FC Bayern mit einem Spiegelbild der Saison – 2:2 gegen den VfB Stuttgart
In neun der letzten zehn Spiele schlug der FC Bayern den VfB Stuttgart. Ausgerechnet die eine Niederlage war vor dem heutigen Duell insofern in bleibender Erinnerung, als der VfB vor vier Jahren am letzten Spieltag bei dem als Meister feststehenden FC Bayern deutlich mit 4:1 siegte. Es schien zeitweise ein Omen fürs heutige Spiel zu sein, am Ende wurde es diesmal aber immerhin ein Punkt für die Gastgeber.
Falls Ihr es verpasst habt
Aufstellungen
Beim FC Bayern fielen Jamal Musiala und Leroy Sané kurzfristig aus. Das machte das Aufstellungspuzzle für Bayerntrainer Julian Nagelsmann etwas einfacher. Er entschied sich für die bestmögliche Elf. Vor Manuel Neuer bildeten Benjamin Pavard, Dayot Upamecano, Tanguy Nianzou und Alphonso Davies die Viererkette. Kingsley Coman über links, Serge Gnabry über rechts, Thomas Müller gemeinsam mit Leon Goretzka und Joshua Kimmich im Zentrum sowie Robert Lewandowski sollten für Tore sorgen.
Pellegrino Matarazzo nahm gegenüber dem Spiel gegen Wolfsburg nur eine Änderung vor. Führich übernahm für Thommy. Mit Sasa Kalajdzic als Stoßstürmer, der von den schnellen Tiago Tomas und Omar Marmoush unterstützt wurde, hatte der VfB Mittel, die für den FC Bayern unbequem werden konnten.
1. Halbzeit
Im neuen Heimtrikot empfing der FC Bayern den VfB zu einem munteren Spiel. Beide Teams dachten offensiv. Das zeigte sich an einer Fülle von Chancen.
Es waren die Gäste aus Stuttgart, die zuerst trafen. In der achten Minute gelang Materazzos Team ein Tor aus dem Lehrbuch, wie man in dieser Rückrunde gegen die Bayern spielen muss: Langer Ball auf einen Zielspieler, der lässt nach außen prallen, wo ein schneller Spieler in die Löcher im Rücken der Bayernabwehr stößt.
In diesem Fall waren die Protagonisten auf VfB-Seite Torhüter Müller, der Kalajdzic als Zielspieler fand. Kalajdzic setzte sich in der Luft gegen Upamecano durch und passte zu Marmoush. Nianzou sicherte für den aufgerückten Davies alleine auf der linken Defensivseite ab und kam Marmoush nicht hinterher, so dass dieser Tomas einsetzen konnte, der aus fünf Metern zum 1:0 für den VfB traf.
In der Folgezeit hatten die Bayern einige gute Chancen. Thomas Müller traf die Latte, direkt im Anschluss spielten die Bayern den Ball über einige Stationen durch den Stuttgarter Strafraum, bis letztlich Goretzka am Tor vorbei schoss (13. Minute).
In der 23. Minute hatte der VfB die große Chance zum 2:0 Blaupause. Es war fast eine Blaupause des Führungstors. Erneut initiiert durch einen langen Ball auf Kalajdzic, der sehenswert mit dem Rücken zum Bayerntor an der Mittellinie auf Marmoush nach außen passte. Dieser lief erneut Nianzou weg und alleine aufs Tor von Manuel Neuer zu. Sein Abschluss ging jedoch knapp am Tor vorbei.
Nach 35 Minuten folgte ein weiteres Tor aus dem Lehrbuch. Diesmal aus jenem von Julian Nagelsmann. Zunächst eröffneten die Bayern mit einem langem Ball von Nianzou auf Coman. Der zog nach innen und suchte Müller. Der Pass wurde abgefangen, doch Bayern war sofort im Gegenpressing. Der hoch positionierte Davies fing den Ball ab, und über Kimmich und Lewandowski kam der Ball zu Gnabry, der nach aus kurzer Distanz abschloss. Mavropanos war noch dran, so dass der Treffer offiziell als Eigentor gewertet wurde.
Zehn Minuten später drehten die Bayern das Spiel. Erneut in Folge eine guten Kombination. . Upamecano schaltete sich in die Offensive ein, wo er von Gnabry gefunden wurde und zu Müller durchsteckte. Der drehte sich bei der Ballannahme und erzielte das 2:1.
Der FC Bayern spielte in der ersten Halbzeit klassischen Nagelsmann-Fußball: Sie besetzen den Strafraum regelmäßig mit 3-4 Spielern, kombinierten durchs Zentrum, waren aktiv im Gegenpressing. Offensiv in Summe durchaus gefällig, defensiv anfällig.
2. Halbzeit
Erneut gelang dem VfB Stuttgart der bessere Start. In der 52. Minute verlor Upamecano den Ball im Aufbau, und die Lieblingskombination des VfB war erfolgreich. Flanke Sosa, Kopfball Kalajdzic. Dieser überstieg Nianzou und köpfte zum 2:2 ein. Kurz danach vergab Kalajdzic die große Chance zum 2:3.
Generell kamen beide Teams im Verlauf der zweiten Halbzeit zu weiteren Chancen. Die beste für den FC Bayern hatte Robert Lewandowski in der 76. Minute, als die Latte für den VfB rettete.
Nagelsmann reagierte zwischendurch und wechselte in der 63. Niklas Süle für Nianzou ein. In der 72. kamen Corentin Tolisso und Marc Roca für Pavard und Goretzka. Denkbar, dass es für alle drei der letzte Auftritt im Bayerntrikot war.
Nach 85 Minuten lösten Marcel Sabitzer und Eric Maxim Choupo-Moting Gnabry und Müller ab.
In der Nachspielzeit fanden das Spiel und die Saison ein unschönes Ende für Kingsley Coman, der für eine Tätlichkeit die Rote Karte sah.
Am Ende standen laut Bundesliga.de 3,43 Expected Goals für den FC Bayern und 1,64 für den VfB Stuttgart. Der FC Bayern hätte einen Sieg verdient gehabt, mit etwas Pech aber auch verlieren können. In Summe geht das Unentschieden in Ordnung.
Dinge, die auffielen
1. FC Bayern mit beeindruckender Offensive
Zehn Meisterschaften in Serie und weitere Erfolge auf nationaler und internationaler Bühne haben die Messlatte für den FC Bayern sehr hoch gelegt. Zu recht. So paradox es klingt, so nachvollziehbar ist eine gewisse Enttäuschung im Bayernumfeld über eine Saison, in der es “nur” zur Meisterschaft reicht.
Und doch sollte man wertschätzen, wie gut dieses Team offensiv Fußball spielt. Selbst heute. Die Innenverteidiger Nianzou und Upamecano suchen immer vertikale Pässe, wenn es möglich ist. Neuer fühlt sich ohnehin dann am wohlsten, wenn er mitspielen kann. Davies und auch Pavard schalten sich gerne offensiv ein. Goretzka, Müller und Kimmich sind jederzeit hellwach und aggressiv im Gegenpressing. Das ganze Team denkt und handelt offensiv. 80% Ballbesitz, 13 Abschlüsse und ein gedrehtes Spiel in der ersten Halbzeit zeugen von einer offensiven Spielidentität, die Spaß macht. Allen Kontergegentoren und Ballverlusten zum Trotz.
2. Keine Wettbewerbsverzerrung aber erkennbares Nachlassen
Felix Magath? Ibiza? Meisterfeier in der Allianz Arena? An Motivationsquellen fürs Bayernteam dürfte es nicht gemangelt haben. Entsprechend engagiert trat das Team von Beginn an auf, selbst wenn es am Ende nicht für einen Sieg reichte.
Ohnehin sind die Vorwürfe der Wettbewerbsverzerrung aus der Luft gegriffen.
Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der FC Bayern nach den gewonnenen Meisterschaft weniger erfolgreich spielt als bis zum jeweiligen Gewinn. So holte der FC Bayern in den 307 Ligaspielen bis zum jeweiligen rechnerischem Erreichen der Meisterschaft in den Jahren von 2012/13 bis 2021/22 im Schnitt 2,5 Punkte pro Bundesligaspiel.
Im gleichen Zeitraum absolvierten die Münchner inklusive des heutigen Spiels 32 Ligaspiele, in denen die Meisterschaft bereits feststand. Der Punkteschnitt in diesen Spielen: 2,1.
Der Einbruch ist unbestreitbar. Und doch ist es normal und nicht das, was man als Wettbewerbsverzerrung bezeichnen könnte. Der Spielplan ist nie für alle gleich schwer. Und dennoch fair. Während der Saison kann es von Vorteil sein, gegen Teams zu spielen, die vom Europacup geschlaucht sind, am Saisonende kann es von Vorteil sein, gegen Teams zu spielen, deren Saison gelaufen ist.
3. Kaum Einsatzzeiten für die Nachwuchsspieler
Dass Nagelsmann sich nicht angreifbar machen wollte und die bestmögliche Elf aufbot: nachvollziehbar. Dass verdiente Spieler wie Süle und Co. zum Abschied Minuten bekommen, nicht minder.
Genau das zeigt das Dilemma an diesem vorletzten Spieltag. Die Gründe dafür, dass Gabriel Vidović oder Paul Wanner nicht eingesetzt wurden, sind nachvollziehbar.
Ein Problem ist es dennoch. Die Führung des FC Bayern wird nicht müde zu betonen, wie wichtig die Entwicklung junger Spieler aus dem eigenen Nachwuchs sei.
Um sich zu entwickeln, brauchen sie Spielzeit. Wann, wenn nicht jetzt?