Vorschau: Bayer 04 Leverkusen – FC Bayern München
Als Peter Bosz damals in Dortmund entlassen wurde, erntete er viel Kritik für seine Spielphilosophie. Zu stur sei er gewesen. Zu offensiv wär der Stil gewesen, mit dem er die Borussia zu Erfolgen führen wollte. Seine Defensive wurde von Taktikexperten dafür belächelt, dass sie zu sehr auf den Ball achten würde, anstatt das ganze Spielfeld im Blick zu haben. „Ballwatching“ wurde das in Fachkreisen genannt.
So groß das „Hurra“ zunächst war, so krachend und schnell kam die Entlassung. Bosz passte nicht an. Er ließ laufen. In Leverkusen will er nun alles anders machen und unter Beweis stellen, dass er es besser kann. Dass er aus den Fehlern gelernt hat: Defensive Stabilität und weniger Ballverluste sind Ziele, die er sich gesteckt hat.
Bosz ist jemand, der sich wohl selbst irgendwo in Johann Cruyffs Kathedrale verorten würde. Einst holte ihn Jordi Cruyff – Sohn von Johann – nach Tel Aviv. Kurz bevor Vater Cruyff starb, sprach Bosz noch sehr ausführlich mit ihm in Tel Aviv über seine Philosophie und taktische Abläufe. „Eine Woche lang haben wir miteinander gesprochen, aber ich habe eigentlich nur zugehört und dabei so viel gelernt, dass es für die nächsten zehn Jahre reicht.“
Umschalt- und Ballbesitzfußball
Bosz ist auch deshalb eine viel interessantere Persönlichkeit, als viele es in Deutschland vermuten. Seine Akribie, seine Ideen und seine Art, Fußball zu denken, sind besonders. Und hinzu kommt, dass ihm bisher auf zwischenmenschlicher Ebene wenig nachgesagt wurde.
In einem Trainingslager mit Ajax sprach er mal etwas ausführlicher über seine Philosophie – speziell hinsichtlich des Gegenpressings: Fünf Sekunden habe seine Mannschaft Zeit, um das Spielgerät nach Ballverlusten zurückzuerobern. Damit klang er ein bisschen wie Jürgen Klopp. Doch letztendlich ist genau das eine wichtige Komponente eines dominanten Ballbesitzstils.
Auch Guardiola-Mannschaften gehen früh ins Gegenpressing. In Dortmund hatte Bosz jedoch Probleme, das hohe Verteidigen umzusetzen. Vor allem im Umschaltspiel fehlte es der Borussia an Schnelligkeit, Kompaktheit und Aggressivität. Dafür machte sich die insgesamt sehr hohe Positionierung der Spieler in der Offensive bezahlt. Man könnte die Spielidee des Niederländers als Ballbesitzfußball mit hohem Fokus aufs Umschaltspiel bezeichnen.
Volle Offensivpower
Was verrückt klingt, ist erstmal gar nicht so abwegig. Aus längeren Ballbesitzphasen hatte zuletzt auch Leverkusen Probleme, viele hochwertige Chancen zu kreieren. Gegen stark verteidigende Gladbacher kamen sie immerhin auf 22 Abschlüsse, allerdings „nur“ auf 1,24 xG (Expected Goals). Mit 0,24 xG hatte Karim Bellarabi die größte Chance – zum Vergleich: Thiagos Treffer gegen Stuttgart war understat.com 0,09 xG wert. Nach einer Ecke kam Havertz noch zu einer Chance, die mit 0,12 xG bewertet wurde. Der Rest war eher „Kleinvieh“, wenn man so will.
Schon gegen Wolfsburg wollte es die Werkself dann besser machen, kam aber ähnlich behäbig ins Spiel. Viel Ballbesitz, wenig Großchancen. In der zweiten Halbzeit wurde es, auch durch ein Elfmeter-Tor von Havertz beflügelt, endlich besser. Brandt (0,31 xG; 49. Minute), Bellarabi (0,14 xG; 59.) und nochmal Brandt (0,51 xG; 87.), der dann das abschließende 3:0 erzielte, hatten richtig gute Chancen. Die Mannschaft zeigte bereits im zweiten Spiel, dass Bosz vor allem für die talentierten Offensivspieler eine Idee mitgebracht hat.
Brandt und Havertz stellte er in einem 4-1-4-1 (bzw. 4-3-3) als Achter auf, Bellarabi und Bailey bekleideten die offensiven Außenbahnen und Volland agierte als Neun. Geschwindigkeit, technische Fähigkeiten unter Druck und Spielintelligenz – Bosz findet auf diesen Positionen vielleicht sogar Spieler, die besser zu seiner Philosophie passen als damals in Dortmund.
Weniger Ballverluste, mehr Durchschlagskraft, mehr Mut
Zufrieden ist Bosz aber noch lange nicht. „Wir hatten vor allem in der ersten Halbzeit zu viele Ballverluste“, sagte der Niederländer zur Partie in Wolfsburg. Das müsse besser werden. Wolfsburg bekam immer wieder die Möglichkeit, schnell hinter die fünf Offensivspieler zu kommen und dann war Aránguiz als einziger Balancegeber im Mittelfeld häufig überfordert.
Allerdings spielte Wolfsburg seine Konter nicht gut zu Ende. Mehrfach gelang es Leverkusen, den Ball in der Restverteidigung zu erobern, weil der VfL einerseits zu langsam nachschob und andererseits zu ungenau bei den Abspielen war. Der FC Bayern kann solche Situationen besser für sich nutzen.
Es wird spannend, ob Bosz auch gegen den Rekordmeister auf seine offensive Formation setzt. Dann muss die Passquote vor allem in Situationen besser sein, in denen das eigene Mittelfeld zu blank ist. Der Trainer fordert deshalb mehr Mut von seinen Spielern. Was zunächst konträr zum Ziel der Sicherheit klingt, ist schlichtergreifend die Forderung danach, dass jeder an seine Grenze geht und vor Fehlern keine Angst hat. Bosz sieht sie als Teil eines Prozesses.
Wieder mit „Hurra“ ins Verderben?
Doch hat der Trainer aus seiner Zeit in Dortmund einfach nichts gelernt? So kann man das nicht formulieren. Bereits gegen Gladbach und auch in Wolfsburg konnte beobachtet werden, dass Leverkusen sich in einigen Phasen in ein Mittelfeldpressing zurückfallen ließ. Sein Dortmund rannte hingegen oftmals ins offene Messer. Schon jetzt wirkt seine Werkself da klüger und geduldiger.
In beiden Spielen agierte Bayer 04 sehr ruhig und gelassen. Das führte hin und wieder zwar zu längeren Ballbesitzphasen ohne Raumgewinn, doch Bosz weiß, dass er auf die Durchschlagskraft seiner Angreifer vertrauen kann. Irgendwann werden Brandt, Bailey oder auch Havertz einen Geistesblitz haben.
Fakt ist aber auch, dass diese Philosophie Zeit benötigt. In Leverkusen sollte er diese bekommen. Zwar sind die Ansprüche der Werkself ebenfalls hoch, doch in der jüngeren Vergangenheit hielt man im Schnitt lange an Trainern fest. Für Peter Bosz könnte das Engagement in Leverkusen deshalb zum Glücksfall werden. Mal sehen, was er in Cruyffs Kathedrale so erbauen kann und wo Bayer am Ende der Rückrunde noch landet. Zuzutrauen ist dieser Mannschaft einiges.
Bayern wie in Hoffenheim?
Für die Bayern wird es hingegen darauf ankommen, die Leistung des ersten Rückrunden-Spieltags zu wiederholen: Ein griffiges Gegenpressing, gute Kombinationen in die Halbräume und eine starke Torausbeute sind der Schlüssel zum Auswärtssieg. Leverkusen lässt sich vor allem im Spielaufbau gern noch zu Fehlern zwingen. Das kann der amtierende Meister durchaus zu seinen Gunsten nutzen.
Wie gegen Hoffenheim könnte es helfen, lange Bälle zu erzwingen oder Pressingfallen auf den Flügeln zu stellen. Allerdings sollten Mittelfeld und Abwehr etwas besser nachrücken. Bekommen Aránguiz, Havertz und Brandt – sollten sie denn spielen – nämlich den Ball ohne Bedrängnis im Mittelfeld, werden die Münchner schwimmen. Dafür muss man kein Prophet sein.
Kovač wird also an der Balance seiner Mannschaft drehen müssen. Weder zu offensiv, noch zu passiv sollten die Bayern dieses wichtige Auswärtsspiel angehen. In Phasen des Angriffspressings ist die Kompaktheit ebenso von Bedeutung wie in Phasen des Mittelfeld- und Abwehrpressings. Denn eines ist auch klar: Eine Bosz-Mannschaft wird immer Spielphasen mit längeren Ballzirkulationen haben. Dann müssen die Münchner aktiver und aggressiver verteidigen, als sie das gegen Stuttgart taten.
Das Thesen-Duell
Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Justin gewählt. Kurzfristige Änderungen sind bis zum Spieltag noch möglich.
Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 4 : 2,6 Fatbardh
Zwischenstand insgesamt: Justin 72,4 : 65,8 Fatbardh
Justins Tipps
- Torschütze: Robert Lewandowski
- Freie These: Beide Mannschaften treffen.
- Über/Unter 3,5: Über!
- Aufstellung: Ulreich – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Martínez, Goretzka – Müller – Gnabry, Lewandowski, Coman
Fatbardhs Tipps
- Torschütze: Kingsley Coman
- Freie These: Beide Teams treffen in der zweiten Halbzeit.
- Über/Unter 3,5: Über!
- Aufstellung: Ulreich – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Martínez, Goretzka – Müller – Gnabry, Lewandowski, Coman