Sudden Death der Bayern-Frauen gegen Chelsea
Wie hart hatten die Bayern-Frauen um die Chance gekämpft, auch in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge in der Königsklasse antreten zu dürfen. In einem beeindruckenden Schlussspurt erreichten die Bayern-Frauen im Frühjahr noch die Vizemeisterschaft und lösten das Ticket für die Champions League. Wie vor zwei Jahren gegen Twente ist nun schon nach der ersten Runde wieder Schluss. Die Bayern scheiterten, bevor es so richtig losging. Einerseits.
Andererseits: Als man im vergangenen Jahr die dritte Runde bzw. das Viertelfinale erreichte, hatte man es zunächst mit den Hibernian Ladies aus Schottland und anschließend mit dem russischen FK Rossijanka zu tun bekommen, die man in Summe mit 10:1 und 8:0 vom Platz fegte. Erst Paris Saint-Germain zeigte den Bayern deutlich die Grenzen auf.
Wenn es also darum geht, sich in der Champions League mit den Topclubs des Kontinents auf der großen Bühne zu messen, dann hat Bayern sein Topspiel schon gehabt. Viel zu früh eben. Die Spannung bei der Auslosung der nächsten Runde, die Vorfreude auf neue Gegner und Reisen, das Kribbeln vor dem Anpfiff – all das ist nun verpufft und an dessen Stelle tritt Leere und Enttäuschung.
Was das Ausscheiden so bitter macht
Erstens: Das Weiterkommen war zum Greifen nah. Die Bayern lieferten zwei fantastische Spiele ab, dominierten beide Partien, beide Teams spielten nicht ohne Fehler — gerade weil sie eben beide mit ihrer Klasse den Gegner einschränkten — doch die Bayern machten die entscheidenden. Auswärts kassierten sie ein überflüssiges Gegentor und brachten ihre Chancen nicht im Netz unter. Im Rückspiel dominierten sie Chelsea noch klarer — ein Team, das national gerne mal 6:0-Siege im Vollsprint einfährt — und kassierten dennoch aus dem Nichts das unselige Auswärtstor.
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Everything about this was great. From the shot from Magdalena Eriksson to the save from Manuela Zinsberger. pic.twitter.com/RyZEdOsQWX
— Katja Kragelund (@applessquabble) 12. Oktober 2017
@frankirby goal vs Bayern today. #UWCL pic.twitter.com/NJKYBIFGZP
— WoSo Comps (@WoSoComps) 12. Oktober 2017
Als damit alle Hoffnung zu sterben schien, bäumten sich die Bayern noch einmal auf, glichen zunächst aus, gingen dann in Führung und bekamen sogar nochmal sechs Minuten Nachspielzeit samt unglaublicher Chancen auf das notwendige dritte Tor. Eine packende Aufholjagd in den Schlussminuten. Doch die Pisspille ging einfach nicht rein. Und falls doch, zählte es nicht. Da bedarf es schon großer Charakterstärke, wenn man außer Techniken des Anger-Managements und der Erinnerung daran, dass nicht immer alles gerecht zugeht — weder im Fußball noch im sonstigen Leben — etwas Positives mitnehmen wollte aus den Duellen.
Zweitens: ein Ausscheiden Chelseas wäre genauso bitter gewesen. Emma Hayes entwickelte aus einem abstiegsbedrohten Team einen Champion und Doublesieger. Die letzte Saison schloss man hinter Manchester City als Vizemeister ab und die Spring Series* konnte man sogar gewinnen.
(* In England wird derzeit erstmals die Saison im Winterhalbjahr ausgetragen, um sich an die anderen großen Ligen in Europa anzupassen. Zuvor spielte man jeweils innerhalb eines Kalenderjahres den Meister aus. Die Spring Series diente vor der EM als Zwischenwettbewerb, um die Spielerinnen im Rhythmus zu halten.)
Knockout für Earlybirds
Dass zwei so große Clubs so früh im Turnier aufeinandertrafen, ist nicht das eigentliche Problem. Dass es sich um zwei Vizemeister handelt, muss nicht weiter betont werden — schließlich reden wir von der Champions League. Vielmehr stellt der sofortige KO-Modus die Ursache der Tragik dar. Fußball lebt davon, dass auch der Underdog den Favoriten schlagen kann. Je weniger Spielzeit, desto größer die Chance des Underdogs. Das macht den Reiz des DFB-Pokals aus. Jedes Match ein Finale. Was Chelsea und Bayern betrifft, war es ein faires Duell. Was den Quervergleich mit Wolfsburg (schlug Atlético mit 15:2) oder Lyon (14:0 gegen das polnische Medyk Konin) betrifft — not so much… Eine Gruppenphase täte dem Turnier gut.
Kein Wort zur Causa Mark Sampson
Was dem Genuss der Spiele zudem abträglich war: mit keinem Wort erwähnte Sport-1-Kommentator Jan Platte die Affäre des jüngst geschassten England-Trainers Mark Sampson. Wer meint, das Ganze hätte mit der Begegnung in der Champions League nichts zu tun, irrt sich. Mark Sampson wurde zwar mit einiger Verspätung zum Verhängnis, dass er als Trainer an der Bristol Academy die Grenzen zwischen Trainer und Spielerinnen überschritten hatte. Ins Rollen gekommen war die Geschichte allerdings, da Eniola Aluko und Drew Spence öffentlich gemacht hatten, dass Sampson sich wiederholt rassistische Entgleisungen ihnen gegenüber geleistet hatte.
Drew Spence schoss in London das 1:0 gegen Bayern. Hier hätte man wohl mal ein Wort dazu verlieren dürfen. Aluko wurde spät in der Partie eingewechselt. Die von Sampson längst aus der englischen Auswahl verbannte Stürmerin wurde als „englische Nationalspielerin“ angekündigt. Auf ihre Verletzungsmisere ging Platte ein. Über die zerrissenen Loyalitäten, die nicht nur quer durch das englische Team gehen, sondern auch Chelsea im Mark trafen (excuse the pun) erfuhren die Zuschauer nichts. Wer neugierig geworden ist, darf in diesem Suchbild nach bekannten Gesichtern und Namen stöbern.
England women's manager Mark Sampson is set to leave his role after discrimination allegations https://t.co/F1pxVFOFoB pic.twitter.com/PMh4UVWBx8
— BBC Three (@bbcthree) 20. September 2017
Auch Trainerin Emma Hayes war persönlich insofern involviert, als dass sie als potenzielle Nachfolgerin Sampsons gehandelt wurde. Eine konzentrierte Vorbereitung war so empfindlich gestört – wenn nicht fast unmöglich. Eine Geste gegenüber Aluko und Spence von Seiten des Münchner Publikums wäre schön, aber nicht zu erwarten gewesen. Für kommentierende Journalisten liegt die Latte etwas höher.
Achso: Fußball gab’s auch.
Im Rückspiel stellte Wörle sogar auf Viererkette mit Pendelrolle von Demann um. Wie Laudehr gleich vier Positionen (Innenverteidigerin, Außenverteidigerin, Spielgestalterin im Mittelfeld, Angriff) in ihrer Person vereinte, ohne sich zu verzetteln, war einfach nur unfassbar gut. Warum Beerensteyn nicht von Beginn an statt der blass gebliebenen Rolfö spielte, kann ich mir nur durch die guten Halbraumkombinationen mit Faißt und Behringer erklären. Dominika Škorvánková ist eine erstklassige Konterentwicklerin. Wenn sie den ersten Pass nach Ballgewinn bekommt und erst alle Kolleginnen nach vorne eilen müssen, dann geht sie mit dem Ball in die richtigen Räume und trifft einfach extrem gute Entscheidungen.
Wohlsein.