Abschlusszeugnis: Die Noten der Neuzugänge des FC Bayern
KEINEN ARTIKEL MEHR VERPASSEN – JETZT UNSEREN WHATSAPP-KANAL ABONNIEREN!
Für insgesamt 187,5 Millionen Euro ging das Transfer-Komitee des FC Bayern nach der Neuformierung der Führungsriege, die auf die enttäuschende Saison mit nur einem Titel folgte, auf Shopping-Tour. Doch wie haben sich die acht Neuzugänge in ihrer ersten Spielzeit geschlagen?
- FC Bayern: Darum ist Tuchel jetzt die beste Option
- Ist Harry Kane der bessere Robert Lewandowski?
- Choupo-Moting: Mehr als nur ein Fußballer des FC Bayern
Bei der Leistungsbewertung gibt es immer zwei Ansätze: Bewertet man die Leistung eines Spielers im Vakuum oder bezieht man die Kosten für den Spieler, und damit auch indirekt die Erwartungshaltung, mit ein? Für diesen Artikel wurden Schulnoten für die einzelnen Spieler vergeben, welche die Leistungen in Bezug zur Ablösesumme bewerten.
Harry Kane: Der Torgarant
Ablöse: 95 Millionen, Einsätze: 45, Minuten: 3934, Tore: 44, Vorlagen: 12, PPS: 2.07
Es war der Blockbuster-Transfer und die Sommer-Saga schlechthin, bis Mitte August dann endlich feststand: Harry Kane, der zu Tottenham gehört wie Ham and Beans zu einem English Breakfast, wechselt an die Isar. Möglicherweise war dies der größte Transfer der Vereinsgeschichte. Knapp neun Monate später fällt das Fazit positiv bis gemischt aus.
Harry Kane erledigte seine Hauptaufgabe, das Toreschießen, für die er geholt wurde mit Bravour. In der Bundesliga lieferte er sich ein historisches Kopf-an-Kopf-Rennen mit Lewandowski und Müller für die magische 40-Tore-Marke, die er aufgrund einer Verletzung in den letzten zwei Wochen verpasste. In der Königsklasse fügte er weitere 12 Treffer zu seinem Konto hinzu und traf dabei auch in den K.O.-Duellen insgesamt vier Mal.
Zusätzlich überzeugte Kane, wie aus seiner Zeit in England bekannt, als Vorbereiter mit immer wieder herausragenden Steilpässen, die an guten Tagen zentimetergenau in den Lauf von Sané oder Musiala fielen. Insgesamt 12 Torvorlagen sind dabei auch mehr als Lewandowski in seinen Bestzeiten lieferte. Ebenfalls stark war seine Elfmeterquote mit acht Treffern bei acht Versuchen. Spätestens nach seinen drei Elfmetern im April lag der Ruhepuls in der Südkurve beim Stop&Go-Anlauf zum Strafstoß bei geschätzten 50 Schlägen.
Wo kann man Kane nun kritisieren, wie es beispielsweise der Aufmerksamkeit affine Hamann zuletzt öffentlichkeitswirksam tat? Im Gegensatz zu Hamann ist der Hauptkritikpunkt nicht in der geringeren Torausbeute des Teams oder der späten Auswechslung gegen Real zu finden, sondern in den Spielen, in denen Kane streckenweise abtauchte. Im Schnitt spielte Kane in München nur 19 Pässe pro Spiel, immerhin drei weniger als er die letzten Jahre in Tottenham durchschnittlich spielte. In Erinnerung bleiben hier besonders die Niederlagen gegen Leverkusen oder Frankfurt in dem das Spiel am Engländer komplett vorbeilief.
Insgesamt also ein starkes erstes Jahr, das noch einiges an Luft nach oben lässt. Dieser Analyse würde sicherlich auch Kane selbst zustimmen, der trotz dem Wechsel nach München weiterhin auf seinen ersten persönlichen Titel wartet.
Schulnote: 2+
Min-jae Kim: Der Doppelkopf
Ablöse: 50 Millionen, Einsätze: 36, Minuten: 2763, Tore: 1, Vorlagen: 2, PPS: 2.03
Als Verteidiger des Jahres aus der Serie A wechselte Min-jae im Sommer für stolze 50 Millionen Euro nach München, wo er neben Matthijs de Ligt die Innenverteidigung der Zukunft beim FC Bayern bilden sollte. So zumindest das Medienecho nach Bekanntgabe des Wechsels, doch Trainer Tuchel hatte zunächst andere Pläne.
Kim war als spielstarker Innenverteidiger mit einem gewissen Hang zum Risiko bei Bayern zunächst immer gesetzt. Seine 1,8 abgefangenen Bälle sprechen hier Bände, sind sie doch doppelt so viele wie beim nächsten Bayern-Verteidiger. Auch in den weiteren Statistiken wie Zweikämpfen, Blocks und Clearances liegt er auf der Spitzenposition oder knapp an zweiter Stelle. Dazu kommen 85 Pässe pro Spiel, die ebenfalls deutlicher Bestwert im Team sind. In der Hinrunde verpasste er keine Partie und profitierte dabei auch von der fehlenden Form seines holländischen Partners. Doch immer wieder zeigte er auch schwächere Partien wie bei der 1:5-Niederlage gegen Frankfurt.
Der endgültige Bruch in seiner Saison sollte aber über die Winterpause erfolgen, die Min-jae für Südkorea beim Asien-Cup verbrachte. Obwohl Tuchel ihn weiterhin regelmäßig aufstellte, nahmen die Leistungen des 27-Jährigen stetig ab. Sein persönliches Waterloo erlebte Min-jae jedoch im Champions-League-Halbfinale gegen Madrid, als er im Hinspiel bei beiden Toren, wohlwollend ausgedrückt, nicht gut aussah. Bei der 1:0-Führung der Gäste rückte er deutlich zu stürmisch raus, was seine Mitspieler nicht kompensieren konnten. Den Elfmeter zum 2:2 verursachte er stümperhaft.
Was bleibt also nach einem Jahr? Min-jae droht zum zweiten Upamecano zu verkommen: Gute bis sehr gute Ansätze, die Abwehrchef-Qualitäten andeuten, gepaart mit haarsträubenden Fehlern durch aggressives Verhalten in taktisch unklugen Situationen. Ein FC Bayern kann sich ein solchen Spieler kaum leisten, und zwei schon definitiv nicht.
Schulnote: 3-
Konrad Laimer: Der Tausendsassa
Ablöse: ablösefrei, Einsätze: 42, Minuten: 2620, Tore: 1, Vorlagen: 4, PPS: 2,21
Vor der Saison war viel über die potentielle Rolle von Konrad Laimer und seine Einsatzperspektiven spekuliert worden. Im von Verletzungen geplagten Kader fand das österreichische Taschenmesser allerdings immer wieder einen Platz. In der Hinrunde war Laimer, der in der gesamten Saison nur bei sechs Partien nicht zum Einsatz kam, vor allem hinten rechts gefragt. Diese Rolle spielte der Neuzugang unaufgeregt und meist souverän, auch wenn ihm das Geschwindigkeitsdefizit hin und wieder anzumerken war.
In die Rückrunde startete Laimer verletzt, weshalb er einige Spiele verpasste und zumindest in der Liga seinen Stammplatz verlor. Im späteren Saisonverlauf tauschte Tuchel im Vergleich zur Hinrunde Kimmich und Laimer, der im zentralen Mittelfeld besonders in der Königsklasse aufblühte. Denn seine beste Saisonleistung spielte der Österreicher dann ausgerechnet gegen Arsenal und Real, als er in seiner Rolle als defensiver Zweikämpfer brillierte.
Seine Erwartungen hat Laimer damit übererfüllt – gerade im Vergleich zu ähnlichen Transfers der vergangenen Jahre, wie seinem Landsmann Sabitzer, der über die Rolle des Lückenbüßers nicht hinauskam. Trotz all des Lobes sagt dies ebenso viel über den schleichenden Abbau der Qualität im bayerischen Mittelfeld. Die Paarung Goretzka/Laimer ist von Thiago/Alonso so weit entfernt wie Salzburg von Bochum. Und so wird auch Laimer in der nächsten Saison unter einem neuen Trainer seine Kaderlücke finden müssen.
Schulnote: 1-
Raphael Guerreiro: Der Trainer-Liebling
Ablöse: ablösefrei, Einsätze: 28, Minuten: 1613, Tore: 3, Vorlagen: 2, PPS: 1,89
Der 30-Jährige gilt als Lieblingsspieler von Trainer Tuchel, der ihn bereits in Dortmund trainierte. Und das aus gutem Grund, spielt der Portugiese an guten Tagen doch groß auf und kann sowohl auf der linken Seite als auch als Achter glänzen. Aufgrund der vielen Münchner Ausfälle durfte sich Guerreiro auf beiden Positionen austoben. Sein direktes Passspiel und sein starker Schuss sind auch im internationalen Vergleich überdurchschnittlich stark, was er auch in München eindrucksvoll demonstrierte. Seine Treffer gegen Köln und Berlin sicherten wichtige Punkte in der Liga.
Leider begleitet Guerreiro auch seit vielen Jahren seine Schattenseite: die Verletzungen. So warfen ihn auch in dieser Saison viele kleine Blessuren immer wieder zurück. Insgesamt vier verschiedene Muskelverletzungen ließen ihn insgesamt 17 Spiele verpassen. Unter anderem das Rückspiel in Madrid, das Pokalaus gegen Saarbrücken und das Hinspiel gegen Leverkusen.
Die Saison von Guerreiro dürfte also die wenigsten Beobachter überraschen. Die nächste Spielzeit dürfte da aus zwei Gesichtspunkten spannender werden. Zum einen spielt der Portugiese voraussichtlich unter einem neuen Trainer, zum anderen könnte durch einen Davies-Abgang die Linksverteidiger-Position dauerhaft frei werden.
Schulnote: 2
Eric Dier: Der Not-Abfallchef
Ablöse: 3,5 Millionen, Einsätze: 19, Minuten: 1518, Tore: 0, Vorlagen: 0, PPS: 1,89
Alvaro Odriozola, Serdar Tasci, Daley Blind und Eric Dier? Nein, wirklich eingeschlagen hatte keiner der Vorgänger von Eric Dier mit dem Stempel Notfall-Verteidiger-Wintertransfer. Doch der Engländer sollte alle Kritiker an seinem Transfer sofort verstummen lassen.
Von der Bank in London rückte Dier dier-ekt ins erste Glied der Bayern. In der Champions League verpasste er nur die Niederlage in Rom und in der Liga war er zwölf Mal in der Startelf. Dabei profitierte der Verteidiger, wie so viele andere, von diversen Verletzungen und Formschwankungen bei seinen Abwehrpartnern de Ligt, Upamecano und Min-jae. Doch egal mit wem an der Seite, Dier wirkte immer stabil. Im Passspiel stärker als De Ligt, weniger risiko-affin als Min-jae und fehlerfreier als Upamecano. In keiner Kategorie überragte Dier, doch überall war er der Benchmark. Trainer Tuchel lobte den Winterzugang explizit und hob besonders seine Leader-Qualitäten auf dem Feld hervor. Eine vermeintliche Schwäche, die keiner seiner Nebenspieler kompensieren konnte.
So wurde der Engländer zur Überraschung der Rückrunde. Für die neue Saison steht er ebenfalls unter Vertrag, wobei es spannend wird, welchem Innenverteidiger-Duo der neue Trainer das Vertrauen ausspricht, denn ohne Schwächen ist keiner der teuer gekauften Alternativen – außer Dier.
Schulnote: 1-
Bryan Zaragoza: Der Winterjüngling
Ablöse: 4 Millionen, Einsätze: 6, Minuten: 162, Tore: 0, Vorlagen: 0, PPS: 1,50
Mit dem vorgezogenen Wechsel von Zaragoza im Winter wollte die sportliche Leitung des Rekordmeisters die vielen verletzten Offensivkräfte kompensieren. Der Transfer des Spaniers zum Sommer stand bereits fest und war somit eine einfache Lösung für die Lücke im Bayern-Kader. Doch nicht nur die wenigen Einsatzminuten, die Tuchel dem 22-Jährigen zustand, zeigten, dass der Schritt auf diesen Kaderplatz für ihn noch zu früh kam.
Zaragoza wirkte in seinen wenigen Minuten deutlich jünger als sein Alter. Ein Eindruck, der sicher auch durch seine schmächtige, kleine Figur verstärkt wird. Seine Stärken sind offensichtlich seine Schnelligkeit mit und ohne Ball, doch gegen robuste Abwehrspieler perlte der Linksaußen häufig einfach ab. Immerhin machte die erste Hälfte gegen Wolfsburg Lust auf mehr. Für Thomas Müller war der Auftritt des quirligen Zaragoza so etwas wie dessen Vorstellung auf der großen Bühne. Von diesen Auftritten wird es aber noch einige benötigen, damit der Spanier eine echte Alternative im Kader darstellt.
Schulnote: 3
Sacha Boey: Der Verletzte
Ablöse: 30 Millionen, Einsätze: 2, Minuten: 109, Tore: 0, Vorlagen: 0, PPS: 1,50
Im Winter für die stolze Summe von 30 Millionen Euro fast etwas panisch gekauft, kam Boey in allen Wettbewerben zu lediglich zwei Einsätzen direkt nach seinem Wechsel. Zunächst schickte ihn ein Muskelfaserriss bis März auf die Tribüne, bevor sein Comeback durch einen Muskelbündelriss verhindert wurde. Ein bitterer Auftakt für den Franzosen. Vor allem, da die zahllosen Verletzungen auf seinen beiden nominiellen Positionen hinten links und rechts ihm viele Einsätze hätten bescheren können.
In den knapp hundert Minuten, die er gegen Gladbach und im Top-Spiel gegen Leverkusen absolvierte, hinterließ er einen gemischten Eindruck, der das hohe Preisschild noch nicht rechtfertigen konnte. Seinen Ruf als Hitzkopf mit Hang zur gelben Karte bestätigte er gegen Leverkusen, als er sich noch unnötig in der ersten Halbzeit durch eine Verwarnung handicappte. Zudem sah er beim Tor von Bayern-Leihgabe Stanisic nicht gut aus.
Die schlechte Note für Boey kommt vor allem daher, dass ihm durch die Verletzung eine große Chance genommen wurde. Diese Chancen kommen normalerweise beim Rekordmeister nicht so oft, allerdings könnte der Winterneuzugang wie so viele andere von einem neuen Trainer und einem Davies-Abgang profitieren.
Schulnote: 3
Daniel Peretz: Der Ersatz-Ersatzmann
Ablöse: 5 Millionen, Einsätze: 2, Minuten: 106, Tore: 0, Vorlagen: 0, PPS: 3,00
Daniel Peretz stieß etwas überraschend, als für die meisten unbekannter Keeper aus Tel Aviv wenige Tage vor dem Deadline Day zum FC Bayern. In seiner ersten Saison musste sich der Israeli mit der Rolle als dritter Keeper abfinden. Für einige Wochen im Frühjahr war er zudem verletzt. Gegen den unterklassigen Pokal-Gegner Preußen Münster durfte er im Herbst neunzig Minuten absolvieren, bevor ihn Tuchel im letzten Heimspiel gegen Wolfsburg etwas überraschend nach circa 70 Minuten für den Jubilar Neuer aufs Feld schickte. In beiden Spielen hielt Peretz sein Tor sauber, aber für eine ernsthafte Analyse und Bewertung waren diese Einsätze zu kurz. Im Sommer steht laut Medienberichten wohl eine Leihe ins Ausland an.
Schulnote: –
Hier weiterlesen