Bayer Leverkusen – FC Bayern München 0:0

Steffen Trenner 06.02.2016

Weil der einzig verbliebene Verfolger aus Dortmund am Nachmittag in Berlin „patzte“ und nur einen Punkt holte, konnten die Münchner etwas ruhiger in die Partie gehen. Ruhig war es auf dem Feld trotzdem nicht. Es wurde ein 0:0 der hochklassigen Art.

Falls Ihr es verpasst habt:

Während bei Leverkusen einzig der wieder-genesene Jedvaj zurückkehrte, verzichtete Guardiola im Vergleich zum ungefährdeten Sieg gegen Hoffenheim in der Vorwoche etwas überraschend auf Thomas Müller.

„LeverkusenLeverkusen 4-2-2-2, FC Bayern 4-1-4-1

Arturo Vidal erhielt dafür zum ersten Mal im Jahr 2016 die Chance von Anfang an. Kimmich blieb trotz gewisser Bedenken aufgrund der Luftüberlegenheit von Kießling erneut in der Innenverteidigung.

Leverkusens Coach Roger Schmidt hatte vor der Partie angekündigt, dass sein Team auch gegen den FC Bayern auf eine aggressive Grundausrichtung mit laufintensivem Pressing setzen würde.

Die Münchner begannen im Aufbau mit einer Mischung aus Dreier- und Viererkette, in der Lahm immer wieder von Außen ins Mittelfeld pendelte. Im Verlauf der ersten Hälfte wurde es aber immer klarer zu einer Viererkette, da Chicharito häufig weit herausrückte und Lahm somit forderte.

Taktisch war die Begegnung von der ersten Minute auf sehr hohem Niveau. Leverkusen lief weiträumig an und verkürzte die Reaktionszeiten der Gäste auf ein Minimum. Die erste kleine Chance hatte Toprak, der mit seinem Kopfball nach einer Ecke aber an Neuer scheiterte (10.). Zehn Minuten später setzte sich der pfeilschnelle Coman gegen Tah durch und blieb aus spitzem Winkel an Leno hängen (21.).

Chancen blieben ansonsten in der ersten Hälfte Mangelware. Es war Rasenschach – aber auf gehobenem Niveau.

Nach der Pause reagierte Guardiola früh und brachte Thiago für den schwachen und zudem angeschlagenen Vidal (51.). Leverkusen kam etwas besser aus der Kabine. Ein Fernschuss von Chicharito ging nur knapp neben das Tor. Ein weiterer von Calhanoglu blockte Kimmich (53.). Im Gegenzug brach Robben durch und wurde hart an der Grenze zum Foul in letzter Sekunde von Wendell gestoppt. Die darauffolgende Schusschance von Lewandowski verpuffte ebenfalls (54.). Leverkusen blieb druckvoller, aber Bayern spielte ab der 60. Minute seine Gegenstöße etwas konsequenter aus. Zwei Mal verpasste der eingewechselte Müller nach Hereingaben von Coman und Douglas Costa nur knapp die Führung (66.). In der 83. Minute vergab Lewandowski die nächste Riesenchance nach erneuter Hereingabe von Costa (82.).

Wenig später beschloss Schiedsrichter Knut Kircher die ohnehin schon spannende Partie noch ein wenig kribbeliger zu machen und stellte Xabi Alonso nach einem Körperkontakt im Mittelfeldzentrum mit Gelb-Rot vom Platz (83.). Es war sein drittes Foul. Leverkusen gelang es in den Schlussminuten nicht mehr, nennenswerte Akzente zu setzen. Im Gegenteil: Am Ende waren es erneut die Münchner, die noch einmal gefährlich im Strafraum auftauchten, aber in letzter Minute geblockt wurden.

So blieb es beim 0:0. Ein Punktgewinn, der dank des Unentschiedens der Dortmunder absolut in Ordnung ist.

1. Leverkusener Anschauungsunterricht bis zur 60. Minute

So ein wenig erinnert das Leverkusen der Jahre 2014-2016 an das Dortmund der Jahre 2010-2013. Zumindest was die Arbeit gegen den Ball betrifft. Die Werkself wirkt geradezu dankbar, wenn sie einen Gegner vor sich hat, der ein konstruktives Aufbauspiel bevorzugt. Leverkusen hat die Spieler und die taktischen Automatismen, um den Ballvortrag auf unterschiedlichste Weisen zu stören und frühzeitig zu unterbinden. Offensiv ist die Schmidt-Elf fraglos deutlich limitierter als es Klopps Mannschaften zwischen 2010 und 2013 waren.

Es ist dabei nicht nur das bekannte raumgreifende Pressing, das Leverkusen stark macht. Über 60. Minuten gelang es hervorragend, die Passwege der Bayern auf die Flügel zu verkomplizieren. Robben, Coman und Costa mussten den Ball immer wieder unter hohem Druck und meist mit dem Rücken zum Tor annehmen und daraus etwas kreieren. So nimmt man diesen dribbelstarken Spielern ihre größte Stärke.

Versuchten es die Bayern über kurze Pässe auf die Außen zu kommen schob Leverkusen mit Kramer, Calhanoglu, Kampl oder Bellarabi extrem auf einen Flügel und machte den Ball dort fest. Es blieben meist nur lange, hohe Diagonalbälle, die lange in der Luft und schwer zu verarbeiten waren. Vor allem Bellarabi verdiente sich zudem Fleißkärtchen, weil er immer wieder die ganz weiten Wege ging, um Comans Antritte abzulaufen. In der ersten Hälfte hatte Neuer (36) deutlich mehr Ballkontakte als Costa (25), Robben (24), Coman (19) und Lewandowski (18), was Leverkusens starke Arbeit gegen den Ball unterstrich. Den Münchnern gelang zudem im ersten Abschnitt gerade einmal ein erfolgreicher Pass in den Strafraum. Sicher half den Hausherren dabei auch die sehr großzügige Zweikampfbewertung von Knut Kircher der (zu) viel laufen ließ. Auffällig war auch, dass Alaba eines seiner zurückhaltendsten Spiele der letzten Zeit spielen musste.

So war es bis zur 60. Minute ausschließlich Kingsley Coman, der für Gefahr sorgte, wenn er doch mal in einer 1:1-Situation freigespielt wurde und seinen Gegner einfach überrannte.

Erst in der letzten halben Stunde ließ der Leverkusener Druck gegen den Ball etwas nach. Das mag am hohen Tempo der ersten Stunde gelegen haben, das im Anschluss sicher den ein oder anderen Konzentrationsfehler provozierte. Auch Bayerns Wechsel (Thiago und Müller für Vidal und Robben) wirkten sich jedoch positiv aus. Thiago spielte etwas höher als Vidal und war im 10er Raum eine zusätzliche Anspielstation. Zudem wechselte Costa von der Mitte auf die linke Seite, was viele direkte Duelle zwischen dem zuvor völlig blassen Brasilianer und dem schon im Hinspiel schwachen Hilbert (eingewechselt für Jedvaj) ermöglichte. Hinzu kam Unruhestifter Müller, der alles mögliche versuchte.

Nach Müllers Einwechslung in der 60. Minute steigerten die Bayern die erfolgreichen Pässe im Strafraum von zuvor 2 auf 10 bis zum Schlusspfiff. Die Abschlüsse im Strafraum von 1 auf 6. Ein klarer Beleg für die deutlich verbesserte Offensivleistung, der nur eine passende Chancenverwertung fehlte.

Für die Bayern war dieses Spiel so der erhoffte erste richtige Härtetest in der Rückrunde. Nicht ausgeschlossen, dass Leverkusen noch einmal in dieser Saison im Weg steht. Die Schmidt-Elf ist genau wie Dortmund noch im Pokal vertreten. Insgesamt kann der Auftritt den Münchnern Mut machen, weil es ab der 60. Minute immer wieder gelang, die Leverkusener Ausrichtung zu knacken.

2. Testlauf mit Vidal misslingt

Vielleicht war es auch ein Stück Trotz, der Guardiola dazu bewog, dem zuletzt auf unterschiedliche Weise gescholtenen Arturo Vidal die Chance von Anfang an zu geben. Alkohol-Gerüchte, unterstelltes Übergewicht – Vidal stand im Fokus der Berichtersattung in den vergangenen Tagen. Auch weil er sich sportlich bisher zu selten als klare Verstärkung erwies. Der alleinige Grund war das jedoch sicher nicht. Guardiola hat (zurecht) einen Heidenrespekt vor der physischen und spielerischen Stärke des Leverkusener Mittelfelds.

Vor allem Kampl hob der Bayern-Coach am Freitag in der Pressekonferenz hervor. Vidal sollte dabei helfen, dem Leverkusener Pressing und Gegenpressing physisch zu begegnen und Bayerns eigenes Gegenpressing zu stärken. Zudem sollten seine Läufe in den Strafraum Kramer und Kampl defensiv fordern und aus der Komfortzone zwingen. Es war so gewissermaßen auch ein Testlauf für das Auswärtsspiel gegen Juventus Turin, das in zwei Wochen ansteht.

Die Idee war vertretbar – die Umsetzung nicht. Vidal wirkte verunsichert. Er hatte zum Zeitpunkt seiner Auswechslung in der 52. Minute die drittwenigsten Ballkontakte (21) und eine schwache Passquote (72%). Zudem verbuchte er gerade einmal eine erfolgreiche Defensivaktion. Alonso (23 gewonnene Zweikämpfe), der eine glänzende Defensivleistung zeigte, war ihm hier deutlich überlegen. Leverkusen legte Vidals größte Schwäche schonungslos offen. Die Handlungsschnelligkeit und Lösungsorientierung unter hohem Druck. Vidal verlor viele Bälle, weil er den falschen Gedanken umsetzen wollte oder ihm der Ball bei der Annahme etwas zu weit wegsprang.

Es war nicht sein Spiel. Nach den heftigen Schlagzeilen der vergangenen beiden Wochen vielleicht auch verständlich. Es bleibt abzuwarten, wie schnell er die nächste Chance in einem wichtigen Spielen von Anfang an bekommt.

3. Badstuber setzt ein Ausrufezeichen

Der Start in die Rückrunde war wackelig. Badstuber, dem letzten verbliebenen etatmäßigen Innenverteidiger, war seine fehlender Spielpraxis in den Duellen gegen Hamburg und Hoffenheim durchaus anzumerken. Es war jedoch mehr als die Spielpraxis. Badstuber lief unrund, hatte sichtbar Probleme bei Drehungen und Richtungswechseln.

Das Spiel gegen Leverkusen kann im Vergleich dazu als klarer Schritt nach vorne gewertet werden. Badstuber mag dabei entgegengekommen sein, dass er meist auf den ebenfalls nicht gerade feinmotorischen Stefan Kießling traf, während Nebenmann Kimmich (größte Laufleistung aller Münchner) gemeinsam mit Lahm Chicharito bearbeitete. Badstuber führte gerade einmal sieben direkte Zweikämpfe, verbuchte aber auch 7 erfolgreiche Klärungsaktionen, was dafür spricht, dass sich sein Timing deutlich verbessert hat.

Kimmich ist für seine Reife auf fachfremder Position nicht hoch genug zu loben. Aber Badstuber war der Boss gegen Leverkusen. Er dirigierte die Viererkette gegen den Ball. Er rückte immer wieder klug ein oder heraus und leistete sich bis auf eine Ausnahme keinen nennenswerten Fehler im Aufbauspiel (82% Passquote).

Zum Beginn der Rückrunde war Badstuber als Rotationsspieler eingeplant, der nach langer Verletzung Schritt für Schritt wieder eingegliedert werden sollte. Jetzt ist er auf absehbare Zeit Stammspieler. Die Sorgenfalten sind diesbezüglich mit dem Leverkusen-Spiel, zumindest was seine Leistungsfähigkeit angeht, etwas kleiner geworden.

Bayer Leverkusen – FC Bayern 0:0
Leverkusen Leno – Jedvaj (52. Hilbert), Tah, Toprak, Wendell – Kramer, Kampl – Bellarabi (87. Mehmedi), Calhanoglu – Chicharito, Kießling (74. Brandt)
Bank Kresic, Papadopoulos, Ramalho, Frey
FC Bayern Neuer – Lahm, Kimmich, Badstuber, Alaba – Xabi Alonso, Vidal (52. Thiago) – Coman (87. Rode), Douglas Costa, Robben (60. Müller) – Lewandowski
Bank Starke, Bernat, Rafinha
Tore  /
Karten Gelb-Rot: Alonso
Schiedsrichter Knut Kircher
Zuschauer  30.210