FC Bayern: Sand im Offensivgetriebe! Drei Dinge, die in Basel auffielen
Gastbeitrag von Jakob Kuner
Anmerkung der Redaktion: Jakob hat sich als Autor bei Miasanrot beworben.
Das Testspiel gegen den Tabellenvorletzten der Schweizer Super League sollte eine Woche vor dem Ligastart gegen die TSG Hoffenheim dazu dienen, wieder in den Rhythmus zu kommen. Wurde vor der Partie noch intensiv über die Frage diskutiert, wer die Position auf der rechten defensiven Außenbahn bekleiden darf, wenn Laimer und Mazraoui ausfallen, gab Tuchel eine klare und logische Antwort: Joshua Kimmich muss!
Die Partie im ausverkauften St.-Jakob-Park ließ aber weitere altbekannte Fragen unbeantwortet. Wie findet der FC Bayern Lösungen gegen eine Mannschaft, die defensiv sehr kompakt im Block verteidigt? Die Antwort: Nicht zufriedenstellend! Doch wenigstens der Campus macht Hoffnung, sorgt für den Umschwung in der Partie und erzielt in Person von Noel Aseko Nkili den Ausgleich.
Drei Dinge, die Tuchel aus dem Testspiel mitnehmen sollte.
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FC Bayern: Joshua Kimmich mit Problemen als RV
Nach dem Ausfall von Konrad Laimer beorderte Thomas Tuchel Joshua Kimmich auf die Rechtsverteidiger-Position. Kimmich interpretierte seine Position überraschenderweise klassisch. Er gab dem Spiel sehr viel Breite und zog dabei kaum ins Zentrum, was sonst ein von ihm häufig genutztes Stilmittel auf der Außenbahn war. Kimmich und sein Pendant Davies schoben im Spielaufbau bei geringem gegnerischen Druck sehr hoch, oft bis weit über die Mittellinie in die gegnerische Hälfte.
Seine sonst überragenden Flanken waren im Spiel gegen Basel größtenteils unpräzise und fanden keinen Abnehmer. Viele Bälle schlug er direkt ins Toraus oder in utopischen Höhen in den Sechzehner, wo Abnehmer wie Harry Kane keine Chance auf Verwertung hatten. Im gesamten Spiel fiel er immer wieder auch durch viele Fehlpässe negativ auf.
Seine offensiv ausgerichtete Spielweise sorgt immer wieder dafür, dass er defensiv nicht mehr entscheidend eingreifen kann. Er schien auch gegen eine ersatzgeschwächte Baseler Mannschaft zunehmend überfordert mit seinen Defensivaufgaben. Sein fehlerhaftes Stellungsspiel und vor allem seine Tempodefizite sorgten für Gefahr auf der linken Angriffsseite des FC Basel.
Oft stand er zu weit weg von seinen Gegenspielern und kam aufgrund seines Geschwindigkeitsmangels nicht mehr in die entscheidenden Zweikämpfe. Mehrfach wurde er vom jungen Anton Kade oder Außenverteidiger Dominik Schmid überlaufen. In Spielen auf höchstem europäischen Niveau – möglicherweise schon gegen Lazio Rom – könnten solche Defizite noch viel brutaler ausgenutzt werden.
Gegen Basel war die Defensive kaum gefordert, offenbarte zu Beginn der zweiten Halbzeit dennoch einige Schwächen. Auch Kimmich selbst ist vermutlich nicht glücklich über seine Degradierung auf die Rechtsverteidiger-Position. Die zunehmende und oft auch unverhältnismäßig harte Kritik aus Deutschland und das rege Werben des FC Barcelona um den 28-jährigen deutschen Nationalspieler könnten in Zukunft möglicherweise zu Unruhe und damit Wechselgedanken bei Joshua Kimmich führen.
Man muss feststellen, dass Joshua Kimmich möglicherweise nicht die 1a-Variante auf rechts ist, aber durch die Abwesenheit von Noussair Mazraoui und bei Ausfall von Konrad Laimer der bestmögliche Kompromiss für die Besetzung der defensiven Außenposition. Sollte Konrad Laimer fit sein, kann Kimmich dem Bayern-Spiel auf der Mittelfeld Position aber deutlich mehr geben.
Dort kann er seine Qualitäten als einer der stärksten Spielgestalter Europas am besten einbringen. Seine Chipbälle hinter die Kette auf die einlaufenden Mitspieler fehlten gegen Basel im Offensivspiel der Bayern. Seine Defizite wie das Zweikampfverhalten und Probleme mit dem Stellungsspiel sind jedoch auch im Zentrum vorhanden. Sein Tempodefizit lässt sich dort aber besser kompensieren und fällt nicht so schwer ins Gewicht wie auf der Außenbahn. Bei Kimmich stellt sich die Frage nach dem geeigneten Partner im Mittelfeld, damit er seine Stärken besser ausspielen kann.
Offensive des FC Bayern mit Sand im Getriebe
Der FC Bayern spielte von Beginn an sehr dominant mit viel Ballbesitz und Kontrolle. Dennoch tat man sich schwer, ähnlich wie beim 0:0 im Champions-League-Spiel gegen Kopenhagen, Lösungen gegen den kompakten Defensivblock des Gegners zu finden.
Was Thomas Tuchel nach dem Spiel mit „fehlender Gierigkeit in der Box“ beschrieb, war am Ende vor allem auch durch unsauberes Spiel des FC Bayern im letzten Angriffsdrittel zu erklären. Es mangelte an vielem. Mal war der erste oder zweite Kontakt unsauber, mal blieb der letzte oder vorletzte Pass am Gegenspieler hängen. Öfter stimmte auch das Timing und die Temperierung des Zuspieles nicht und der Ball wurde dem Mitspieler zu scharf in den Fuß gespielt. Gegenläufige Bewegungen und Tiefenläufe waren Mangelware im Angriffsspiel des FC Bayern.
Die Bayern eröffneten wie gewohnt flach im 4+2 (flache 4er Kette, 6er Pavlovic und Guerreiro als Verbindungsspieler) mit den maximal breitstehenden Außenverteidigern Kimmich und Davies sowie den offensiven Flügelspielern, die gemeinsam mit Kane die letzte Abwehrkette binden sollen. Der 10er (Musiala oder gelegentlich Müller) positionierte sich in der Zentrumsspur.
Doch all diese Unsauberkeiten und das ohnehin zu statische Angriffsspiel sorgten dafür, dass Basel wenig Probleme hatte, mit einem soliden Mittelfeldpressing das Zentrum zu schließen und den FC Bayern auf die Außen zu lenken. Auf den Außen gelang es zu wenig, sich entscheidend durchzusetzen, da zum Beispiel Leroy Sané einen schwachen Tag erwischte und viele Bälle leichtfertig verlor.
Wenn es dann doch mal gelang, wie zum Beispiel in der 30.Minute als Alphonso Davies auf die Grundlinie durchgebrochen war, kamen der entscheidende Rückpass oder die Hereingabe zu unpräzise. Die schlechte Entscheidungsfindung und die zu statische Boxbesetzung der einzelnen Positionen machte es dem FC Basel außerdem leichter zu verteidigen.
Kane versuchte viel und ließ sich wie gewohnt immer wieder in den 8er/10er Raum fallen, um Überzahl zu schaffen, Bälle zu fordern und diese in höhere Ebenen zu verteilen. Raphaël Guerreiro ließ sich immer wieder im Aufbau auf die Linksverteidiger-Position fallen und Davies schob als linker Flügelspieler weit nach vorne. Von der linken Seite aus spielte Guerreiro einige überragende Bälle in die Tiefe auf seine einlaufenden Mitspieler, die immer wieder für Gefahr sorgten – wie zum Beispiel in der 16.Minute auf Thomas Müller, der am glänzend parierenden Marwin Hitz scheiterte.
Von 19 Torschüssen gingen am Ende ganze fünf Torschüsse auf den gegnerischen Kasten. Der FC Bayern sollte sich nicht immer nur auf individuelle Lösungen der hochveranlagten Offensivspieler verlassen, sondern im gesamten Angriffsspiel an Lösungen gegen tiefstehende Gegner arbeiten.
FC Bayern Campus: Welche Jugendspieler Eindruck hinterließen
In der 67. Minute konnte man durch die Einwechslungen von Mathys Tel, Noel Aseko Nkili und Lovro Zvonarek fast von einem Generationswechsel sprechen. Die jungen Talente brachten neuen Schwung mit viel Spielfreude und Einsatz in die Partie. Sie trugen allesamt dazu bei, dass der FC Bayern das Spiel wieder auf seine Seite zog. Zu Beginn der zweiten Halbzeit drohte dieses zu entgleiten und mündete schließlich im Führungstreffer für die immer spielfreudigeren Gastgeber. Durch das muntere Durchwechseln der ersatzgeschwächten Schweizer entstanden aber auch immer größere Räume. Die Ketten des FC Basel standen nicht mehr so kompakt wie in der ersten Hälfte und somit gab es viel Platz für die frisch eingewechselten Talente von Thomas Tuchel.
Lovro Zvonarek hinterließ einen sehr guten Eindruck. Er war sehr aktiv und bewegte sich sehr gut zwischen den gegnerischen Linien, somit stand er als Anspielstation immer wieder zur Verfügung. Außerdem sorgte er mit seinen Tiefenläufen dafür, das behäbige Angriffsspiel der Bayern anzukurbeln und kam durch seine gute Positionierung in der Box so immer wieder in gute Abschlusspositionen.
Er wusste außerdem durch seine extreme Ballsicherheit mit dem Rücken zum Tor zu gefallen und fand auch in Drucksituationen stets gute Lösungen mit Ball. Exemplarisch dafür sein Pfostenschuss in der 83.Minute, wo er den Ball mit dem Rücken zum Tor stark behauptete und mit einer schnellen Drehung an den Pfosten schlenzte. Mit einem Tor konnte er sich für seine starke Leistung nicht belohnen, da seine weiteren Abschlüsse immer wieder durch gute Blocks das gegnerische Tor verfehlten.
Noel Aseko Nkili bildete nach seiner Einwechslung zusammen mit Pavlovic die Doppelsechs. Er gefiel nicht nur durch sein erstes Profitor für den FC Bayern, sondern auch durch seine robuste Spielweise in Verbindung mit einem soliden Passspiel und Dribbling
Mit Frans Krätzig, Benedict Wimmer und Adam Aznou wurde ab der 75.Minute fast die komplette Viererkette getauscht. Einzig Leon Goretzka, der in der 2. Halbzeit als Innenverteidiger agierte, blieb auf dem Feld. Goretzka sorgte mit zwei haarsträubenden Fehlern und einer insgesamt schwachen Leistung fast für den zweiten Treffer der Gastgeber.
Krätzig agierte nach seiner Einwechslung als Linksverteidiger sehr aggressiv und robust in den Defensivzweikämpfen und konnte so für einige Ballgewinne sorgen. Der 18-jährige Innenverteidiger und Zwei-Meter-Hüne Benedikt Wimmer machte neben Leon Goretzka einen sehr soliden Eindruck ohne große Fehler. In der 84. Minute hätte sich seine Größe beinahe mit einem Kopfballtor bezahlt gemacht, aber der FC Basel konnte kurz vor der Linie klären.
Adam Aznou bekam seine Chance nicht auf seiner Stammposition der linken Abwehrseite, sondern durfte auf der Rechtsverteidiger-Position für sich werben. Er war körperlich sehr präsent und robust, entschied einige Kopfballduelle für sich, war aber defensiv zu wenig gefordert, um ein abschließendes Urteil fällen zu können, ob er eine Backup-Möglichkeit für die Rückrunde sein kann. Dennoch zeigte er im Ansatz seine herausragenden technischen Qualitäten und rückte situativ ins Mittelfeld ein. Er zog ein paar Mal mit viel Tempo ins Zentrum, um Räume zu schaffen und das Offensivspiel anzukurbeln.
Aleksander Pavlovic startete im zentralen Mittelfeld neben Raphaël Guerreiro. Er war sehr aktiv und holte sich immer wieder Bälle auch sehr tief in der eigenen Hälfte ab und verteilte sie mit guter Übersicht. Pavlovic bot sich immer wieder zwischen den gegnerischen Linien an und brachte somit das Spiel in die nächste Ebene. Außerdem überzeugte er wieder als starker Zweikämpfer und sorgte für viele hohe Ballgewinne. Bei den Spielgestalter-Qualitäten – gerade im Hinblick auf gut getimte Chipbälle hinter die Kette wie jene von Joshua Kimmich – hat Pavlovic noch Potential.