Adventskalender: Unsere Wunschtransfers – Türchen 10

Steffen Trenner 10.12.2020

SITUATION BEIM SPIELER

Rosicky debütierte mit 18 Jahren bei seinem Heimatverein Sparta Prag und machte nach zwei Meisterschaften in Folge auch in der Champions League auf sich aufmerksam. Spätestens seine beiden Treffer in der Gruppenphase gegen Donezk und den FC Arsenal in der Saison 2000/2001 brachten ihn aufs Radar aller europäischen Topclubs. Zuvor durfte er bereits bei der EM 2000 für Tschechien auflaufen. Rosicky spielte schon damals im linken offensiven Mittelfeld. 

Als klar war, dass Rosicky Prag in der Winterpause 2000/2001 verlassen würde, konnte er sich den Verein aussuchen. 

SITUATION BEIM VEREIN

Der FC Bayern war im Winter 2000 mitten im großen Lauf der Kahn/Effenberg-Ära, die wenig später mit dem Champions-League-Titel 2001 enden sollte. Der Verein war in dieser Phase bereits bemüht die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen und mittelfristig Nachfolger für Leistungsträger wie Lothar Matthäus, der im Winter zuvor nach Amerika wechselte, und den bereits 32-jährigen Kapitän Stefan Effenberg zu finden. 

Allerdings nicht um jeden Preis – wie die Causa Rosicky zeigte. 

Uli Hoeneß kommentierte die Personalie damals in der WELT wie folgt: “Natürlich waren auch wir an Tomas Rosicky interessiert. Aber irgendwann hatten wir die Nase voll vom Gehabe seines Beraters. Er hatte uns signalisiert, dass man sich bei einer Ablöse von 25 Millionen Mark treffen könnte. Am nächsten Tag ist er dann mit unserem Angebot bei den Dortmundern hausieren gegangen, und der Spieler sollte statt 25 auf einmal 30 Millionen Mark kosten. Solche Geschäftspraktiken sind mit dem FC Bayern nicht zu machen.” 

Tomas Rosicky im Zweikampf gegen den FC Bayern.
(Foto: Stuart Franklin/ALLSPORT)

Was die Transfersummen angeht war es eine andere Zeit. Was die Kräfteverhältnisse angeht ebenfalls. Der FC Bayern hatte im Sommer zuvor 13 Millionen Mark für Willy Sagnol ausgegeben. Ein Transfer, der bereits als teuer bewertet wurde. In Dortmund saß das Geld kurz nach dem Börsengang dagegen locker. Rosicky war damals nur der Auftakt eines legendären shopping sprees (Koller, Kehl, Amoroso, Ewerthon) bei Borussia Dortmund, der mit dem Titel 2002 und wenig später fast in der Pleite endete.

SITUATION IM HYPOTHETISCHEN TEAM

Rosicky war in gewisser Weise seiner Zeit voraus. Ist es heute dank Iniesta, Xavi, Thiago und Co. normal, dass schmächtige Techniker das zentrale Mittelfeld dominieren, war das zur Jahrtausendwende alles andere als der Normalfall. Es war die Zeit der dominanten Mittelfeldstrategen und Arbeiter. Vor allem im deutschen Fußball. 

Mehmet Scholl genoß jahrelang einen Sonderstatus im deutschen Fußball, weil er einer der wenigen war, der Spieler ausdribbeln konnte und so etwas wie Leichtigkeit ausstrahlte. Rosicky konnte genau das. Super enge Ballführung, stark in engen Räumen, gutes Passspiel und dazu flink und dribbelstark in Kontersituationen. 

Heute wäre er ein brillanter 8er, der als torgefährlicher Verbindungsspieler den Unterschied machen kann. Zur Jahrtausendwende wurde er eher in eine Rolle als 10er oder einrückender Linksaußen gedrängt – was er genauso gut ausfüllte. 

Während er in Dortmund von der ersten Minute an zum Leistungsträger wurde, hätte er sich in München wohl erstmal hinten anstellen müssen. Es wäre selbst für einen solchen Millionentransfer nicht selbstverständlich gewesen im komplexen Alphatier-Gefüge der Münchner einen Platz zu finden. 

Stefan Effenberg dominierte damals das Spiel und schätzte laufstarke Arbeiter wie Jens Jeremies oder später Owen Hargreaves an seiner Seite. Rosicky wäre wohl zunächst als Joker eingeplant gewesen oder hätte sich vom Flügel aus Spielanteile verdienen müssen. 

AUSBLICK: WAS WÄRE, WENN

Es ist schon ein faszinierender Gedanke, wie sich Bayerns Spiel mit Rosicky weiterentwickelt hätte, weil er ein anderer Spielertyp für die Zentrale gewesen wäre, als es in München üblich war. Statt Rosicky kam wenig später Michael Ballack nach München. Wieder ein wuchtiger, dominanter, nicht gerade kleinräumiger Mittelfeldspieler. Für das spielerische Element kam Sebastian Deisler, der aus bekannten Gründen nicht das einlösen konnte, was er von den fußballerischen Anlagen her versprach. 

Ballack und Rosicky – das hätte durchaus auch zusammen funktionieren können. Vor allem hätte Rosicky dafür gesorgt, dass der FC Bayern im Trend zu kleineren, spielstarken Mittelfeldspielern sehr früh dabei gewesen wäre. Aus der Zeit von 2000 bis 2008 – Rosickys potenzielle Blütejahre – fällt mir im Bayern-Kader eigentlich nur Ali Karimi ein, der so etwas ähnliches wie ein 8er heutiger Prägung darstellen könnte. Und das will dann auch schon viel heißen …

Borussia Dortmund hätte sicher einen anderen teuren Spieler gefunden, um seine Mannschaft aufzupumpen. Doch Rosicky spielte eine entscheidende Rolle im Konzept des damaligen Coaches Matthias Sammer. Amoroso schoss die Tore, doch Rosicky gab den Takt vor. Insofern ist die Meisterschaft 2002 schon sehr eng mit seinem Namen verknüpft. 

Auch später hätte ich mir Rosicky übrigens gut in München vorstellen können. Vor allem viele Verletzungen verhinderten, dass Rosicky später bei Arsenal trotz einer sehr respektablen Karriere nie in die absolute Weltklasse (Top 3) auf seiner Position vorstieß.

Neues Türchen, neuer Zehner. Auch morgen geht wieder um einen offensiven Mittelfeldspieler, diesmal um eine Verstärkung im Sommer 2004. Kleiner Tipp: Wäre er gekommen, hätte es um seinen Landsmann vor ein paar Jahren nicht gehießen, er wäre der erste seines Landes beim FC Bayern.

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