Adventskalender: Unsere Wunschtransfers – Türchen 16
Situation beim FC Bayern
Der Sommer 2009 war ein ganz spezieller beim FC Bayern, rückblickend sieht man ihn als logischen Beginn einer Ära, ja fast einer Dynastie an, die bis zum heutigen Tage anhält, doch damals war von Ären nirgends die Rede. Zu frisch waren die Erinnerungen an die Vorführung des stolzen Vereins im Camp Nou Wochen zuvor, zu groß die Skepsis beim scheinbar ewigen Talent Bastian Schweinsteiger, zu sicher die Aussicht Franck Ribéry im nächsten Sommer verlieren zu müssen und zu seltsam die Maßnahmen des neuen Trainers Louis van Gaal.
Der niederländische Fußballlehrer verordnete dem FC Bayern einen Crashkurs in Sachen Spielaufbau, Ballbesitz, Passwinkel und Videostudium. Das mochte sich zwar spannend anhören, doch der FC Bayern hatte auch Spiele zu gewinnen und das wollte er scheinbar einfach partout nicht tun zu Anfang. Nachdem man es an den ersten beiden Spieltagen nur zu Remis brachte, zeigten einem Thomas Tuchels junge Mainzer am dritten die ganz lange Nase, zwei magere Punkte nach schon drei Spielen, der Fehlstart war perfekt.
Situation beim Spieler
Der Tag an dem Arjen Robben zum FC Bayern wechselte, dürfte für nicht wenige der aufregendste Transfer-Tag in Ihrer Zeit als Bayern-Fan gewesen sein. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich damals minütlich zwischen PC und Teletext tingelte (ja, das hat man damals bei Transfergerüchten noch benutzt, kaum zu glauben…).
Dabei begann der Tag für mich denkbar mies, am Tag zuvor hatte sich der Transfer von dem einen Spieler, den ich schon den ganzen Sommer über zum FC Bayern herbei gesehnt hatte, endgültig zerschlagen. Von Sommerbeginn an waren meine Augen ganz auf Wesley Sneijder gerichtet, an Arjen Robben wagte ich damals nicht zu träumen.
Käme Robben auf den Markt, würden stärkere Mannschaften schon zubeißen, glaubte ich, und wieso sollte Real Madrid so einen großartigen Spieler auch überhaupt abgeben wollen? Er mochte sich mit Verletzungsproblemen rumschlagen, doch zum einen war ein fitter Robben auch bei Real damals schon ein Unterschiedsspieler gewesen und zum anderen hätte sein Verkauf ja gar keinen Sinn gemacht. Real Madrid verpflichtete schließlich in diesem Sommer mit Cristiano Ronaldo für eine damalige Rekordablösesumme einen Linksaußen, für Robben als Rechtsaußen war also noch Platz übrig.
Parallel kam aber auch für fast genauso viel Geld Kaká für das offensive Mittelfeld, was Reals niederländische Zehner Wesley Sneijder und Rafael van der Vaart überflüssig machen sollte. Letzterer blieb noch ein Jahr bei den Königlichen, doch Sneijder würde schlussendlich für auch damals schon vergleichsweise mickrige 15 Millionen Euro zu Inter Mailand wechseln.
Hypothetische Rolle im Team
Warum war der FC Bayern zu diesen Konditionen nicht dran gewesen? Inter mochte zwar mit José Mourinho einen ganz heißen Namen auf dem Transfermarkt geholt haben, aber zu einer größeren Nummer als den FC Bayern machte sie das trotzdem nicht gleich. Durch den Calciopoli-Skandal und dem Umbruch beim AC Mailand wurde Inter zwar zur alleinigen Spitzenkraft Italiens, doch in der Champions League hatten sie noch weniger zu melden als die Bayern, schieden Jahre lang noch früher aus.
Durch den neuen Fokus auf Passspiel brauchte es auch echte Passspieler und die fehlten dem FC Bayern. Van Gaal experimentierte hinter den Spitzen munter durch und brachte an den ersten drei Spieltagen abwechselnd Alexander Baumjohann (ja, ganz genau, Baumjohann begann die Bundesligasaison in der Startelf), José Ernesto Sosa und sogar Miroslav Klose.
Im Hinterkopf plante van Gaal noch Ribéry dort zu installieren, doch sollte das scheitern. Was Sneijder dem Team also gebracht hätte, liegt auf der Hand, auf der für den Trainer so wichtigen Position im zentralen offensiven Mittelfeld, hätte man mit Sneijder einen perfekt passenden Spieler gehabt. Denn Sneijder war wie geboren für diese Position, passstark, schusssicher, beidfüßig, technisch beschlagen, eigentlich ein geborener Spielmacher für Ballbesitzfußball. Dieser Umstand macht die Tatsache, dass seine größten Erfolge mit Kontermannschaften zustande kamen, nur sonderbarer.
Was wäre wenn…
Dieser Adventskalender handelt von “Wunschtransfers”, doch retrospektiv wünsche ich mir Sneijder eigentlich gar nicht. Es ist schon absolut hervorragend so gelaufen, wie es lief. Denn einen Namen habe ich bislang vollständig unterschlagen: Thomas Müllers ganze Klasse vermochte ich damals natürlich nicht begreifen. Wie sollte ich auch? Ein schlaksiger Offensivspieler ohne besonders guter Technik oder Passspiel, auf den ersten Blick erkennbar waren Müllers Qualitäten wahrlich nicht.
Doch schon kurze Zeit später sollte es “Müller spielt immer!” heißen und auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass anfangs außer Louis van Gaal und Hermann Gerland kaum jemand intern vom Stammspieler Thomas Müller überzeugt war, kann man nur froh sein, dass ihn kein externer Spielmacher blockieren konnte.
Denn so gut Sneijder gewesen sein mag, besser als Müller war er nicht. Nun gut, in der Saison 2009/10 war er es sicherlich, schließlich war diese Saison Wesley Sneijders absoluter Karrierehöhepunkt. Aber über die Karriere und erst Recht die bald begonnene Dekade, war er es in meinen Augen nicht und schaut man sich dann noch die weichen Qualitäten Müllers an, wird es noch klarer. Müllers Wert für den Verein ist auch unabhängig seiner sportlichen Qualitäten unermesslich als absolute Identifikationsfigur, Gesicht des Vereins und späterer Schattenkapitän.
Man kann natürlich unseren Wunschtransfer zusammen mit Müller und Robben versuchen in eine Mannschaft zu quetschen, doch würde Sneijder dann nur eine andere Vereinslegende blockieren. Schweinsteiger und Sneijder als Mittelfeldtandem hätte mit der damaligen Version der Spieler nicht geklappt.
Selbst wenn man findet, dass Schweinsteiger als Gesamtpaket nie besser als in diesem einen Jahr war, im Verteidigen war er in späteren Saisons tatsächlich stärker. 2009/10 brauchte er noch die Hilfe eines kampfstarken van Bommels um den Laden dicht zu halten, Jahre später sollte er problemlos als einsame Ankersechs das defensive Mittelfeld im Alleingang beherrschen. Diese spätere Version von Bastian Schweinsteiger hätte ein so offensives Mittelfeld zusammen mit Thomas Müller und Wesley Sneijder vielleicht spielbar gemacht, doch der Frischling im zentralen Mittelfeld, hätte das nicht gekonnt.
Statt Sneijder kam also Arjen Robben und ich hätte kaum glücklicher sein können. Arjen Robben war auch schon damals ein noch besserer Spieler und Deal gewesen, hätte sich Müller nicht so phänomenal entwickelt, gäbe es Gründe im seligen Konjunktiv ob eines holländischen Doppelpacks zu schwelgen, so allerdings ist alles bestmöglich für alle Beteiligten verlaufen.
Bloß schade, dass schlussendlich genau Sneijders Inter Bayerns Champions-League-Traum zerschlug. Aber ohne Sneijder hätte Inter es wiederum auch kaum gegen Guardiolas legendäres Barça weiter geschafft, das Ergebnis wäre also wohl so oder so gleich geblieben.
Hinweis: Hinter dem nächsten Türchen versteckt sich einer der treuesten Fußballer seiner Zeit, der nach den Kahlschlägen aus dem Jahr 2012 vielleicht mit den Bayern fremd gegangen wäre.