Spieler des Monats Januar: Thomas Müller
Der Januar war auf mehreren Ebenen ein durchwachsener Monat für den FC Bayern. Nach einer kurzen ergebnisbezogenen Formdelle mit einer 2:3-Niederlage gegen Gladbach am 15. Spieltag und dem fünf Tage später folgenden bitteren Aus im DFB-Pokal gegen Holstein Kiel sprechen die Zahlen wieder für sich. Seither steht eine tadellose Ausbeute von 15 Punkten aus 5 Spielen zu Buche. Das zwischenzeitliche Formtief, das sich nur kurzfristig anhand der Ergebnisse äußerte, zog sich im Januar jedoch mehr oder weniger ausgeprägt durch alle Spiele des FC Bayern. So sind die zurückliegenden 5 Bundesliga-Spiele nahezu ausnahmslos als Arbeitssiege zu betiteln: Die Gegner waren meist unterlegen, dennoch konnten die Punkte nur mühevoll geholt werden.
Die Gründe hierfür sind vielfältig und wurden hier im Blog bereits in ausführlich beleuchtet.
Nachdem die größte Baustelle Anfang Januar im Spiel gegen den Ball zu finden war, lag es nahe, dass für Annäherungen an ein stabiles Gesamtsystem zunächst an der Defensive gearbeitet werden muss. So weit, so logisch. Schritt für Schritt gelang eine Stabilisierung des Defensivverbunds durch minimale taktische Veränderungen, wie bspw. eine konsequente Dreierabsicherung mit einem offensiv und einem defensiv ausgerichteten Außenverteidiger. Der Weg zu einer unbeschwert und kreativ aufspielenden Bayern-Elf scheint dennoch weiterhin mühsam zu sein. Denn die Offensive macht zwar ergebnistechnisch keine Sorgen, aktuell aber wenig Spaß.
Hier fehlt vor allem eines: Kreative Ideen und Lösungen für unterschiedliche Spielsituationen. Es scheint momentan beinahe so, als seien die Bayern überfordert mit ihren Ballbesitzphasen. Abgesehen von verzweifelt anmutenden Fernschüssen lassen sich zielgerichtete Spielzüge, die technisch sauber und präzise umgesetzt werden, in jedem Spiel an einer Hand abzählen.
Die einzigen Ideengeber sind Joshua Kimmich und Thomas Müller. Kimmich dirigiert das Spiel mit klugen Entscheidungen und seinem feinen Fuß aus dem zentral defensiven Mittelfeld. Eine Station weiter vorn übernimmt Thomas Müller diese Rolle. Seit geraumer Zeit ist er von der zentral offensiven Position als 10er / hängende Spitze in Flicks 4-2-3-1-System nicht mehr wegzudenken.
Die Wahl des Spielers des Monats Januar fiel zwischen diesen beiden nicht leicht. Beide haben die meisten Aktionen pro Spiel, die zu Abschlüssen führen (Kimmich 4,59; Müller 4,49 – Costa mit 4,78 bei nur 314 Bundesliga-Minuten außen vor). Die Entscheidung für Thomas Müller begründet sich letztlich durch seine bestechenden Allrounder-Qualitäten, die er im Januar konstant unter Beweis stellte.
Thomas Müller in Zahlen
Müller stand bis jetzt in allen Spielen des FC Bayern in der Startelf*. Seine Statistik liest sich beeindruckend: Er belegt Rang 4 der Liste der laufstärksten Spieler der Bundesliga, ist nach Lewandowski mit 10 Treffern der aktuell zweitbeste Torschütze der Bayern in dieser Saison und belegt in dieser Kategorie Bundesliga-übergreifend Rang 7. Neben seinen 10 Toren konnte er bereits 11 Assists beisteuern – Liga-Bestwert. Allein im Januar brachte er 4 Tore und 4 Assists ein. Mit insgesamt 365 „Pressures“ und 18,25 pro Spiel ist er zudem der Spieler, der den Gegner mit am häufigsten unter Druck setzt – nur Sané kommt relativ auf mehr: rund 20-mal pro Partie.
Der Januar des FC Bayern war bekanntlich geprägt von viel Rotation. Auf vereinzelten Positionen erlaubt Flick sich allerdings keine Experimente. Abgesehen von der Torhüter-Position sind das Kimmich auf der 6, Lewandowski im Sturmzentrum und Müller im zentralen offensiven Mittelfeld. Müller hat bereits auf allen Offensivpositionen in verschiedenen Systemen gespielt und wusste seine Stärken von überall einzubringen. Seit geraumer Zeit zeichnet sich ab, dass er für die Bayern im zentralen offensiven Mittelfeld am gewinnbringendsten ist. Seine Rolle lässt sich am besten als eine Mischung aus offensivem Spielgestalter mit Torjägerqualitäten und gleichzeitig bestechendem Mix aus Vororientierung, Antizipation und Entscheidungsfähigkeit mit gutem Gespür für Räume bezeichnen. Nicht umsonst steuert er auch in dieser Saison ähnlich viele Tore wie Assists bei.
Herausragende Fähigkeiten
Im Januar stellte Müller seine außergewöhnliche Handlungsschnelligkeit immer wieder unter Beweis. Seine gute Vororientierung ermöglicht es ihm, Positionen von Mit- und Gegenspielern schnell auf- und wahrzunehmen. Was Müller besser kann als viele andere Spieler, sind die nächsten beiden Schritte der Handlungsschnelligkeit: Antizipieren und Entscheiden. Das Vorausahnen einer sich entwickelnden Spielsituation beherrscht Müller bestechend gut. Deutlich wurde das auch in den Januar-Spielen immer wieder daran, dass Müller bei weitem nicht der physisch schnellste Spieler auf dem Feld ist, jedoch trotzdem häufig einen Schritt schneller am Ball ist als seine Gegenspieler. Aufgrund seiner Fähigkeit, das Spiel zu lesen und bereits vorauszuahnen, wie eine bestimmte dynamische Spielsituation sich entwickeln kann, ist Müller vielen Mit- und Gegenspielern bereits an dieser Stelle voraus. Es folgt, dass er in einem nächsten Schritt sehr gute situationsbedingte Entscheidungen trifft. Das Gesamtpaket Müller macht komplett, dass er zu seiner Schnelligkeit im Kopf Faktoren mitbringt, die die Ausführung seiner Aktionen häufig so erfolgreich macht: Technische Fähigkeiten, die ihm eine große Ballsicherheit und Ruhe unter Druckbedingungen erlauben und kreative, unorthodoxe Ideen.
Hinzu kommt, dass das herausragende Spielverständnis von Müller auch einen starken Teamgedanken beinhaltet. Seine Aktionen führt er immer im Sinne des maximalen Erfolgs aus. Manchmal meint man fast, seinem Gehirn beim Rechnen zusehen zu können, wenn er abwägt, welche Entscheidung in dieser Situation die maximale Erfolgswahrscheinlichkeit – also ein Tor – nach sich zieht. Das bedeutet für ihn dann auch, dass er nicht immer am Ball sein muss, um Teil einer gefährlichen Torchance zu werden. Abgesehen von seinen Schnittstellenpässen, seinem klugen Freilaufverhalten zwischen den Linien (häufig im Halbraum) und seinen Abschlussqualitäten schafft er durch seine Laufwege konsequent Räume für seine Mitspieler.
Müller etablierte sich im Zuge der Geisterspiele während der Corona-Pandemie zum „Coach auf dem Platz“. Doch nicht nur durch seine lautstarken, cleveren Anweisungen dirigiert er seine Mitspieler, auch seine Leistungen auf dem Platz zeichnen ihn in seiner Rolle als absoluten Führungsspieler aus.
*Das Finale der Klub-WM am 11.02.21 war das erste Spiel, das er aufgrund einer Corona-Infektion verpasste.