Analyse: Benfica Lissabon – FC Bayern München 2:2 (1:1)
Es wurde ein hektisches 2:2, das dem FC Bayern für das Weiterkommen ins Champions League-Halbfinale reichen sollte. Zum fünften Mal in Folge steht der Rekordmeister damit unter den letzten Vier der Königslasse.
Falls Ihr es verpasst habt:
Einmal mehr sorgte Guardiola für eine ziemliche Überraschung und ließ mit Robert Lewandowski den Top-Torjäger der laufenden Bayern-Saison zunächst auf der Bank.
Dafür begannen Xabi Alonso, Vidal und Thiago gemeinsamen im zentralen Mittelfeld und Müller in der Spitze. In der Defensive durften, wie am Wochenende gegen Stuttgart, Kimmich und Martínez gemeinsam ran. Alaba begann als Linksverteidiger für Bernat.
Benfica musste vor allem in der Offensive umbauen. Top-Torjäger Jonas war gesperrt. Gaitan und der kopfballstarke Mitroglou fehlten angeschlagen. Gonzales, Salvio und Jiminez begannen dafür auf den vorderen Positionen.
Das Spiel startete sehr intensiv und mit der aus dem Hinspiel bekannten hohen Positionierung der Portugiesen, die gegen den Ball mit einer Mischung aus 4-4-2 und 4-2-4 agierten. Die Bayern waren zunächst sehr darauf bedacht Risiko zu vermeiden und spielten sehr kontrolliert nach vorne.
18 Minuten dauerte es bis zur ersten Torannäherung, als Müller eine Hereingabe von Lahm nur knapp neben das Tor abfälschte. Kurz danach tauchte Vidal bei einer Thiago-Flanke im Strafraum auf. Sein Kopfball war allerdings zu unplatziert (21.).
Als der FC Bayern dabei war das Spiel komplett zu beherrschen, traf Benfica Lissabon aus dem Nichts zur 1:0-Führung. Eliseu schaufelte den Ball aus der Halbposition in den Strafraum. Dort kam Jiminez gegen vier Münchner Gegenspieler zuerst an den Ball und köpfte diesen zum 1:0 ins Netz (27.). Neuer hatte sich komplett verschätzt und sprang an Ball und Gegner vorbei.
Die Bayern wirkten beeindruckt und Lissabon bekam mit dem Publikum im Rücken Oberwasser. Die Offensivbemühungen der Hausherren blieben jedoch eher simpel. Es dauerte bis kurz vor der Halbzeit ehe die Guardiola-Elf den nächsten Nadelstich setzen konnte. Und was für Einen. Torwart Ederson wehrte eine Lahm-Flanke ins Zentrum ab – genau in den Lauf von Arturo Vidal, der mit einem sehenswerten Direktschuss zum 1:1 in die Maschen traf. Puh….
Mit dem 1:1 ging es in die Halbzeit. Nach dem Seitenwechsel war zu spüren, dass Lissabon nun zu mehr Risiko gezwungen war. Für die Bayern ergaben sich so automatisch mehr Räume und etwas weniger Druck im Spielaufbau.
Nach 52. Minuten traf Müller zur Vorentscheidung in diesem Duell nach einer Ecken-Variante, die einstudiert wirkte.
Bayern nun mit deutlich mehr Selbstvertrauen und Klarheit im Spiel. Douglas Costa traf in der 60. Minute nur den Pfosten. Kurz danach jubelte Müller nur kurz, da sein Treffer aufgrund einer Abseitsstellung von Alaba zuvor aberkannt wurde.
Als alles nach einem sicheren Sieg der Bayern aussah, konnte Martínez den durchgebrochenen Guedes kurz vor der Strafraumgrenze nur noch mit einem Foul stoppen. Der Baske war mit Gelb gut bedient. Schiedsrichter Kuipers wertete das Foul offenbar nicht als Verhinderung einer klaren Torchance. Den fälligen Freistoß zirkelte Talisca über die Mauer und vorbei an Neuer ins Netz (76.). Trainer Vitoria musste nach einem heftigen Protest über die Gelbe Karte gegen Martínez auf die Tribüne.
Benfica nun mit dem letzten Aufbäumen und wütenden Angriffen. Echte Chancen blieben jedoch bis auf einen weiteren gefährlichen Talisca-Freistoß aus. Richtig souverän spielten es die Münchner jedoch auch nicht nach Hause. Der eingewechselte Lewandowski vergab noch eine große Konterchance zum 3:2 (87.).
Am Ende steht das sechste Champions-League-Halbfinale in sieben Jahren. Über zwei Spiele gesehen ein hartes Stück Arbeit. Der Einzug ins Semifinale ist verdient, aber der Favorit auf den Champions-League-Titel ist der FC Bayern in dieser Form mit Sicherheit nicht. Wer weiß wofür das gut ist…
3 Dinge, die auffielen:
1. Benficas tolle Defensive hält nur eine Halbzeit
Schon nach dem Hinspiel war nicht nur Pep Guardiola voll des Lobes über eine gleichsam unorthodoxe wie disziplinierte Lissabonner Defensiv-Leistung. Das Team von Rui Vitoria griff auch im Rückspiel hoch an und verengte den bespielbaren Raum durch eine ebenfalls sehr hoch positionierte Viererkette enorm.
Die Defensiv-Strategie des portugiesischen Rekordmeisters war in drei Phasen eingeteilt. 1. Hohes Pressing, 2. Verdichtung des Mittelfelds, 3. Strafraumverteidigung.
Gelang es den Münchnern die erste Pressinglinie konstruktiv zu überspielen rückten Fejsa und Renato Sanches enger an die eigene Viererkette heran, während Salvio, Gonzales und Pizzi Ball und Gegner nach außen lenken sollten. Weil die Viererkette von Benfica sich aber gleichzeitig nicht zurückfallen ließ und mutig auf Abseits spielte, war Bayern häufig gezwungen den Ball schon 40 bis 50 Meter vor dem gegnerischen Tor auf die Außenpositionen zu spielen. Weil Benfica zudem stark auf die ballführende Seite verschob, gelang es häufig schon hier – weit weg vom Tor – Ribéry und Douglas Costa zu doppeln. Erst wenn sich die Münchner auch hieraus befreiten zog sich die Abwehr um Jardel an den eigenen Strafraum zurück.
Die Bayern wirkten in der ersten Halbzeit trotz der Erfahrungen aus dem Hinspiel ziemlich überfordert gegen dieses Defensivkonzept Torgefahr zu erzeugen. Müller wartete zwar immer wieder an der Grenze zum Abseits auf einen Chip, aber der Ball kam so gut wie nie. Das 1:1 kurz vor der Halbzeit war die zweite echte Torchance im Spiel. Kaum ein Gegner hat in den vergangenen Monaten und Jahren mit einer so hohen Viererkette gegen die Bayern verteidigt. Es war beeindruckend wie gut Lissabon dies trotz limitierter individueller Möglichkeiten in der ersten Halbzeit spielte.
Mit dem 1:1 ging bei den Hausherren wohl auch ein wenig der Glaube an die eigene Chance verloren. In der zweiten Hälfte wurden die Lücken in Benficas Abwehrreihen deutlich größer – auch weil Lissabon gezwungen war etwas risikoreicher nach vorne zu spielen. Die Bayern hatten bis zum 2:2 ihre stärkste Phase und hätten den Sack frühzeitig zumachen müssen. Dennoch sollte die starke Defensiv-Leistung der Vitoria-Elf über 80 Minuten im Hinspiel und eine Halbzeit im Rückspiel nicht vergessen werden.
2. Einstudierte Standardsituationen
An den Reaktionen der Spieler und auch bei Trainer Pep Guardiola nach dem 2:1 durch Thomas Müller war es zu spüren. Da war etwas Besonderes passiert. In die Erleichterung über den vorentscheidenden Führungstreffer mischte sich diebische Freude bei den Bayern. Torschütze Müller verriet nach dem Spiel am ZDF-Mikro warum: “Das war einstudiert und da freut man sich natürlich besonders wenn es klappt.”
Alonso schlug eine lange Ecke auf den zweiten Pfosten, Martínez legte den Ball per Kopf quer und Müller musste ihn nur noch über die Linie drücken. Neben Müller warteten noch zwei weitere Münchner völlig frei auf die Kopfball-Ablage von Martínez. Auch zwei weitere Ecken sorgten gegen Lissabon für Torgefahr.
Die Beziehung von Pep Guardiola zu Standardsituationen wirkte lange Zeit schwierig. Nachdem die Münchner in der Anfangszeit des Katalanen jede Ecke kurz ausführten, rückten die Bayern davon zuletzt immer stärker ab. Sonderlich erfolgreich waren die Standards unter Guardiola jedoch nie – auch wenn gerade bei Freistößen immer wieder mal gute Varianten dabei waren.
Wie wichtig Standardsituationen in der Champions League sein können hat der FC Bayern 2013 und 2014 am eigenen Leibe erfahren. Im Halbfinale 2013 leiteten zwei Tore nach Standards einen 4:0-Erfolg gegen Barcelona ein. Im Jahr darauf waren es ebenfalls zwei Tore nach Standardsituationen, die Real Madrid in München früh auf die Siegerstraße brachten. Genau so etwas kann auf absolutem Top-Niveau den Unterschied machen. Es ist wichtig zu sehen, dass dies offenbar auch von Guardiola erkannt wird.
3. Auf zwei alte Herren ist Verlass
Zu viele Spieler des FC Bayern erreichten in den Spielen gegen Benfica Lissabon nicht ihre Normalform. Auch das ist ein Grund warum es am Ende etwas knapper war als es von den Kräfteverhältnissen her hätte sein müssen. Während Leistungsträger wie Douglas Costa, Alaba und Thiago in Lissabon deutlich unter ihren Möglichkeiten blieben, überzeugten zwei ältere Semester mit entschlossenen Auftritten. Philipp Lahm (32) und Franck Ribéry (33) waren am Mittwoch die besten Spieler auf Seiten der Münchner. Beide trieben die Mannschaft mit ihren Läufen immer wieder an. Auch wenn vor allem bei Ribéry längst nicht alles klappte, waren beide Flügelspieler neben Vidal klare Aktivposten.
Lahm leitete das 1:1 von Vidal mit einer scharfen Flanke ein, hatte noch zwei weitere gute Szenen am Strafraum und bereitete zwei Torschüsse vor. Hinzu kamen fünf abgefangene Bälle (Bestwert) mit denen Lahm mehrfach Angriffe der Hausherren durch gute Antizipation stoppte.
Ribéry sorgte auf dem anderen Flügel mit seinen unermüdlichen Dribblings für Unruhe. Fünf Mal wurde der Franzose gefoult, setzte sich drei Mal im Dribbling durch und schoss zwei Mal selbst aufs Tor. Wie gesagt: Ihm gelang nicht alles, aber gerade im Vergleich zum sehr unglücklich agierenden Costa wurde deutlich wie wichtig Ribéry in dieser Saisonphase für den FC Bayern ist. Auf die alten Haudegen war Verlass.
SL Benfica – FC Bayern München 2:2 (1:1) | |
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SL Benfica | Ederson – André Almeida, Lindelöf, Jardel, Eliseu (88. Jovic) – Fejsa, Renato Sanches – Pizzi (58. Guedes), Carcela-González, Salvio (68. Talisca) – Raul Jimenez |
Bank | Ulreich, Rafinha, Rode, Coman |
Bayern | Neuer – Lahm, Martínez, Kimmich, Alaba – Alonso (90. Bernat) – Vidal, Thiago – Costa, Müller (84. Lewandowski), Ribéry (90.+2 Götze) |
Bank | Ulreich, Rafinha, Rode, Coman |
Tore | 1:0 Raúl Jiménez (27.), 1:1 Vidal (38.), 1:2 Müller (52.), 2:2 Talisca (76.) |
Karten | Carcela-González / Martínez |
Schiedsrichter | Björn Kuipers (Niederlande) |
Zuschauer | 66.000 (ausverkauft) |