängen. Ihre beiden Viererketten standen allerdings sehr kompakt. Den Bayern fehlte es mal wieder an Ideen. Die Angriffe über die Flügel konnte die Mannschaft aus der Hauptstadt ohne größere Probleme verteidigen, indem sie die Münchner mit drei oder vier Spielern am Flügel isolierten.

Gegen Ende der ersten Halbzeit besetzten die Bayern dann die Räume besser und konnten die Konter der Berliner schneller stoppen. Neben Thiago rückte auch immer wieder Kimmich etwas ein, James ließ sich ebenfalls fallen und auch Kapitän Lewandowski versuchte das Zentrum situativ zu besetzen. Jedoch ging weiterhin die Gefahr von Einzelaktionen oder simplen Doppelpässen am Flügel aus.

Die zweite Halbzeit begann wesentlich besser für die Münchner. Im Vergleich zur ersten Halbzeit überluden die Bayern das Zentrum und fanden endlich passende Laufwege. Lewandowski ließ sich geschickt fallen und zog den Verteidiger aus seiner Position. James bot sich im Halbraum an und konnte den Ball in den offenen Raum auf Gnabry ablegen. Der Flügelspieler bewegte sich intelligent im Rücken der Verteidigung aus der Tiefe in den offenen Raum. Mit dem zweiten Tor an diesem Abend unterstrich er seine starke Leistung.

In der zweiten Halbzeit spielten eigentlich nur noch die Bayern. Die Herthaner kamen kaum noch in die Münchner Hälfte. Neben dem auffälligen Gnabry versuchten die Bayern hauptsächlich den Schnelligkeitsvorteil von Coman gegen Lazaro auf der linken Seite zu nutzen. Jedoch waren die meisten Hereingaben zu ungenau. Wirkliche Gefahr kam so selten auf.

Doppeltorschütze Gnabry belebte einmal mehr das Bayern-Spiel.
(Bild: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images)

Und wieder, typisch für die Saison der Bayern, brachte man den Gegner in der 66. Spielminute durch einen individuellen Fehlern von Hummels zurück. Selke glich nach einer viel zu kurzen und schwachen Rückgabe des Nationalspielers aus.

In der Folge fehlte den Bayern der Rhythmus, das Tempo in der Zirkulation und schlichtweg die Ideen den Hertha-Block zu knacken. Einzig über die linke Seite strahlte man Gefahr durch Coman aus. Lazaro folgte dem Franzosen, auch wenn jener sich ins Mittelfeld fallen ließ. So konnte Bayern bei einer guten Chance von James den Raum hinter Lazaro durch Alaba nutzen.

Letztlich passierte jedoch nichts mehr in der regulären Spielzeit und es ging in die Verlängerung.

Nachdem eigentlich auch in der Verlängerung wenig passierte, waren die Bayern im entscheidenden Moment im Sechzehner handlungsschneller. Lewandowski lupfte den Ball irgendwie über Jarstein, Coman gewann das Kopfballduell und brachte die Bayern in Führung.

Der Hertha fehlte am Ende die Kraft, um noch einmal zurückzukommen. Am Ende stehen die Bayern verdient im Viertelfinale des DFB-Pokals. Um aber auch in der Champions-League eine Chance zu haben, müssen sich die Münchner noch deutlich verbessern.

Dinge die auffielen

1. Bayerns Probleme im Gegenpressing

In der ersten Viertelstunde gab es viele Ballverluste und Umschaltsituationen. Die Mannschaft von Niko Kovač offenbarte wieder Lücken nach Ballverlusten. Gerade wenn die Münchner den Ball am Flügel verloren, boten sich für den Gegner Räume hinter Goretzka und James. Das teilweise sehr große Loch im Zentrum während die Münchner in Ballbesitz waren, verhindert ein schnelles Gegenpressing. Auch wenn Goretzka oder James diesen Raum mal besetzten, waren die Abstände zwischen den einzelnen Akteuren zu groß, um sofort Druck auf den Ballführenden ausüben zu können.

Zwar konnten die Herthaner dies nur selten nutzen, jedoch ist dies eine Schwäche, die mit Blick auf die Partie gegen Liverpool unbedingt verbessert werden muss. Die Mannschaft von Jürgen Klopp wird in der Lage sein diese Räume zu nutzen. Viele der gefährlichen Situationen konnte Thiago noch lösen, den Herthanern fehlte aber schlichtweg das Tempo in ihren Aktionen.

2. Serge Gnabry

Der Nationalspieler war der auffälligste Akteur bei den Münchnern. Er erzielte nicht nur den Ausgleich, sondern war auch sonst der gefährlichste Mann in der Offensive von Niko Kovač. Gerade seine Variabilität stellte die Hertha vor Probleme. Mal attackierte er aus einer breiteren Position, holte sich die Bälle im rechten Halbraum ab oder bewegte sich intelligent zwischen die Linien. Die ersten drei Chancen gingen allesamt auf das Konto von Gnabry.

Auch in der zweiten Halbzeit ging es genauso weiter. Der rechte Flügelspieler bewegte sich intelligent, mal über den Flügel, dann wieder durch die Mitte. Im Vergleich zu Kingsley Coman kann sich Gnabry auch ohne Ball in gute Abschlusspositionen bringen. Bei seinem zweiten Tor bewegte er sich gedankenschnell in den freien Raum und schloss trocken ab. Die Tatsache, dass Gnabry letzte Saison regelmäßig als zweiter Stürmer auflief, konnte man an seinen Bewegungen in dieser Situation gut erkennen.

3. Die fehlenden 100%

Zwar bestimmten die Bayern die Partie über weite Strecken. Man kann den Bayern sicherlich nicht den Willen absprechen. Die Einstellung passte grundsätzlich. Fußball ist aber mehr als Wille und Einsatz. Bei den Bayern fehlt die Gier und vor allem der Hang zur Perfektion.

In den dominanten Jahren zeichneten sich die Bayern dadurch aus, dass sie versuchten perfekt zu spielen. Positionierungen und Bewegungen wurden perfekt umgesetzt. Ein klarer Plan, an den sich alle hielten war erkennbar. Auch gegen den Ball pressten die Bayern intensiv und als Einheit.

Das zeigen die Münchner auch unter Niko Kovač, aber eben vieles nicht mit 100%. Im Gegenpressing fehlt teilweise die Intensität, im Offensivspiel die perfekte Abstimmung aufeinander. Vielleicht ist auch das eine Erklärung für die vielen individuellen Fehlern bei den Bayern. Die Konzentration scheint nicht zu 100% da zu sein. Man gibt sich mit dem passenden Ergebnis zufrieden. Die Aussagen von Niko Kovač nach den Spielen deuten ebenfalls darauf hin. Das alles ist reine Spekulation, jedoch ist es unbestreitbar, dass die Münchner in dieser Saison noch nie ihr Leistungspotenzial über die vollen 90 Minuten abrufen konnten.