Harry Kane und dann? Der FC Bayern hat ein Problem im Sturm.

Koa Kane-Backup beim FC Bayern: Der FCB hat ein Problem im Sturm

Andi Trenner 19.10.2024

100 Minuten, fünf Einsätze, eine Startelfnominierung und ein Tor: So lautete die Bilanz von Kane-Backup Eric-Maxim Choupo-Moting nach sechs Bundesliga-Spieltagen in der vergangenen Saison. Mathys Tel kommt nach ebenso vielen Spieltagen in dieser Saison auf 91 Minuten, drei Einsätze (davon einer in der Anfangsformation) und kein Tor.

Auf den ersten Blick ist kein großer Unterschied zu erkennen. Dennoch scheint der junge Franzose nicht in die Lücke stoßen zu können, die sich in der Offensive des FC Bayerns nach Choupo-Motings Abgang aufgetan hat. Dass die Münchner keinen neuen Mittelstürmer dazu holten, könnte als Vertrauensbeweis an Tel interpretiert werden. Dem Offensivspieler bot sich die Möglichkeit, in eine größere Rolle hineinzuwachsen und neben den Flügeln auch im Zentrum zum Einsatz zu kommen. Jonathan hat sich genauer mit der Situation des 19-Jährigen beschäftigt.

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Tel galt als einer der Gewinner der Vorbereitung. Er durfte auch im ersten Saisonspiel im DFB-Pokal beginnen, allerdings zeichnete sich da bereits ein Trend ab. Vincent Kompany vertraut als Kane-Ersatz auf Thomas Müller. Der Routinier fühlt sich hinter einer Spitze zwar deutlich wohler und ist eher eine Falsche Neun, scheint aber trotzdem klar die Nase vorne zu haben.

Sowohl in Bremen als auch gegen Leverkusen ersetzte Müller Bayerns Sturmführer. Als Kane gegen Frankfurt erneut angeschlagen runter musste, war Müller bereits auf dem Feld und es hatte wirklich Tels Stunde geschlagen. Der Franzose wurde aber nicht als Neuner aufgeboten, sondern in der vielleicht für ihn auch deutlich besser geeigneten Rolle in einer Doppelspitze zusammen mit Müller. 

Das Vertrauen in Tel, die Rolle des Mittelstürmers ausfüllen zu können, scheint zu fehlen. Es stellt sich die Frage, ob nicht genau ein solcher Mittelstürmer fehlt?

FC Bayern: Kane spielt immer!?

Gilt das Gleiche wie früher für Müller, jetzt auch für Kane? Der Torjäger spielt einfach immer. Vergangene Saison verpasste der Kapitän der englischen Nationalmannschaft lediglich zwei Bundesligaspiele, stand in der Liga und Champions League immer in der Startelf und wurde nur sieben mal ausgewechselt. Auch in seinen letzten drei Spielzeiten bei den Tottenham Hotspurs stand Kane allein in drei Premier-League-Partien verletzungsbedingt nicht zur Verfügung. 

Klingt, als bräuchten die Bayern gar keinen Backup für Kane. Der Toptorjäger ist fast nie verletzt, scheint keine Pausen zu brauchen und bringt immer seine Leistung. Allerdings ist der Bundesliga-Torschützenkönig der Saison 2023/24 auch schon 31 Jahre alt und könnte mittlerweile zumindest von gelegentlichen Pausen profitieren. 

Erste Probleme zeichneten sich in der Endphase der letzten Saison ab. Kane hatte immer wieder gesundheitliche Beschwerden und konnte nicht ganz an seine überragende Form zuvor anknüpfen. Im wichtigsten Spiel der Saison, dem Rückspiel des Champions-League-Halbfinals bei Real Madrid, musste Kane vorzeitig vom Feld und verpasste die restlichen zwei Saisonauftritte. 

Während der Europameisterschaft im Sommer wirkte Kane gehemmt und konnte die Hoffnungen der Engländer nicht erfüllen. Nach einer dringend benötigten Pause startete Kane zwar gut in die Saison, doch die Probleme bleiben. In den beiden Spitzenspielen gegen Leverkusen und Frankfurt musste der Stürmer verletzt ausgewechselt werden: Wäre nicht eine längere Pause sinnvoll gewesen?

FC Bayern: Das Lewandowski-Problem

Für eine solche Pause braucht es aber einen annähernd gleichwertigen Ersatz. Einen, der gleichzeitig damit leben kann, dass seine Einsatzzeiten im Normalfall relativ gering bleiben. So jemand muss jedoch erst einmal gefunden werden, er müsste mit dieser Rolle auch auf Dauer zufrieden sein und der FC Bayern muss zudem noch bereit sein, diesen Ergänzungsspieler gut zu bezahlen. 

Ein Problem, das die Bayern nur zu gut kennen. Gab es in der Triple-Saison 2012/13 mit Mario Mandžukić, Mario Gomez und Claudio Pizarro noch drei extrem fähige Mittelstürmer, beanspruchte ab 2014 Robert Lewandowski diese Position ganz für sich alleine. Der Pole war kaum verletzt, hatte selten Formprobleme und wollte immer spielen. Da bleibt wenig Platz für einen zweiten reinen Stürmer.

Hinter Lewandowski sah Pizarro, der letzte Verbliebene des Tripel-Triumvirats, so wenig Spielzeit, dass er 2015 nach Bremen zurückkehrte. Als Lewandowski-Ersatz agierten dann, wenn nötig, offensive Mittelfeldspieler wie Müller oder Mario Götze. 

Erst Jupp Heynckes forderte im Winter 2018 wieder einen Backup, aber auch Sandro Wagner verhungerte hinter Lewandowski und flüchtete nach nur einem Jahr nach China.

Ein Umdenken in der Planung erfolgte ausgerechnet nach der Triple-Saison 2019/20. Wohl auch, weil sich Lewandowski ausgerechnet in dieser Spielzeit am Schienbein verletzte und die entscheidende Phase des Jahres zu verpassen drohte. Nur mit etwas Glück fiel die Verletzung nicht allzu schwer ins Gewicht. Erst sprang Nachwuchsstürmer Joshua Zirkzee sensationell ein, dann gab es einen Corona-Lockdown, bis Lewandowski wieder fit war.

Doch das Problem wurde erkannt und Choupo-Moting kam für vier Jahre an die Säbener Straße. Der Hamburger war der perfekte Backup für Lewandowski. Er klagte nie, wartete auf seine Einsätze und blieb dennoch nicht ganz ohne Spielpraxis. Als flexibler Spieler konnte er sowohl neben dem Superstar als auch auf allen anderen offensiven Positionen im Bayern-System eingesetzt werden. Das machte ihn zu einem wichtigen Rotationsspieler.

Als Lewandowskis Nachfolger reichte es allerdings nicht ganz und nach einem Jahr rückte er hinter Kane wieder ins zweite Glied. In diesem Sommer wurde Choupo-Motings Vertrag nicht verlängert, vielleicht auch, weil er sehr gut dotiert war. Die letzte Verlängerung handelte er als Stammspieler aus.

Topklubs: Nur Haaland strahlt alleine

Manchester City scheint das Lewandowski-Problem zu kennen. Die Citizens leisten sich als einziger anderer Topklub keinen zweiten Stürmer. Bis zum Sommer hatte Pep Guardiola mit Julián Álvarez nach eine erstklassige Alternative, doch der Argentinier hat die Hoffnung auf regelmäßige Einsatzzeiten neben dem überragenden Erling Haaland aufgegeben und ist zu Atlético Madrid gewechselt.  

Arsenal und Liverpool, Citys Kontrahenten in England, agieren zwar nicht mit klassischen Mittelstürmern, aber die Position ist in ihrem Spielstil auf jeden Fall doppelt besetzt. 

Barcelona setzt hinter Lewandowski auf Pau Víctor, Atlético Madrid hat seine beiden Stürmerpositionen doppelt besetzt und Real Madrid verfügt neben Kylian Mbappé über Jungstar Endrick.

Die Blancos agierten in der letzten Saison ohne klassischen Mittelstürmer und hatten trotzdem einen Backup, der dieses Profil erfüllte. Wir Bayernfans kennen ihn alle. Joselu meisterte diese Rolle bravourös und stach im CL-Halbfinale gegen Bayern zweimal zu. 

In Italien verfügen ausnahmslos alle Spitzenvereine über mindestens einen starken Backup-Stürmer. Einige Vereine wie Milan setzen mit Álvaro Morata, Tammy Abraham und Luka Jović sogar auf drei. 

FC Bayern: Wer ist der Choupo-Moting für Kane?

Für den FC Bayern gilt es also einen Choupo-Moting für Kane zu finden. Um den Topstürmer zu entlasten, aber auch um vorbereitet zu sein, falls Kane doch häufiger ausfällt. Allerdings muss Max Eberl dafür nicht einfach bei Berater Roger Wittmann anrufen und fragen, ob Choupo nicht doch noch einmal Lust hat. 

Die Spielzeit um Kane herum scheint mit Musiala, Olise, Gnabry, Sané, Tel, Müller und Coman bereits vergeben. Es macht also keinen Sinn einen Stürmer zu holen, der sich seine Spielzeit im offensiven Mittelfeld holt.

Der Backup sollte der Mannschaft etwas geben, was sie noch nicht hat: Kopfballstärke und einen Wandspieler an vorderster Front. Kane füllt die Rolle des Mittelstürmers hervorragend aus, aber er ist nicht der Typ, der ständig lang angespielt wird. Der Engländer lässt sich gerne fallen und bringt seine Stärken im Pass- und Kombinationsspiel ein. 

Ein klassischer Zielspieler wäre also eine gute Ergänzung für den Bayern-Kader. Ein wuchtiger Angreifer könnte in engen Schlussphasen zusammen mit Kane im Zentrum agieren und ihm im Liga-Alltag die nötigen Pausen verschaffen.

Der gesuchte Spieler muss gar nicht Kanes Torjägerqualitäten matchen, sondern als Zentrumsspieler hauptsächlich die Torgefahr der enormen Qualität hinter sich offenlegen. Dann schafft es Tel vielleicht auch die zwei Bundesligatreffer von Choupo-Moting in der vergangenen Saison zu toppen. 



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