Sammer: Ein Mann ohne Aufgabe?

Steffen Trenner 04.05.2013

„Matthias Sammer wirkt in München wie ein Einzelgänger. Nach der vollzogenen Meisterschaft in Frankfurt war er der einzige auf der Bank, der nicht zu den Fans ging. Der FC Bayern hat zwei Bürogebäude an der Säbener Straße. In dem einen sitzen Hoeneß, Rummenigge, der Finanzchef Jan-Christian Dreesen, der Marketing-Chef Andreas Jung, die Presseabteilung, also die Wichtigen. Im anderen sind die Räume der Verwaltung, der Ticketverkäufer. Und das Büro von Sammer. Die Isolation Sammers ist zementiert.“ Oliver Fritsch, 03.05.2013.

Zeit einmal genauer hinzusehen. Was ist dran an den Aussagen des Sportjournalisten? Der Text von Oliver Fritsch, der sich im Artikel anonym und in dieser Reihenfolge auf „Experten“, „viele Leute aus der Bundesliga“, „Fachleute“, „Beobachter“, „Wegbegleiter“, „Funktionäre“, „eine Führungsperson aus der Bundesliga“, „Profis“ und „Szenekenner“ beruft, lässt sich in drei Kernthesen zusammenfassen:

1. Sammer findet in der Mannschaft kein Gehör. 

2. Sammer ist ein Spielball von Uli Hoeneß, der sich mit Hilfe der Personalie Sammer die sportliche Macht im Club zurück erkämpft hat. 

3. Matthias Sammer ist trotz seiner Funktion als Sportchef beim FC Bayern nicht in die Personalplanung eingebunden. 

Der Reihe nach:

1. Sammer findet in der Mannschaft kein Gehör

Laut Fritsch erntet man auf Nachfrage bei den Spielern zur Person Sammer nur „Schweigen oder erhobene Augenbrauen“. Fritsch behauptet, es sei „keine Aussage eines Spielers in Erinnerung, aus der Wertschätzung für Sammer erkennbar sei.“ Zudem spreche Sammer nicht die Sprache der jungen Spieler, die in Fußballinternaten aufgewachsen sei.

Es ist schwer zu beurteilen was in einzelnen Spielern vorgeht und wie sie Sammers Arbeit bewerten. Die Aussage von Fritsch, dass keine positiven Aussagen von Spielern über Sammer bekannt sind, ist jedoch leicht zu widerlegen. Toni Kroos schrieb Matthias Sammer schon im September 2012 eine wichtige Rolle für die Leistungsexplosion der Mannschaft zu. Die Tipps des neuen Sportdirektors seien für seine Kollegen und ihn Gold wert: „Er strahlt etwas aus, was gerade für junge Spieler wichtig ist“, so Kroos. Der neue starke Mann neben Trainer Jupp Heynckes sei in der Lage, „die letzten Prozente aus uns herauszuholen.“ Zudem sei Sammer auf Grund seiner Erfahrung und seines Stellenwerts „ein Vorbild. Sein Denken ist wichtig für uns“, so Kroos im Kicker. Auch Claudio Pizarro bekannte bereits früh: „Sammer ist wichtig für uns.“ Und Franck Ribéry lobte Sammers Kritik nach dem Hinspiel-Sieg gegen Bremen: „Matthias Sammer ist ein Teil unserer Mannschaft. Er darf kritisieren wie jeder andere. Er ist auch für die gute Stimmung bei uns im Team verantwortlich. Dafür, dass wir voll da sind.“

2. Sammer ist ein Spielball von Uli Hoeneß, der sich mit Hilfe der Personalie Sammer die sportliche Macht im Club zurück erkämpft hat. 

Hoeneß habe laut Fritsch die sportlichen Misserfolge des FC Bayern seit 2010 auf seinen Rücktritt als Manager zurück geführt, deshalb sei es ihm wichtig gewesen wieder mehr Macht im Verein zu bekommen. Genau deshalb habe er Christian Nerlinger entlassen und mit Sammer jemanden installiert, den er beherrschen und kleinhalten könne. Fritsch beruft sich hier auf einen „Szenekenner“.

Die Faktenlage für diese Theorie ist äußerst dünn. Hoeneß hat immer wieder recht glaubhaft darauf hingewiesen, dass er es als die Königsaufgabe beim FC Bayern ansieht einen Generationenwechsel in der Führungsebene herbeizuführen. Dieser Generationenwechsel hat mit den Personalien Dreesen und Sammer gerade erst begonnen und ist mit Sicherheit eine der größten Baustellen für die kommenden 5 Jahre. Dass aber ausgerechnet Sammer nun ein Spielball sein soll, um Hoeneß sportliche Macht im Club wieder auszuweiten leuchtet nicht ein. Sammer hat im Gegensatz zu Nerlinger einen Platz im Vorstand bekommen. Hoeneß erklärte nach der Meisterschaft der Bayern in Frankfurt, dass Sammer garantiert noch zehn bis 15 Jahre bei Bayern München bleiben solle. Alles in allem wenig Stoff für Verschwörungstheorien.

3. Matthias Sammer ist trotz seiner Funktion als Sportchef beim FC Bayern nicht in die Personalplanung eingebunden. 

Hierfür nennt Fritsch eine Reihe von Beispielen. Sammer habe mit dem aktuellen Kader nichts zu tun und sei zudem in die Verhandlungen mit Guardiola und Martinez nicht eingebunden gewesen. Guardiola und Sammer seien zudem persönliche Gegensätze. Der FC Bayern wollte darüber hinaus durch Sammer vom BVB lernen „wie man billig kaufen kann“. Dass nun Mario Götze verpflichtet wurde, sei ein Beleg dafür, dass Sammer sich im Verein nicht durchsetzen könne. Fritsch zitiert zudem einen „Bundesliga-Funktionär“ mit den Worten: „Sammer ist keiner, der die 1b-Reihe der Bundesliga kennt oder bis nachts Spiele der italienischen Liga schaut.“ Die Verpflichtung von Jan Kirchhoff und den wahrscheinlichen Transfer von Sebastian Rode habe zwar Sammer eingefädelt, beide seien jedoch reine Alibi-Transfers, damit Sammer das Gesicht wahren könne. Außerdem sei Hoeneß und nicht der Bayern-Sportchef vom HSV-Manager Frank Arnesen kontaktiert worden, als dieser Holger Badstuber verpflichten wollte.

Hier geht bei Fritsch nun einiges durcheinander. Dass Guardiola und Sammer schon vor dem ersten Tag der Zusammenarbeit als Gegensätze abgestempelt werden ist genauso fragwürdig wie die Kritik, dass Sammer als Sportchef des FC Bayern kein Expertenwissen über die „1b-Reihe der Bundesliga“ habe. Was ist eigentlich die 1b-Reihe der Bundesliga und wann hat Bayern zuletzt einen 1b-Spieler verpflichtet? Auch die Alibi-Transfer-Theorie lässt doch Fragen offen. Rode und Kirchhoff sind unbestritten zwei der größten deutschen Talente und wurden von zahlreichen Vereinen umworben. Und zu Badstuber ist zu sagen, dass es Sammer war, der die frühzeitige Vertragsverlängerung mit dem verletzten Verteidiger forcierte und ihn so langfristig an den Verein band.

Den einzigen echten Punkt setzt Fritsch bei der Beschreibung des Wechsels von Guardiola zu Bayern. Es war schon auffällig, dass Rummenigge und vor allem Hoeneß diejenigen waren, die die Verpflichtung einfädelten und auch kommunizierten. Das wirft in der Tat einige Fragen auf, weil der Sportchef eines Vereins in eine so entscheidende Grundsatzfrage sehr eng eingebunden sein sollte.

Fazit: 

Natürlich war Sammer bisher häufig mehr Kommunikator, als Macher beim FC Bayern. Er wird in Zukunft gerade bei Personalentscheidungen nachweisen müssen, dass er in der Lage ist einen Kader langfristig und strategisch zusammenzustellen. Das ist das Gebiet auf dem er durch seine vorherigen Aufgaben die geringsten Erfahrungen hat.  Auch der Umgang mit Rückschlägen und Niederlagen wird ein wichtiger Test für Sammer in der Zukunft. Weitere Dinge wie die Jugendarbeit brauchen Zeit. Diese hat Sammer schon zu Beginn seiner Amtszeit eingefordert.

Fritsch wirft in seinem Artikel ein bis zwei interessante Fragen auf. Die Ultimativität mit der Fritsch diese Fragen nach noch nicht einmal 12 Monaten Amtszeit von Sammer in München bereits beantwortet, ist aus meiner Sicht allerdings voreilig, tendenziös und teilweise auch leicht zu widerlegen. Schade.

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