Chels Bells: Bayern gewinnt bei Chelsea mit 3:0!
Die Meister. Die Besten. Die Größten. Les grandes équipes. The Champions. Gänsehaut! Diese Hymne, dieser Wettbewerb, die Erinnerungen an viele magische und schwierige Momente. Was für ein Abend würde die Bayern aber diesmal erwarten?
Falls Ihr es verpasst habt:
Gegen den Chelsea Football Club setzte Hansi Flick auf volle Offensivpower: Die Frage nach Kingsley Coman und Leon Goretzka beantwortete der Bayern-Coach mit dem Franzosen. Hinten entschied er sich für Jérôme Boateng statt für Lucas Hernández.
Auf der anderen Seite stellte Frank Lampard dieselbe Elf auf den Rasen, die Tottenham am vergangenen Wochenende mit 2:1 schlug. Die einzige Frage war, wie mutig seine Mannschaft in die Partie gehen würde.
Erste Halbzeit
Schon die ersten zwei Minuten des Spiels deuteten an, worauf es ankommen würde. Ballverlust der Bayern, Kovacic dribbelt an Kimmich vorbei, gute Ausgangssituation für einen Angriff, der aber an der eigenen Genauigkeit scheiterte. Wenige Sekunden später erobern die Bayern den Ball, weil sie Chelseas Doppelsechs perfekt unter Druck setzen. Müller vergibt die daraus resultierende Halbchance.
Neben der Eröffnung über die beiden zentralen Mittelfeldspieler versuchte Chelsea, immer wieder lange Bälle auf Giroud einzustreuen und kam so zu einigen Angriffen. Die beste Möglichkeit der Anfangsphase hatten aber die Gäste: Nach einem Ballverlust Thiagos eroberten die Bayern das Spielgerät zurück. Nach schnellem Umschalten war Coman halbrechts frei durch, verpasste die Führung aber um Zentimeter (12.). Auch Lewandowski wollte der Abschluss wenig später nicht glücken (15.) und so entwickelte sich zunächst eine Partie, in der Chelsea auf die Fehler der Bayern lauerte.
Die kamen auch. Immer wieder waren die Münchner zu nachlässig in ihrem Spiel nach vorn, wodurch sie dem Gegner unnötige Kontersituationen erlaubten. Sie blieben aber trotzdem spielbestimmend mit den besseren Chancen auf ihrer Seite (Lewandowski; 27. Minute, Müller; 29. Minute). Dann nahm die Partie Fahrt auf. Erst scheiterte Chelsea nach einem Neuer-Fehlpass nur knapp (33.), wenig später köpfte Müller an die Latte (35.). Weil auch die letzte größere Chance durch Alonso (40.) ungenutzt blieb, ging es torlos in die Pause.
Zweite Halbzeit
Die zweite Halbzeit begann gleich mal mit einem Traumstart für die Bayern. Erst sah Jorginho wegen Meckerns eine gelbe Karte mit Folgen: Der Taktgeber wird Chelsea im Rückspiel fehlen. Kurz darauf fiel dann das so wichtige Auswärtstor. Nach Balleroberung Thiagos kam Lewandowski halblinks in eine gute Abschlussposition. Statt aber selbst draufzuhalten, sah er den viel besser postierten Gnabry im Zentrum, der seine erste gute Möglichkeit zu nutzen wusste (51.).
Jetzt waren die Bayern nochmal druckvoller als im ersten Durchgang. Chelsea versuchte, schnell zurückzukommen und zwang Neuer zu einem langen Ball. Der brachte jedoch viel Raum auf der linken Seite. Erneut bediente Lewandowski Gnabry, der wieder eiskalt blieb: 2:0 für die Bayern (54.)!
Der fünfmalige Champions-League-Sieger ließ jetzt nicht locker und hielt die Intensität hoch. Lewandowski (56.) und Gnabry (59.) verpassten die nächsten Möglichkeiten auf eine noch höhere Führung. Lampard reagierte und brachte Willian sowie Abraham für Barkley und Giroud (61.). Auch Hansi Flick musste in der 66. Minute das erste Mal wechseln, weil sich Coman wohl am Oberschenkel verletzte. Für den Franzosen kam Coutinho. Die Partie beruhigte sich nun wieder etwas und Lampard nutzte seine letzte Wechseloption für eine Umstellung: Pedro kam für Azpilicueta und Chelsea agierte fortan im 4-3-3.
Doch wen interessiert das schon, wenn man einen Alphonso Davies in der eigenen Mannschaft hat? Der Kanadier tankte sich mit all seiner Technik und Geschwindigkeit links durch alles, was sich ihm entgegen stellte und bediente dann Lewandowski, der seine herausragende Leistung mit einem Tor krönte. 0:3. Die Vorentscheidung? (76.)
Für dieses Spiel auf jeden Fall. Chelsea kam noch mehrmals gefährlich vor das Tor der Gäste, erzielte aber keinen Treffer mehr. Stattdessen flog sogar noch Alonso mit Rot vom Platz (83.). Auch den Bayern gelang es nicht mehr, den Ball im Kasten von Caballero unterzubringen.
So blieb es beim 3:0-Auswärtserfolg der Bayern. Ein Zeichen nach Europa, obwohl es weiter Dinge gibt, die das Trainerteam genau im Blick behalten sollte.
Dinge, die auffielen:
1. Steil-Klatsch – mal geil, mal Quatsch
Die positive Nachricht vorweg: Diesmal gelang es den Bayern, ihre Intensität länger aufrechtzuerhalten als nur eine Halbzeit lang. Auf Champions-League-Niveau zeigten sich aber gerade mit dem Ball einige kleinere Probleme, die es in Zukunft anzupacken gilt. Eines davon liegt in einem Trademark-Spielzug der Flick-Bayern: Dem Steil-Klatsch-Prinzip. Das bedeutet, dass zunächst ein vertikaler Steilpass auf einen Spieler gespielt wird, der den Ball dann mit dem Rücken zur gegnerischen Abwehr in den Zwischenraum klatschen lässt. Auch gegen Chelsea erarbeiteten sich die Bayern dadurch viele gute Chancen, was positiv hervorzuheben ist.
Gerade im ersten Durchgang verschenkten sie aber zu häufig den Ballbesitz, wenn entweder nach dem Steilpass keine gute Klatschoption da war, oder die vorhandene Klatschoption einen anderen Laufweg einschlug, als der Pass anzeigte. Diese Missverständnisse führten zu mehreren gefährlichen Ballverlusten und Bayern kann an diesem Abend von Glück reden, dass Chelsea sie nicht gut genug ausspielte.
Die Bayern zocken in Ballbesitz insgesamt einen Tick zu viel, was letztendlich die Kontrolle zunichte machen kann. Gerade bei einer deutlichen Führung ist es nicht mehr notwendig, das Risiko so hoch zu halten wie es die Bayern zuletzt manchmal getan haben.
2. Mehr Klopp als Pep
Gegen Chelsea taten sie sich zudem schwer damit, aus Ballbesitzphasen heraus gegen einen gut organisierten Gegner Chancen herauszuspielen. Sie haben zwar viel Ballbesitz, erspielen sich ihre besten Möglichkeiten aber in Umschaltsituationen nach Ballgewinnen. Insgesamt erinnert dieser Stil dann doch einen Tick mehr an Jürgen Klopp als an die alten Zeiten mit Pep Guardiola.
Ein Problem ist das aber überhaupt nicht, denn wie die Tore des heutigen Abends zeigen, kann dieser Stil sehr erfolgreich und attraktiv sein. Für die Zukunft wird es trotzdem wichtig sein, in Ballbesitz weitere Fortschritte zu machen und sich zumindest dahingehend wieder dem Pep-Fußball anzunähern. Zu fehleranfällig sind die Bayern noch für Fehlpässe wie jene von Kimmich im zweiten, oder von Neuer im ersten Durchgang. Will Flick in der Champions League so erfolgreich sein wie Klopp, wird er mehr brauchen als ein starkes (Gegen-)Pressing als Spielmacher. Das musste selbst der Liverpool-Coach in seiner Laufbahn erst lernen. Für die Bayern könnte eine Mischung aus beiden Stilen womöglich der richtige Weg sein.
3. Individuelle Klasse + System = Tore
Die Rechnung beim FC Bayern ist eigentlich genauso einfach, wie es die Zwischenüberschrift suggeriert: Schafft ein Trainer es, dieser Offensive eine passende Wegbeschreibung an die Hand zu geben, resultiert das in einem Feuerwerk, wie man es heute gesehen hat. Hinten hatten die Münchner mit Thiago und Davies hervorragende Dirigenten und vorne spielten Lewandowski, Müller und Gnabry es geschickt aus. Gutes Positionsspiel und raumöffnende Laufwege sorgten insbesondere im zweiten Durchgang für eine Durchschlagskraft, die dem FC Bayern das erste Mal seit dem Auswärtsspiel in Istanbul 2018 drei Auswärtstore in einer Champions-League-K.o.-Partie bescherten. Einzelne Spieler herauszuheben, wird dem Kollektiv kaum gerecht, doch gerade für Lewandowski dürfte dieser Abend eine Genugtuung gewesen sein.
4. Einordnung
Am Ende steht ein 0:3-Auswärtserfolg, wie ihn die Bayern in der Champions-League-K.-o.-Phase schon länger nicht mehr erlebt haben. Allein das ist als Zeichen nach Europa sehr wertvoll. Insbesondere Gnabry, Müller, Lewandowski, Davies und Thiago harmonierten auf der linken Spielfeldhälfte großartig miteinander. Mehrfach kombinierten sie sich durch Chelseas Abwehr wie das warme Messer durch die Butter gleitet. Das lag keinesfalls an einem schwachen Gegner. Chelsea machte es im Rahmen der eigenen Möglichkeiten gut, hielt die Räume eng und kam im Prinzip zu ausreichend Ballgewinnen. Der größte Unterschied zu den Bayern war, dass sie an diesem Abend ihre Chancen nicht ausgenutzt haben. Zwei, drei Tore wären auch für Chelsea möglich gewesen, aber vorn fehlte die Genauigkeit.
Und das ist dann auch schon die Kehrseite des Erfolgs bei den Bayern: Hinten bleiben die Münchner anfällig, wenn das Pressing vorne nicht greift. Aber auch die eigenen Ballbesitzphasen gilt es zu optimieren, um unnötige Ballverluste zu vermeiden. Chelsea ist kein Team aus der 1A-Kategorie Europas, wo Mannschaften wie Liverpool, Atlético oder Manchester City wohl mehr aus den Geschenken der Bayern machen würden. Trotzdem ist es insgesamt der nächste Entwicklungschritt für den FCB. Einer, der die guten Ansätze nach und nach in ein funktionierendes System verwandelt. Mit dem 0:3-Auswärtssieg bei Chelsea hat man sich nun womöglich noch mehr Zeit im Wettbewerb verschafft. Zeit, die dabei hilft, auch an den kommenden Gegnern zu wachsen.