Der Kader des FC Bayern München im internationalen Vergleich – Teil 2: Mittelklasse, Überperformer, Outperformer

Alexander Trenner 04.04.2024

Die Kategorien

Nach der „teuren Mittelklasse“ im ersten Teil folgen hier nun die preisgünstige Mittelklasse als zweites Cluster innerhalb der Normalperformer, die Überperformer und die Outperformer.

Abbildung 1: Die drei Kategorien der Bayern-Spieler: von hopp bis top.

Die „preisgünstige Mittelklasse“: Was wird aus Upa?

Das zweite Cluster im Bereich der Normalperformer ist eine große Gruppe von Spielern, die auch im Durchschnitt leisten, aber nicht so teuer sind wie das Cluster Neuer/Goretzka/Gnabry/Müller. Auch hier greift der „Müller-Effekt“: Spieler, die überwiegend eingewechselt werden, haben wenig Chancen auf nachhaltige Whoscored-Werte, weshalb diese entsprechend mit Vorsicht zu genießen sind. Als Leidtragende sind hier vor allem Tel und Choupo-Moting zu nennen. Auch Konrad Laimer kommt zur Hälfte der Spiele von der Bank, macht aber einfach gesagt einen Job (6,91, +0,1), den man für sein Gehalt (9 Millionen Euro) erwarten kann; selbes gilt im Wesentlichen für Guerreiro (6,75, +0,04, 8 Millionen Euro). Für Spieler, die erst seit kurzem zum den Stammkräften zählten (Pavlovic, Dier) ist es für eine Aussage noch zu früh. Interssant ist der Fall Upamecano, denn von allen „Stammspielern“ liefert er relativ gesehen die schwächste Leistung unter den Feldspielern im FC-Bayern-Kader ab. Sein durchschnittlicher Whoscored-Wert von 6,70 in den letzten beiden Jahren liegt mit -0,01 unter dem Schnitt aller Innenverteidiger in Europa. Gleichzeitig ist sein Gehalt von 10 Millionen Euro im Rahmen. Wirft man wiederum den Blick auf Kim, der deutlich über dem Schnitt agiert (+0,31) und nur etwas mehr verdient, darf Upas Bedeutung im Kader durchaus hinterfragt werden. Zumal die Frage nach Upas Perspektive jede Saison erneut aufkommt. Ist er am Ende vielleicht doch nur ein Ergänzungsspieler? 

Noch ein Wort zu Tel: Mit aktuell jeweils 21 Einwechselungen pro Saison ist er Bayerns Von-der-Bank-Spieler Nummer eins. Meist beschränken sich seine Einsatzzeiten auf maximal 20 Minuten. Wie am Beispiel Thomas Müller beschrieben, fällt es schwer, mit so einem Einsatzprofil einen hohen Whoscored-Wert aufzubauen. Ausnahme sind natürlich Tore oder Offensivaktionen, wie früh zu Saisonbeginn gegen Bochum (7:0) oder Gladbach (1:2), die vom Whoscored-Algorithmus stark positiv bewertet werden. Hier konnte Tel Whoscored-Werte von mehr als 7,2 in kurzer Zeit erreichen. Ein weiteres analytisches Problem in dem Cluster sind die Mannschaftsteile. Laimer wird als Außenverteidiger und Mittelfeldspieler aufgestellt. Je nach Positions-Median sind seine Leistungen unterschiedlich. Die Hürde für Mittelfeldspieler (zu dem ich ihn zähle) ist deutlich höher und damit schwerer zu überspringen als die Hürde Außenverteidiger. So gesehen macht Laimer einen für den Verein sehr zufriedenstellenden Job (Over/Under +0,1), zu moderaten Bezügen. Guerreiro geht als Außenverteidiger in die Auswertung ein, was es für ihn leichter macht. Dafür ist sein Over/Under mit +0,03 eines der schwächsten; das mag heißen, eingeschlagen hat er bisher noch nicht. Aber wie auch in anderen Fällen ist es auch für ihn aufgrund weniger Einsatzzeiten und vielen Einwechslungen noch zu früh für ein Fazit.

Die Überperformer: Kim, Coman und Davies

Das bringt uns zum Cluster der Überperformer, dem zweitstärksten Bereich der Spieler, die den Whoscored-Median auf ihrer Position zwischen 0,21 und 0,5 überperformen. Diese Gruppe besteht lediglich aus vier Spielern: Mazraoui, Kim, Coman und Davies. Diese Spieler bringen Leistung auf ihren Positionen, die gemäß ihres Whoscored-Wertes klar über dem Durchschnitt in Europa liegen. Interessant ist hier vor allem Coman, der in der selben Gehaltsstufe wie Neuer/Goretzka/Gnabry liegt (17 Millionen Euro), aber deutlich höher performt. Sein Whoscored-Wert von 7,2 war die letzten beiden Jahre stabil, das Over/Under von +0,39 macht ihm zum sechstbesten Spieler im Kader. Das ist umso bemerkenswerter, da Coman recht häufig von der Bank kommt und nicht unbedingt immer unangefochtener Stammspieler ist. Ein Grund dafür ist, dass er recht oft aus Verletzungen zurückkommt, was gleichzeitig Comans größtes Problem ist: Für sein Gehalt absolviert er recht wenig Spiele (was nicht Teil dieser Betrachtung ist). Fest steht: Wenn er spielt, dann liefert er statistisch deutlich über Europas Durchschnitt ab. 

Kim hat in seiner ersten Saison bislang sehr gut eingeschlagen und performt klar über dem Schnitt der Innenverteidiger in Europa (7,02, +0,31). Davies kratzt auf seiner Position als Außenverteidiger sogar an der absoluten Spitzenklasse (7,19, +0,48). Sowohl Davies als auch Kim liegen in der Gehaltsstruktur im Mittelfeld und sind damit wertvolle Akteure für den FCB, da sie Leistung zu überschaubaren Kosten liefern. So gesehen relativiert sich vielleicht ein bisschen die Kritik an Davies. Die Leistungen von vor drei bis vier Jahren erreicht er (nach vielen Verletzungen) nicht mehr. In Relation zu seinem Gehalt liefert er dennoch sehr gute Leistungen ab. Das Gehalt is sogar so gering, dass eine Steigerung unausweichlich erscheint, wenn er nicht, wie es Gerüchte besagen, zu Real Madrid wechseln wird. Knapp zwischen den Clustern ist Mazraoui. Diese Saison hat er erst 13 Spiele gemacht hat (meist aufgrund von Kader-Engpässen auf der Außenverteidigerposition), dann war er verletzt. Er kommt damit auf eine ähnliche Einsatzzeit wie die Spielzeit davor. Sein Whoscored-Wert von 6,93 (+0,21) bei einem Gehalt von 8 Millionen Euro ist nichts, worüber man sich bei Bayern ärgern müsste. Damit gilt auch Mazraoui als ein Spieler, den der Verein im Auge behalten sollte (siehe dazu auch das Fazit).

Abbildung 2: Gehälter und Whoscored-Werte des aktuellen FC-Bayern-Kaders

Die absoluten Outperformer: King Kane und Golden Bambie – Sané und Kimmich echte Spitzenklasse?

Zu guter letzt kommen wir zum Cluster der absoluten Outperfomer, der Spieler, die satte 0,51 Punkte und mehr über dem Durchschnitt in ihrem Mannschaftsteil in Europa liegen. Hier thront Harry Kane über allen. Mit einem Whoscored-Wert von 7,87 war er zum Zeitpunkt der Erhebung der statistisch stärkste Spieler in Europa. Sein Over/Under von +0,94 macht ihn zudem zum stärksten Spieler im Verein. Sein Gehalt von 25 Millionen Euro pro Jahr liegt zwar noch einmal deutlich über dem des Zweiten, Manuel Neuer, aber das zahlt Kane mit Spitzenleistungen zurück. Rückblickend war es für den Verein trotz des hohen Anschaffungspreises und Gehalts ein Transfer, der voll eingeschlagen hat.

Mit etwas Abstand zu Kane, aber immer noch in der Spitzengruppe sind die „Dauerbrenner“ Kimmich und Sané. Beide liegen als Mittelfeldspieler deutlich über dem Schnitt in Europa mit einem Over/Under von +0,51 (Kimmich) und +0,59 (Sané) und sind damit die dritt- und viertbesten Spieler im Kader. Sané kann vor allem auf eine beinahe einmalige Hinrunde in der aktuellen Saison zurückblicken, in der er persönlich alles in Grund und Boden spielte. Die Vorsaison und die Rückrunde liefen etwas weniger euphorisch; aber das passt zu ihm als Spieler, der stets mit dem Ruf zu kämpfen hat, schwankend in seinen Leistungen zu sein. Zumal Sané mit 20 Millionen Euro Gehalt pro Jahr der viertteuerste Spieler im Kader ist und auch in seinem vierten Jahr nach wie vor Kritiken aufkommen, ob er wirklich uneingeschränkte Stammkraft ist, was latent immer etwas die Frage mitschwingen lässt, ob er sein Gehalt auch wirklich wert ist. Andererseits muss man auch den großen Bogen spannen: im Gegensatz zu den ebenfalls top bezahlten Goretzka, Gnabry und Neuer sind Sanés Leistungen deutlich über denen seiner (ex)-DFB Kollegen. Er mag schwankend sein, liefert für jeden Euro Gehalt unter dem Strich aber deutlich bessere Leistung ab als das „teure Mittelklasse“-Feld.

Kimmich ist in mehreren Fällen ein Extrafall. Statistisch zählte er die letzten Jahre stets zu den besten Spielern in Europa, da das Offensivspiel des FC Bayern weitestgehend über ihn lief. Entsprechend viele offensive Zahlen gingen auf sein Konto, was zu hohen Gesamtwerten führte. Nachdem die Erfolge für den FC Bayern ausblieben, machte sich viel Kritik an seiner Person fest. Sein Whoscored-Wert ist in dieser Saison eingebrochen (von 7,47 auf 7,12) und er hat aktuell sicher nicht mehr die Unantastbarkeit vergangener Jahre. Kimmich ist darüber hinaus mit 19,5 Millionen Euro einer der Spitzenverdiener im Kader. Nun ist er nach vielen (öffentlichen) Diskussionen unter Tuchel auf die Außenverteidigerposition gewechselt und ungefähr zeitgleich mit seiner Versetzung kam die Mannschaft wieder ins Rollen. Auch wenn es nach nur 4 Spielen auf der neuen Position noch etwas früh ist: Mit einem Whoscored-Wert von 7,34 in diesen 4 Spielen liegt Kimmich deutlich über dem Schnitt der Außenverteidiger in Europa (6,72) und wäre in dieser Analyse der drittbeste Spieler im Kader. Vielleicht ist es am Ende doch die Position der Zukunft?

Der letzte Absatz gehört Jamal Musiala: aktuell legt er eine bärenstarke Saison hin (7,54) und erreicht Sphären, die deutlich über dem Schnitt der Mittelfeldspieler in Europa liegen. Mit einem Over/Under von +0,73 ist er der zweitstärkste Spieler im Verein. Selbst letzte Saison, als er über weite Strecken durchhing, zählten seine Werte immer noch zur oberen Liga. Sein Gehalt von 5 Millionen Euro ist mehr als ein Schnäppchen und wird so vom Verein nicht mehr lange zu halten sein. Zum einen aufgrund der externen Zahlungsbereitschaft ausländischer Spitzenclubs. Zum anderen auch aufgrund der internen Hierarchie: Einige etablierte Spieler kosten den FC Bayern bis zum Vierfachen von Musiala und können sich kaum vom europäischen Durchschnitt abheben, während Musiala ein Spieler ist, der statistisch und auf dem Platz nachweislich den Unterschied macht. Insofern wird die Zukunft von Musiala sicher eine der Kernfragen in der Sommerpause. Der Verein muss den Spieler eigentlich noch länger an sich binden, als er es ohnehin schon ist, und das wohl zu einem deutlich verbesserten Gehalt. 

Fazit

Gesetzt die Annahme, der FC Bayern hat ein Limit („Cap“) bei seinen Gehältern und muss mit seinen Finanzen kontrolliert umgehen, tut der Verein gut daran, seine Kaderplanung strategisch an der Leistung relativ zur Bezahlung auszurichten. Spieler, die schon länger in Regionen von ~20 Millionen Euro bezahlt werden aber nur europäisches „Mittelmaß“ abliefern, sollten schrittweise abgegeben werden und mit Investments in jüngere und (teilweise schon) bessere Spieler abgelöst werden. Eine Refokussierung hin zu mehr Leistung für den Euro startet mit einem Investment in Musiala, Davies und Kim (teilweise schon passiert). De Ligt genießt dieses Vertrauen bereits, muss aber beweisen, dass er die in ihn gesetzten finanziellen Zugeständnisse erfüllen kann. Auch die Entwicklungen von Laimer und Mazraoui sind als positive Beispiele zu nennen, auch wenn im Falle Laimer statistisch aufgrund der Datengrundlage hier noch kein so deutliches Urteil zu fällen ist. Shooting-Star Pavlovic fällt aufgrund seiner geringen Einsatzzeiten komplett aus dieser Analyse heraus aber es besteht kein Zweifel, dass der Verein langfristig auf ihn setzen wird, wenn seine Entwicklung das hält, was sie bis jetzt verspricht. Das bedeutet im Gegenzug, dass der FCB Spieler wie Gnabry, Goretzka, Neuer und in Teilen auch Müller hinterfragen muss. Ihre Gehälter sind auch im europäischen Vergleich absolute Spitzenklasse. Während Faktoren wie Erfahrung (Neuer, Müller), Vereins-Identifikation (Müller), Kapitänsamt (Neuer), und statistische Effekte wie viele Einwechslungen (Müller, teilweise Gnabry) noch als „Pro“ für diese Spieler sprechen können, wird es insbesondere für Goretzka aber auch Gnabry zunehmend schwer, im kaderinternen Vergleich ihr Gehalt mit ihren Leistungen zu rechtfertigen. Die beiden Kandidaten liegen in ihrer Wertung die letzten beiden Spielzeiten teilweise deutlich unter ihren Mitspielern, die zwar ebenfalls sehr gut bezahlt werden, aber im Europa-Vergleich starke (Coman, Kimmich, Sané) oder Spitzenklasse (Kane) abliefern. Gleichzeitig kommt bereits erfolgreich Konkurrenz „von unten“, mit jüngeren, talentierten und vor allem günstigeren und teilweise schon deutlich besseren Spielern wie Musiala, Kim, Pavlovic, Mazraoui oder Laimer. 

Was Wirtschaftlichkeit im Verhältnis zur sportlichen Leistung angeht, weist der FC Bayern zum Untersuchungszeitpunkt also eine Reihe von Unwuchten auf, die die These vom alternden, teilweise überbezahlten Kader nicht abwegig klingen lassen. Es kann sich in den verbliebenem letzten Saisondrittel statistisch natürlich noch etwas tun für die Spieler. Dennoch sind einige Tendenzen herauszulesen, die Max Eberl und Christoph Freund im Sommer sehr beschäftigen werden.

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