Eine leere Tribüne in der Allianz Arena des FC Bayern vor dem Duell der Frauen gegen den FC Arsenal.
Bild: Adam Pretty/Getty Images

Rezension: „Das Spiel gehört allen!“ – Für faire Bedingungen im Frauenfußball

Katrin 18.11.2025

Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen im Juli hat – mal wieder – einen Hype ausgelöst. Die hohen Einschaltquoten! Die ausverkauften Stadien! Die aufopferungsvoll kämpfende DFB-Elf! Die phänomenale Parade von Ann-Katrin Berger! Die laut des DFB steigenden Zahlen bei Mädchen- und Frauenmannschaften im ganzen Land!

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Die Liste der Höhepunkte ist lang. Aber was bleibt, wenn die Strahlkraft des großen Turniers nachlässt? Nicht mehr viel, wie sich im November zeigt. Um Strukturen im Frauen- und Mädchenfußball nachhaltig zu verändern, bessere Bedingungen zu schaffen und der immer noch vorherrschenden Diskriminierung und Benachteiligung stärker entgegenzuwirken, braucht es mehr als Rekorde und Hypes.

Die ehemalige Torhüterin Kathrin Längert, die in ihrer aktiven Karriere unter anderem für den FCR Duisburg und den FC Bayern München zwischen den Pfosten stand, betrachtet die aktuelle Situation des Frauenfußballs in Deutschland kritisch. In ihrem Buch „Wir verdienen mehr!“, erschienen im Juni im Verlag Die Werkstatt, berichtet sie nicht nur von ihren eigenen Erfahrungen als Profisportlerin, sondern plädiert eindrücklich für Sichtbarkeit, Gerechtigkeit und echte Gleichstellung für Frauen im Fußball.

Unsichtbarkeit und fehlende Förderung im Frauenfußball

Fußball ist Männersache – das weiß hierzulande leider immer noch jedes Kind. Ein junges Mädchen also, das gerne kickt und von einer aktiven Karriere im Fußball träumt, erfährt oft früh, dass es kaum Möglichkeiten dafür gibt, denn schon in der Kindheit beginnt die Ungleichbehandlung, ganz zu schweigen von der Diskriminierung, der sich fußballbegeisterte Mädchen oft ausgesetzt sehen.

Selbst als Mädchen mit Liebe zum Fußball, so beschreibt es Längert in ihrem Buch, wusste sie noch nicht einmal, dass es eine Frauen-Bundesliga gibt – und das, obwohl die deutsche Nationalmannschaft zu dem Zeitpunkt bereits einige Titel gewonnen hatte. Diese Unsichtbarkeit zieht sich durch die gesamte Jugendförderung: Mädchen trainieren oft zu schlechteren Zeiten und auf schlechteren Plätzen.

Es fehlt an qualifizierten Trainer*innen und professioneller Infrastruktur. Viele Vereine investieren kaum in ihre Mädchenabteilungen – wenn sie überhaupt existieren. Die Folge: Talentierte Spielerinnen müssen sich früh mit strukturellen Hürden auseinandersetzen, die ihre männlichen Kollegen nie erleben. Und obwohl Längert sich als Fußballerin etablieren konnte, musste sie sich selbst im Profigeschäft mit einer systematischen Ungleichheit zwischen Frauen und Männern auseinandersetzen.

Physios, Flutlichter, Ausrüstung? Fehlanzeige!

Diese Strukturen haben direkte Konsequenzen auf die Entwicklung, die Sichtbarkeit und den Leistungsstand der Sportlerinnen. Vereine wie der FCR Duisburg, trotz sportlicher Erfolge, litten unter chronischer Unterfinanzierung. So berichtet Längert, dass Spielerinnen teilweise ihre Ausrüstung aus eigener Tasche bezahlen, zu den Auswärtsspielen selbst anreisen und sich mit zuhause geschmierten Butterbroten verpflegen mussten.

Auch Physios am Platz, Mannschaftsärzt*innen, Athletiktrainer*innen – das gab es alles nicht und führte oft dazu, dass Verletzungen nicht richtig diagnostiziert oder auskuriert wurden. In einem Kapitel in ihrem Buch erinnert sich Längert an Trainingseinheiten beim FCR Duisburg unter widrigen Bedingungen: Der Platz hatte keine Drainage, und sobald es regnete, stand er komplett unter Wasser. Flutlicht gab es auch nicht, was es im Herbst und Winter unmöglich machte, abends zu trainieren. (Kurzer Reminder: Wir sprechen hier von Leistungssportlerinnen!)

„Um genügend Licht zum Spielen zu haben, hatte unser damaliger Trainer eine geniale Idee“, schreibt Längert: „Hinter einem der Tore befand sich der Parkplatz, etwas tiefer gelegen unser Spielfeld und dazwischen war nur ein Fangzaun. Sobald es zu dunkel wurde, wurde das Training kurz unterbrochen. Dann haben die Spielerinnen, die in der ersten Reihe geparkt hatten, ihre Schlüssel geholt und haben ihr Fernlicht eingeschaltet, sodass wir noch 20 Minuten ein Abschlussspiel machen konnten.“

Pokalsieg? So what!

Die Grundvoraussetzungen waren und sind also von Anfang an alles andere als gut. Doch selbst wenn es trotz aller Widerstände einer Mannschaft gelang, einen großen Triumph einzufahren, blieben nachhaltige Veränderungen und oft auch die Anerkennung aus.

Längert wechselte 2009 zum FC Bayern und war während der fünf Jahre, in denen sie dort das Tor hütete, Führungsfigur und von 2010 bis 2013 auch Kapitänin. 2012 gewannen die Frauen das erste Mal in der Vereinsgeschichte den DFB-Pokal – die Euphorie war groß, der Stolz, etwas Großes geschafft zu haben, immens.

„Von der viel gepriesenen Bayern-Familie zeigte sich im Anschluss allerdings nicht viel“, schreibt Längert: „Ein Gespräch mit oder auch nur Glückwünsche von Hoeneß oder Rummenigge blieben aus, ein Empfang, geschweige denn eine Ehrung im Rathaus blieb ein frommer Wunsch.“

Die Gewinnerinnen wurden stattdessen zum Champions-League-Finale der Männer gegen Chelsea und dem anschließenden Bankett eingeladen – doch das verlorene „Finale dahoam“ versetzte natürlich alle in Weltuntergangsstimmung, und niemandem war zum Feiern zumute.

„Und so verschwand unser Erfolg, einer der größten der Frauenabteilung bisher, einfach im Schatten des Misserfolgs der Männer“, so Längert: „Wir hatten uns zurückzunehmen und es zu akzeptieren – ein Titel bei den Frauen ist nun mal nichts Wert in einer Welt, in der Männer den Ton angeben.“

Equal Pay – Equal Play

Für den Sieg im DFB-Pokal erhielt Längert damals eine pinke Uhr und rund 2.000 Euro Prämie – und gehörte damit aus der Mannschaft zu den „Glücklichen“, denn das Geld wurde anteilig ausgezahlt, und Längert hatte bei allen Partien im Tor gestanden. Spielerinnen, die sich beispielsweise in der Saison verletzt hatten, erhielten „lächerliche Kleinstbeträge.“

Womit wir bei einem weiteren wunden Punkt wären: der angemessenen Bezahlung. Sponsoring, Prämien und mediale Aufmerksamkeit sind im Männerfußball um ein Vielfaches höher. Viele Profispielerinnen erhalten keine existenzsichernden Gehälter – selbst in der Bundesliga. Es gibt keine einheitlichen Regelungen zu Mindestlöhnen, Mutterschutz oder sozialer Absicherung. Was dazu führt, dass viele Athletinnen nebenbei arbeiten oder studieren – und das wiederum wirkt sich auf die sportliche Leistung aus.

Doch Längert macht deutlich: Es geht nicht nur um Geld, sondern um Anerkennung, Respekt und faire Bedingungen. „Toni Kroos erklärte 2015 seinen Wechsel zu Real Madrid unter anderem damit, dass die Höhe des zugesicherten Gehalts eben auch Anerkennung bedeutet“, so Längert: „Wenn ein männlicher Spieler für acht statt sechs Millionen Jahresgehalt den Verein wechselt, dann (hoffentlich) nicht, weil er die Erhöhung wirtschaftlich braucht, sondern weil die Höhe des Gehalts die Wertschätzung des Vereins und den Wert der Person für die Mannschaft ausdrückt. Genauso ist es im Frauenfußball auch.“

Wie soll es weitergehen?

Längert betont mehrfach in ihrem Buch, dass sich seit ihrer aktiven Zeit als Profifußballerin glücklicherweise schon vieles verändert habe. Trotzdem ist es noch ein weiter Weg, bevor man auch annähernd nur von fairen Bedingungen sprechen kann. Hier sieht die Ex-Münchnerin auch vor allem den DFB in der Pflicht.

Sie fordert existenzsichernde Gehälter, damit Spielerinnen von ihrem Beruf leben können, ohne Nebenjobs. Die Strukturen im Frauenfußball müssen professionalisiert – von medizinischer Betreuung bis hin zu Trainingsbedingungen und Reisestandards – und verbindliche Mindeststandards eingeführt werden, die klare Vorgaben für Vereine schaffen, was etwa Gehälter, Infrastruktur oder soziale Absicherung angeht. Weiterhin braucht Frauenfußball mehr Präsenz in TV, Print und digitalen Medien – nicht nur bei Großereignissen.

Ehemalige Spielerinnen sollten aktiv in die Fußballwelt eingebunden werden. Nicht nur als Expertinnen im Fernsehen, sondern als Impulsgeberinnen, an der Seitenlinie als Trainerinnen, oder auch in Gremien und Verbänden, in denen konkrete Entscheidungen getroffen werden.

Ein Weckruf für alle

Längerts Vision ist klar: Der Frauenfußball soll nicht bloß eine Kopie des Männerfußballs sein, sondern ein eigenständiges, gerechtes und nachhaltiges Modell. Der DFB steht dabei in der Verantwortung, diesen Wandel aktiv zu gestalten – nicht nur als Förderer, sondern als Gestalter einer neuen Fußballrealität. Frauen im Fußball sind nämlich oft nur dann sichtbar, wenn es opportun erscheint – etwa bei großen Turnieren.

Doch echte Gleichstellung bedeutet, dass Frauen dauerhaft und strukturell gleich behandelt werden. Das Buch liest sich wie ein Weckruf für Verbände, Vereine, Medien und Fans. Es zeigt, dass Gleichberechtigung im Fußball nicht nur möglich, sondern längst überfällig ist.

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