EM-Blog, Tag 10: Unterhaltung zu später Stunde

Philip Trenner 24.06.2024

Was für eine Euphorie! Überall in Deutschland werden Fanfeste gefeiert, die Leute kommen zum großen Public Viewing zusammen, treffen sich in Bars und Restaurants oder in privatem Rahmen. Dazu kommen jetzt auch noch an vielen Orten sommerliche Temperaturen, die die Stimmung vieler Fans nochmals steigern dürfte.

Abendspiele exkludieren Zuschauer-Schichten

Auch die zwei weitgehend überzeugenden Siege der DFB-Elf spielen sicherlich eine Rolle: Während die Vorrunde noch in vollem Gange ist, kann man sich aus deutscher Sicht bereits mit dem potenziellen Viertelfinalkandidaten auseinandersetzen. Überwinden beide ihre Gegner im Achtelfinale, werden das die bislang so brillierenden Spanier sein.

Wer es sich dennoch schon mal im Kalender eintragen will: Angesetzt ist das Spiel für den 5. Juli um 18 Uhr. Es wäre damit tatsächlich das zweite Spiel der deutschen Mannschaft bei diesem Turnier (von bis dahin fünf), das vor 21 Uhr angepfiffen wird.

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Erst das zweite, möchte man sagen. Denn wollte man mit der EM nicht wieder einmal alle Lager im Land zusammenbringen? Ist nicht gerade das etwas, was ein Nationalmannschaftsturnier den alltäglichen Vereinswettbewerben voraushat? Endlich versammeln sich alle oder zumindest die meisten hierzulande hinter derselben Mannschaft, feuern sie gemeinsam an, bejubeln Tore, liegen sich in positiven und negativen Momenten in den Armen. Darunter sind häufig auch Leute, die sonst gar nicht oder zumindest deutlich weniger Fußball gucken; nicht selten wird ein Deutschlandspiel zu einem Familien- oder Nachbarschaftsfest, an dem alle Generationen teilnehmen, nicht zuletzt auch viele Kinder und Jugendliche.

Doch ein Anstoß um 21 Uhr ist für viele von ihnen schlichtweg zu spät. Entweder können oder dürfen sie das Spiel nur teilweise oder überhaupt nicht schauen. Auch für einige Erwachsene dürfte die Zeit am Rande dessen sein, was für sie hinnehmbar ist. Schaut man das Spiel auswärts, ist man nicht vor Mitternacht im Bett. Ob dann noch diejenigen einschalten, die nicht zu den größten Fußballfans gehören, ist fraglich.

Unnötige 21:00-Ansetzungen

Besonders ärgerlich ist dabei der Umstand, dass selbst an Tagen, an denen kein anderes Spiel stattfindet, die Anstoßzeit auf 21 Uhr gesetzt wurde. Zu nennen ist hier vor allem das Eröffnungsspiel gegen Schottland – dieses fand zwar an einem Freitag statt, aber für viele Kinder dürfte es trotzdem zu spät sein. Aber auch beim gestrigen Spiel gegen die Schweiz wurde das Spiel unnötig spät angesetzt – sogar an einem Sonntag.

Nun sind späte Anstoßzeiten im Fußball, auch im Bereich der Nationalmannschaften, wahrlich nichts Neues. Auch bei vergangenen Turnieren fanden viele Spiele bereits um 21 Uhr statt, sowohl in der Gruppen- als auch in der K.-o.-Phase. Dabei geht es – wie so häufig – ums Geld.

Ein Spiel um 21 Uhr lässt sich eben in der Regel deutlich besser vermarkten als ein Spiel um 17 oder 18 Uhr. Dazu kommt, dass die Haupt-Leidtragenden der späten Anstoßzeiten (Kinder und Jugendliche) aus rein finanzieller Sicht als Zuschauer wohl entbehrlich sind, weil sie zum Beispiel keine relevante Zielgruppe für einen Großteil der Werbung darstellen. Da sie darüber hinaus auch gesellschaftlich keine einflussreiche Lobby haben, gibt es öffentlich auch keinen großen Aufschrei.

Dass das die relevanten Kriterien sind, ist natürlich grundsätzlich schon ernüchternd, im Kontext des viel umjubelten Heimturniers jedoch eigentlich fast schon ein Skandal. Mit derartigen Anstoßzeiten und dem daraus resultierenden Ausschluss vieler potenzieller Fans rückt jedenfalls das ohnehin schon sehr ambitionierte Vorhaben, mit der EM auch gesellschaftlich vielleicht wieder ein (zumindest vorübergehendes) verbindendes Element zu schaffen, in noch weitere Ferne.

Darüber hinaus bringt man viele Heranwachsende um einmalige Erinnerungen, die so ein Erlebnis bietet. (Man denke nur selbst einmal an die Turniere aus seiner eigenen Kindheit.) Zweifelsohne wird das Turnier zwar auch weiterhin schöne Bilder mit vielen feiernden Fans liefern. Nicht wenige Leute wird man aber so spät am Abend nicht mehr vor den Fernseher oder auf die Fanmeile bekommen – bitter für ein Event, das eigentlich möglichst viele abholen sollte und wollte.

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