Adventskalender: Unsere Wunschtransfers – Türchen 16

Daniel Trenner 16.12.2020

Situation beim FC Bayern

Der Sommer 2009 war ein ganz spezieller beim FC Bayern, rückblickend sieht man ihn als logischen Beginn einer Ära, ja fast einer Dynastie an, die bis zum heutigen Tage anhält, doch damals war von Ären nirgends die Rede. Zu frisch waren die Erinnerungen an die Vorführung des stolzen Vereins im Camp Nou Wochen zuvor, zu groß die Skepsis beim scheinbar ewigen Talent Bastian Schweinsteiger, zu sicher die Aussicht Franck Ribéry im nächsten Sommer verlieren zu müssen und zu seltsam die Maßnahmen des neuen Trainers Louis van Gaal.

Der niederländische Fußballlehrer verordnete dem FC Bayern einen Crashkurs in Sachen Spielaufbau, Ballbesitz, Passwinkel und Videostudium. Das mochte sich zwar spannend anhören, doch der FC Bayern hatte auch Spiele zu gewinnen und das wollte er scheinbar einfach partout nicht tun zu Anfang. Nachdem man es an den ersten beiden Spieltagen nur zu Remis brachte, zeigten einem Thomas Tuchels junge Mainzer am dritten die ganz lange Nase, zwei magere Punkte nach schon drei Spielen, der Fehlstart war perfekt.

Situation beim Spieler

Der Tag an dem Arjen Robben zum FC Bayern wechselte, dürfte für nicht wenige der aufregendste Transfer-Tag in Ihrer Zeit als Bayern-Fan gewesen sein. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich damals minütlich zwischen PC und Teletext tingelte (ja, das hat man damals bei Transfergerüchten noch benutzt, kaum zu glauben…). 

Dabei begann der Tag für mich denkbar mies, am Tag zuvor hatte sich der Transfer von dem einen Spieler, den ich schon den ganzen Sommer über zum FC Bayern herbei gesehnt hatte, endgültig zerschlagen. Von Sommerbeginn an waren meine Augen ganz auf Wesley Sneijder gerichtet, an Arjen Robben wagte ich damals nicht zu träumen.

Käme Robben auf den Markt, würden stärkere Mannschaften schon zubeißen, glaubte ich, und wieso sollte Real Madrid so einen großartigen Spieler auch überhaupt abgeben wollen? Er mochte sich mit Verletzungsproblemen rumschlagen, doch zum einen war ein fitter Robben auch bei Real damals schon ein Unterschiedsspieler gewesen und zum anderen hätte sein Verkauf ja gar keinen Sinn gemacht. Real Madrid verpflichtete schließlich in diesem Sommer mit Cristiano Ronaldo für eine damalige Rekordablösesumme einen Linksaußen, für Robben als Rechtsaußen war also noch Platz übrig.

Parallel kam aber auch für fast genauso viel Geld Kaká für das offensive Mittelfeld, was Reals niederländische Zehner Wesley Sneijder und Rafael van der Vaart überflüssig machen sollte. Letzterer blieb noch ein Jahr bei den Königlichen, doch Sneijder würde schlussendlich für auch damals schon vergleichsweise mickrige 15 Millionen Euro zu Inter Mailand wechseln.

Bei Real immer unterschätzt, bei Inter sollte er endgültig zum Weltstar reifen. Auch für Bayern war Wesley Sneijder denkbar.
(Foto: Pierre-Philippe Marcou/AFP via Getty Images)

Hypothetische Rolle im Team

Warum war der FC Bayern zu diesen Konditionen nicht dran gewesen? Inter mochte zwar mit José Mourinho einen ganz heißen Namen auf dem Transfermarkt geholt haben, aber zu einer größeren Nummer als den FC Bayern machte sie das trotzdem nicht gleich. Durch den Calciopoli-Skandal und dem Umbruch beim AC Mailand wurde Inter zwar zur alleinigen Spitzenkraft Italiens, doch in der Champions League hatten sie noch weniger zu melden als die Bayern, schieden Jahre lang noch früher aus.

Durch den neuen Fokus auf Passspiel brauchte es auch echte Passspieler und die fehlten dem FC Bayern. Van Gaal experimentierte hinter den Spitzen munter durch und brachte an den ersten drei Spieltagen abwechselnd Alexander Baumjohann (ja, ganz genau, Baumjohann begann die Bundesligasaison in der Startelf), José Ernesto Sosa und sogar Miroslav Klose.

Im Hinterkopf plante van Gaal noch Ribéry dort zu installieren, doch sollte das scheitern. Was Sneijder dem Team also gebracht hätte, liegt auf der Hand, auf der für den Trainer so wichtigen Position im zentralen offensiven Mittelfeld, hätte man mit Sneijder einen perfekt passenden Spieler gehabt. Denn Sneijder war wie geboren für diese Position, passstark, schusssicher, beidfüßig, technisch beschlagen, eigentlich ein geborener Spielmacher für Ballbesitzfußball. Dieser Umstand macht die Tatsache, dass seine größten Erfolge mit Kontermannschaften zustande kamen, nur sonderbarer.

Was wäre wenn…

Dieser Adventskalender handelt von “Wunschtransfers”, doch retrospektiv wünsche ich mir Sneijder eigentlich gar nicht. Es ist schon absolut hervorragend so gelaufen, wie es lief. Denn einen Namen habe ich bislang vollständig unterschlagen: Thomas Müllers ganze Klasse vermochte ich damals natürlich nicht begreifen. Wie sollte ich auch? Ein schlaksiger Offensivspieler ohne besonders guter Technik oder Passspiel, auf den ersten Blick erkennbar waren Müllers Qualitäten wahrlich nicht.

Doch schon kurze Zeit später sollte es “Müller spielt immer!” heißen und auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass anfangs außer Louis van Gaal und Hermann Gerland kaum jemand intern vom Stammspieler Thomas Müller überzeugt war, kann man nur froh sein, dass ihn kein externer Spielmacher blockieren konnte.

Denn so gut Sneijder gewesen sein mag, besser als Müller war er nicht. Nun gut, in der Saison 2009/10 war er es sicherlich, schließlich war diese Saison Wesley Sneijders absoluter Karrierehöhepunkt. Aber über die Karriere und erst Recht die bald begonnene Dekade, war er es in meinen Augen nicht und schaut man sich dann noch die weichen Qualitäten Müllers an, wird es noch klarer. Müllers Wert für den Verein ist auch unabhängig seiner sportlichen Qualitäten unermesslich als absolute Identifikationsfigur, Gesicht des Vereins und späterer Schattenkapitän.

Man kann natürlich unseren Wunschtransfer zusammen mit Müller und Robben versuchen in eine Mannschaft zu quetschen, doch würde Sneijder dann nur eine andere Vereinslegende blockieren. Schweinsteiger und Sneijder als Mittelfeldtandem hätte mit der damaligen Version der Spieler nicht geklappt.

Selbst wenn man findet, dass Schweinsteiger als Gesamtpaket nie besser als in diesem einen Jahr war, im Verteidigen war er in späteren Saisons tatsächlich stärker. 2009/10 brauchte er noch die Hilfe eines kampfstarken van Bommels um den Laden dicht zu halten, Jahre später sollte er problemlos als einsame Ankersechs das defensive Mittelfeld im Alleingang beherrschen. Diese spätere Version von Bastian Schweinsteiger hätte ein so offensives Mittelfeld zusammen mit Thomas Müller und Wesley Sneijder vielleicht spielbar gemacht, doch der Frischling im zentralen Mittelfeld, hätte das nicht gekonnt.

Statt Sneijder kam also Arjen Robben und ich hätte kaum glücklicher sein können. Arjen Robben war auch schon damals ein noch besserer Spieler und Deal gewesen, hätte sich Müller nicht so phänomenal entwickelt, gäbe es Gründe im seligen Konjunktiv ob eines holländischen Doppelpacks zu schwelgen, so allerdings ist alles bestmöglich für alle Beteiligten verlaufen.

Bloß schade, dass schlussendlich genau Sneijders Inter Bayerns Champions-League-Traum zerschlug. Aber ohne Sneijder hätte Inter es wiederum auch kaum gegen Guardiolas legendäres Barça weiter geschafft, das Ergebnis wäre also wohl so oder so gleich geblieben.

Hinweis: Hinter dem nächsten Türchen versteckt sich einer der treuesten Fußballer seiner Zeit, der nach den Kahlschlägen aus dem Jahr 2012 vielleicht mit den Bayern fremd gegangen wäre.

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  1. Mit Snejder und Kompany hätten wir 2010 überzeugend das Finale gewonnen.

  2. An Sneijders Leistung im CL-Finale kann ich mich merkwürdigerweise nicht mehr so recht erinnern; dafür umso besser, wie er dann ein keineswegs schwaches Brasilien quasi im Alleingang aus dem Turnier kickte. Dito vier Jahre später gegen Mexiko.

    Spannende Gegenüberstellung jedenfalls mit Robben, Müller und Schweinsteiger. Robben war schon ein etablierter Weltklassespieler, als Sneijder und van der Vaart als die kommenden Mittelfeldgrößen der ab 2004 sehr starken niederländischen Nationalmannschaft in Erscheinung traten. Gut erinnerlich noch die atemberaubend dominanten Auftritte in der Gruppenphase der EM 2008 gegen die WM-Finalisten Italien und Frankreich, jedes Mal mit Sneijder als einem der Torschützen.

  3. Für mich einer der Großen, der es auch verdient hätte, 2010 Weltfußballer zu werden. Nur gab es halt gegen 100 Mio. votende Fans von Messi und Ronaldo kein Durchkommen…

    Von der Position her wäre es mit unserem Flügelfokus ohnehin schwer geworden. In aller Regel (Ballack ausgenommen) hatten wir ja auch eher mit dynamischen 8ern Erfolg: Matthäus, Breitner, Effenberg.
    Man hätte das Spielsystem sicherlich umstellen müssen, insofern war das auch ohne Sneijder und mit Thomasino ok.

    Antwortsymbol3 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Wieso Ballack ausgenommen? Der war doch auch sehr dynamisch und passt eigentlich gut rein in die Aufzählung. Unvergessen wie er immer in den Strafraum zog vor Sagnols Halbfeldflanken. Eigentlich sogar mehr als Matthäus und Breitner, die ich persönlich eher mit anderen Rollen verbinde (Breitner Außenverteidiger und Matthäus als Libero), wobei ich beide nicht aktiv erlebt habe, dafür bin ich zu jung.

      1. Ballack war für mich eher ein 10er als ein 8er, daher meine Differenzierung. Dynamisch war er auf alle Fälle, klar!

      2. Ich denke, dass Mehmet Ballack eher etwas weiter vorne auf der 10 sieht. Matthäus war zu seinen besten Zeiten der ultimative Mittelfeldmotor und ist später auf die Liberoposition gewechselt, weil er durch eine Kombination von schweren Verletzungen und zunehmendem Alter einfach viel langsamer wurde und dort viel effektiver mit seiner Spielübersicht operieren konnte als im Mittelfeld. Bei dem heute üblichen flachen Kurzpassspiel wäre das vermutlich etwas anders, als mit den damals üblicheren langen Bällen.
        Breitner als Außenverteidiger – *hüst*. Schweinsteiger oder Pavel Nedved würde man auch nicht als Außenverteidiger bezeichnen, obwohl sie da angefangen haben. Auf den Außenverteidigerpositionen hat man schon immer große Talente an die Mannschaft herangeführt und Breitner war später im Mittelfeld Regisseur und Taktgeber. Wenn einer seine Mitspieler mal nicht so wollte oder konnte wie Breitner wollte, dann hat er dem Trainer angeschafft, dass er den auswechselt, was der Trainer dann auch gemacht hat. Das macht kein Außenverteidiger. Das hat nicht mal Effe gemacht. Breitner war der Hauptgrund dafür, dass Kalle Rummenigge so viele Tore geschossen hat und seinen sagenhaft sturen Querschädel hätte ich zu gerne auch nach seinem Karriereende noch in einer Funktion bei den Bayern gesehen, aber der hätte sich vermutlich mit dem anderen Sturschädel auf der Managerposition die Köpfe eingeschlagen :D

  4. Eine etwas seltsame Karriere.
    Triple-Gewinner, Meister in vier Ligen, aber mal abgesehen von dem einem Triple-Jahr bleibt auf Klubebene nicht so viel international bedeutsames zurück.
    Für seine Zeit bei Real hat er ja selbst schon massive Alkohol- und Partyprobleme eingeräumt. Man hat den Eindruck, bei ihm wäre vom Potential her mehr drin gewesen sein.

    Antwortsymbol1 AntwortKommentarantworten schließen
    1. Jaja, diese Partyprobleme … Gerade heute möchte man die niemandem wünschen.

      Tatsächlich fällt die Diskrepanz zwischen einer letztlich enttäuschenden Vereinskarriere und seiner langjährigen Bedeutung für die Elftal auf. Vom Charakter her erinnert er mich ein bisschen an Wayne Rooney; aber da kann ich mich auch täuschen. Man kennt ja im Grunde nur das, was den Weg in die Medien findet.

  5. Soweit ich mich erinnern kann, wollte Sneijder damals nicht zu uns. Vor dieser Ansage, hätte ich den gerne bei uns gesehen, aber nach Deinem Beitrag, Daniel, bin ich sehr froh, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist.
    Schon Leibnitz hat ja gewusst, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben und wenn ich mir bisher anschaue, wen wir tatsächlich bekommen haben und wen aus diesem Adventskalender nicht, dann stimmt das auch … großteils ;)

  6. Viele hätten 2010 Sneijder den Weltfußballertitel gegeben. Also meine Wahl war ja Xavi. In dem einen Jahr war es dann doch ein wenig Schade, dass er und Iniesta ihre Stimmen gegenseitig kannibalisiert haben.
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