Vorschau: FC Barcelona – FC Bayern München

Justin Trenner 13.08.2020

Wer deutschsprachige Analysen, Einordnungen und News zum FC Barcelona sucht, ist bei barcawelt.de genau richtig. Wir sprachen vor dem Top-Spiel des Viertelfinals in der UEFA Champions League mit Alex Truica, der als freier Journalist und Chefredakteur bei Barçawelt arbeitet. Alex erzählt uns, warum der FC Barcelona den Trainer in der laufenden Saison wechselte, wie sich Quique Setién geschlagen hat und was er vom Spiel gegen den FC Bayern erwartet.

Miasanrot.de: Barcelona war Tabellenführer, als sie den Trainer wechselten. Aus welchen Gründen musste Valverde seinen Platz auf der Bank räumen?

Alex Truica: Aus vielfältigen. Alles begann mit der Champions-League-Schlappe in Liverpool, nach der man sich eigentlich von Valverde hätte trennen müssen, es warum auch immer aber doch nicht getan hat. Das Team hätte im Sommer einen neuen Trainer, eine neue Ansprache, neue (spielerische wie auch taktische) Impulse benötigt, bekam diese aber nicht. Stattdessen merkte man direkt am Anfang der Saison, dass diese 0:4-Pleite in Anfield tiefe Spuren in der Mannschaft hinterlassen hatte, gerade mental. Barça verlor direkt das Auftaktmatch in Bilbao 0:1 (nach einem Gegentor in der Nachspielzeit), was die Dinge wohl direkt schlimmer gemacht hat. Fortan überzeugte das Team in fast keinem Auswärtsspiel, hatte besonders in Gastspielen schlimmere Auftritte und Resultate – in der Liga und auch in der Champions League in Dortmund und Prag. Die Hinrunde war unter dem Strich nicht gut, gemessen an den Ansprüchen sogar fast schon katastrophal. Der Gedanke an eine Trainerentlassung verfestige sich dann beim 0:0 im Clasico im Dezember, als Barça im Camp Nou mitunter wie das Auswärtsteam wirkte. Da merkten die Verantwortlichen endgültig, dass das mit Valverde als Trainer diese Saison (wohl) nicht erfolgreich enden würde. Bartomeu erklärte nach der Entlassung im Januar nach dem Aus im Halbfinale der Supercopa, man habe gemerkt, dass man „die Dynamik ändern“ müsse und das Team „einen Boost“ benötige. Beides kam aber ein halbes Jahr zu spät.

Quique Setién übernahm seinen Job und gewann (bisher) keinen Titel. Wie bewertest du das halbe Jahr unter ihm und was hat sich vor allem auch in spielerischer Hinsicht verändert?

Verändert hat sich teilweise die Herangehensweise: Barcelona will noch mehr als zuvor schon den Ball haben, will – ganz in klassischer Barça-Manier – mit dem Ball verteidigen und den Gegner mit Ballbesitz und -zirkulation zermürben. Valverde war da konservativer, unter ihm verteidigte Barça auch klassisch ohne Ball, indem man sich situativ zurückzog; Setién ist in dieser Hinsicht radikaler. Auch probierte Setién direkt (s)eine Dreierkette aus, verwarf diese aber schnell. Zuletzt stellte er auf ein 4-3-1-2 mit Raute um, um Messi und Griezmann zusammen besser in zentralen Angriffspositionen einsetzen zu können. Denn gerade Griezmann war auf dem linken Flügel unter Valverde total verschenkt, ein Flügelstürmer ist er nicht mehr. Das hat Setién genauso angepasst wie ein früheres (und besseres) Angriffspressing.

Allerdings erschwerten zwei Dinge seinen Job erheblich: Erstens hatte er überhaupt keine Vorbereitung nach der Amtsübernahme, zweitens musste Barça wegen der Corona-Unterbrechung anschließend die Saison im Dreitagesrhythmus zu Ende spielen. Ein schlecht zusammengestellter, kleiner und überalterter Kader, Müdigkeit und Verletzungen sorgten dafür, dass das Team bspw. das Setiénsche Pressing nicht mehr so umsetzen und durchziehen konnte. Dadurch wurde das ganze Spiel statischer, langsamer, behäbiger, uninspirierter, und somit: langweiliger. Umschaltfußball spielt Barça unter Setién beispielsweise kaum noch. Das ist nicht sein Stil. Mittlerweile sieht man tatsächlich immer weniger Unterschiede zwischen Setién und Valverde.

Die spanischen und deutschen Medien erwarten nun einen extrem starken FC Bayern, der vielleicht sogar in der Favoritenrolle ist. Wie bewertest du die Situation vor dem Spiel?

Wenn man die Leistungen beider Teams im letzten dreiviertel Jahr beobachtet hat, muss man zu dem Schluss kommen, dass Bayern der Favorit ist. Ich habe es ja schon angerissen: Barças Kader ist dünn, das Rückgrat der Mannschaft überaltert und teilweise längst über dem Zenit – wir sprechen da von Suárez, Rakitić, Busquets, Piqué, Alba, auch natürlich von Messi. Barça geht ein schneller, trickreicher Flügelspieler völlig ab, da Dembélé das ganze Jahr über verletzt war. Der einzige ist der 17-jährige Ansu Fati, das alleine spricht ja schon Bände bezüglich der schlechten Kaderplanung. Barça hat nach dem Restart nur in sehr wenigen Spielen überzeugt, zumeist wirkten die Katalanen wie eine ganz normale Mannschaft – die eben on top aber das Genie Messi hat. Über ihn läuft alles, Barcelona ist daher sehr ausrechenbar. Bayern wirkt auf mich als Mannschaft ausgewogener, hat viel mehr Waffen, ist unberechenbarer, vielleicht sogar bissiger und hungriger. Barça ist alt und müde.

Manchmal drängt sich einem der Eindruck auf, Barcelona hätte seine Identität auf dem Platz verloren. Wie stehst du zu dieser These?

Die Identität nicht unbedingt, eher die Leichtigkeit, die Spielfreude, die Inspiration, vielleicht auch das letzte Quäntchen Hunger und Gier und den Glauben an sich selbst. Diese Mannschaft ist in der aktuellen Konstellation über ihrem Zenit und benötigt eine Blutauffrischung und einen Umbruch. Nicht nur die Mannschaft übrigens, sondern der gesamte Verein. 2021 stehen Präsidiumswahlen an, dann stellt sich der Klub neu auf. Dann gibt es den dringend benötigten Umbruch.

Worauf wird es für Barcelona am Freitag besonders ankommen?

Auf Lionel Messi. Wen sonst? Wenn er keinen guten Tag hat oder von Bayern kaltgestellt wird, gibt es für den FC Barcelona keine wirklichen Hoffnungen auf ein Weiterkommen.

Wir bedanken uns recht herzlich bei Alex Truica für das Gespräch.

Eine explizite und zusammenfassende Vorschau auf das Spiel wird es diese Woche nicht geben. Dafür haben wir euch eine Linksammlung erstellt, mit der ihr euch auf das Champions-League-Viertelfinale des FC Bayern vorbereiten könnt.

Barcelona gegen Bayern in der großen Taktikanalyse | Barçawelt | Justin Kraft

In einem Gastbeitrag für Barçawelt haben wir den FC Bayern analysiert und uns dabei jene Aspekte herausgegriffen, die aus unserer Sicht besonders wichtig für das Viertelfinale gegen Barcelona sind.

Barçawelt-Analyse: Reicht Barcelonas individuelle Klasse aus? | Miasanrot.de | von Barçawelt.de

Im Gegenzug hat uns Barçawelt.de den FC Barcelona taktisch seziert und analysiert. Die Katalanen bestehen demnach zwar größtenteils „nur“ aus Lionel Messi, doch gefährlich sind sie für die Bayern allemal.

Pressingfallen werden Bayerns Schlüssel zum Sieg gegen Barcelona | Focus Online | Justin Kraft

Für Focus Online habe ich mir nochmal einen Kernaspekt des Duells herausgegriffen und etwas detaillierter analysiert. In meinem Artikel stelle ich das Pressing der Bayern als Schlüssel zum Sieg heraus – interessanterweise für beide Teams. Denn schafft es Barça, die Bayern hier zu knacken, haben sie gute Chancen auf das Weiterkommen.

Dembélé mit an Board: Das ist Barças Kader für Lissabon | Barçawelt.de

Wer sich nochmal durch den Kader des Gegners lesen will, kann dies ebenfalls auf der Seite von Barçawelt tun.

Griezmann droht Bankplatz gegen FC Bayern | Spox.com

Gegen den FC Bayern könnte Quique Setién auf eine zumindest theoretisch recht defensive Grundausrichtung setzen. Die spanische Zeitung „Sport“ will demnach wissen, dass Antoine Griezmann nicht von Anfang an starten wird und stattdessen ein weiterer zentraler Mittelfeldspieler in die Startelf rückt. Ein 4-4-2 also, um die Bayern zu verhindern, statt selbst zu agieren?

FC Bayern ist Favorit, aber … | Süddeutsche Zeitung | Javier Cáceres, Christopher Gerards und Benedikt Warnbrunn

Im Podcast „Und nun zum Sport“ diskutieren die drei Redakteure der Süddeutschen Zeitung über das Champions-League-Viertelfinale. Relativ einig sind sie sich dabei, dass die Bayern favorisiert sind. Doch reicht das aus? Es gibt einige Bedenken.

Last but not least empfehlen wir euch, auch in unsere aktuelle Podcast-Episode zu hören. In Folge 162 sprechen Chris und ich über die Stärken und Schwächen Barcelonas sowie über die taktischen Grundausrichtungen, die wir von beiden Mannschaften erwarten.


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