Bayern Frauen holen Deutsche Meisterschaft
Bis dahin waren die Bayern als einziges Team ungeschlagen durch die Saison gegangen und gingen auf Platz 2 ins Rennen. Wolfsburg mit einem Zähler mehr auf Platz 1, Frankfurt mit einem Zähler weniger auf Platz 3. Daher war klar: alle drei Teams hatten Chancen auf den Titel. Die Crux: Titelverteidiger Wolfsburg musste ausgerechnet bei Frankfurt ran, während die Bayern zuhause in der HGK die SGS Essen empfingen. Im Hinspiel hatte es nur für ein 0:0 gereicht. Ein Sieg gegen den Tabellenfünften war alles andere als garantiert und doch notwendig, um sich den zweiten Tabellenplatz und somit die Teilnahme an der Champions League im kommenden Jahr zu sichern. Frankfurt und Wolfsburg hatten dagegen ihr eigenes Hühnchen zu rupfen.
Während Frankfurt souverän ins Finale der Champions League einzog, war Wolfsburg an Paris Saint Germain gescheitert, hatte sich dafür aber im Pokalfinale gegen Potsdam durchgesetzt. Die Ausgangslage für die Liga war demnach: Wolfsburg kann mit einem Sieg das Double perfekt machen. Siegt Bayern, würde aber ein Unentschieden gegen Frankfurt schon nicht mehr für die Meisterschaft reichen. Frankfurt hatte gute Gründe, Wolfsburg zu besiegen, um sich international zu qualifizieren und bei einem Patzer der Bayern selbst noch Meister zu werden. Kleiner Haken: Frankfurt steht am Donnerstag noch ein Champions-League-Finale bevor, was gegebenenfalls die Prioritäten etwas durcheinanderwürfeln könnte. Eine verdammt packende Endspielkonstellation…
Bayern im 3-5-2 – Essen variabel
Im Vergleich zum 0:6-Auswärtssieg zwei Wochen zuvor gegen Herford wechselte Trainer Tom Wörle Melanie Behringer für Dagny Brynjarsdóttir in die Startelf, die vor Spielbeginn zusammen mit der Ersatztorhüterin Katja Schroffenegger verabschiedet wurde. Die Isländerin wird wohl zurück in die USA kehren, während Schroffenegger der Bundesliga erhalten bleibt. Wohin sie wechselt, dürfte der aufnehmende Verein alsbald verkünden.
Wie üblich agierten die Bayern-Frauen mit einer Dreierkette vor Torhüterin Tinja-Riikka Korpela bestehend aus Carina Wenninger im Zentrum flankiert von Raffaella Manieri links und Caroline Abbé rechts. Als Flügelläuferinnen liefen links Gina Lewandowski und rechts Leonie Maier auf. Das zentrale Mittelfeld besetzten defensiv Melanie Behringer auf der Sechs und Melanie Leupolz etwas weiträumiger auf der Acht. Offensiv zog Mana Iwabuchi die feinen Fäden auf der Zehn. Im Sturm teilten sich Vivianne Miedema und Lena Lotzen die Aufgaben und Räume.
Essens Trainer Markus Högner schickte sein Team offensiv zunächst in einer 4-3-3/4-1-2-3-Formation auf’s Feld: Im Tor stand Lisa Weiß, Vanessa Martini und Dominique Janssen bildeten das Innenverteidigerduo flankiert von Irini Ioannidou und Jacqueline Klasen. Ina Lehmann gab zunächst die alleinige Sechs unterstützt in den offensiven Halbräumen durch die Achter Sara Doorsoun-Khajeh sowie Linda Dallmann.
In der offensiven Dreierreihe spielte Madeline Gier zunächst links, Lea Schüller rechts und Charline Hartmann zentral. Defensiv formierte sich Essen eher in einem 4-2-3-1. In den Schlussphasen beider Halbzeiten wechselte Högner zuweilen offensiv in ein 4-4-2, wobei Dallmann und die später eingewechselte Janina Meißner die zweite Spitze neben Hartmann gaben. Defensiv spielte man in diesen Phasen dann eher ein 4-1-4-1. Zwar konnte Essen über die gesamte Spielzeit kaum Zugriff auf Ball oder Gegner bekommen, streute aber immer wieder sehr variable Elemente in die Formation ein. Gerade vertikal pendelten die zentralen Spielerinnen, so dass immer wieder neue Staffelungen und Formationen entstanden. Offensiv schaltete sich Innenverteidigerin Martini immer wieder in den Spielaufbau mit ein, so dass Essen hinten in einer Dreierkette zu finden war, die meist vorne lauernde Hartmann ließ sich ab und an ins Mittelfeld zurückfallen. Gier war in der zweiten Halbzeit von der linken auf die rechte Seite rübergewechselt, bevor sie in der 70. Minute durch Isabel Hochstein abgelöst wurde.
Falls Ihr es verpasst habt:
Die Bayern-Mädels machten von Anpfiff weg das Spiel und erarbeiten sich schnell ein deutliches Übergewicht. So war es Melanie Leupolz, die bereits in der fünften Minute aus dem Rückraum in den Sechzehner starten konnte und per Vollspann zum 1:0-Führungstreffer einnetzte. Den Fluch aus dem torlosen Unentschieden des Hinspiels hatte man also bereits früh in der Partie beendet. Nur wenige Minuten später war es wieder Leupolz, die Vivianne Miedema mit einem Laserschnittstellenpass hervorragend in Szene setzte. Nach etwa zehn Minuten nahmen die Bayern ein wenig Tempo raus, Essen kam durch aggressives Nachsetzen zu einigen Ballgewinnen, und Linda Dallmann aus dem rechten Halbraum außerhalb des Sechzehners zu einem guten Torabschluss. Den Schuss setzte sie aber deutlich über den Querbalken.
Anschließend verflachte die Partie merklich. Der Bayerndefensive unterliefen einige Querschläger, Essen konnte jedoch keinerlei Kapital daraus schlagen. Im Parallelspiel war auch Frankfurt früh in Führung gegangen und aus Bayernsicht hätte man beide Begegnungen getrost an dieser Stelle abpfeifen können. Nach einer guten halben Stunde zogen die Bayern jedoch etwas an, erarbeiteten sich ein massives Übergewicht an Eckbällen und Freistößen wie in der 30. Minute, als Melanie Behringer zentral aus gut 20 Metern den ruhenden Ball in den Strafraum trat. Gegen Jena hatte sie aus ähnlicher Position noch getroffen, diesmal ging der Ball zwar durch die Mauer durch, blieb dort jedoch hängen, konnte dann aber aus der Kurzdistanz von Vivianne Miedema zur souveränen Halbzeitführung von 2:0 über die Linie gedroschen werden. Für Miedema war es das 7. Saisontor, nur Eunice Beckmann (8.) und Katie Stengel (9.) hatten bei den Roten zu diesem Zeitpunkt mehr auf dem Trefferkonto vermerkt. Aus der kurzen Distanz zeigte die Niederländerin die gewohnte Kaltschnäuzigkeit, hätte im Verlaufe der Partie aber noch die ein oder andere Einschussmöglichkeit mehr verbuchen können. Immer wieder profitierte sie von ihren Mitspielerinnen, die sie mit herausragend schönen Pässen gut einsetzten, zeigte dann aber einige Schwächen in der Ballverarbeitung. Das vermeintliche 3:0 Miedemas wurde denn auch wegen Handspiels abgepfiffen.
Anschließend kam Lotzen zu zwei, drei guten Tormöglichkeiten: einem satten Schuss, der von Weiß pariert wurde (33.), einer Kopfballmöglichkeit (36.) und der Gelegenheit, eine lange Hereingabe Manieris aus dem Rückraum per Direktabnahme einzunetzen, doch erwischte sie den Ball hierbei nicht perfekt. Obwohl Essen mittlerweile „mann“-orientiert presste, um die Bayern aufzuhalten, war es kurz vor Abpfiff Iwabuchi, die sich eine schöne Chance herausspielte, bei ihrem Abschluss jedoch nicht genügend Druck hinter den Ball bringen konnte. So ging es mit 2:0 in die Pause. Zwischenfazit: Deutscher Meister.
In Halbzeit zwei versuchten die Bayern, ihren Vorsprung auszubauen, um einen Deckel auf ihren Teil des Herzschlagfinales zu tun. Wieder waren es die Roten, die das Spielgeschehen bestimmten und sich flüssig durch die Reihen der SGS kombinierten. In der 53. Minute verpasste Miedema nach Flanke von rechts das leere Tor. Gut, dass auch Lena Goeßling im Parallelspiel für Wolfsburg auf ähnliche Weise gescheitert war. Kurz drauf war es wieder die Niederländerin, die frei zum Schuss kam, aber nicht genügend Druck in den Schuss legen konnte. Auch Behringer scheiterte mit einem satten Schuss vom linken Strafraumeck an der Essener Torhüterin Weiß. Leonie Maier und Mana Iwabuchi kombinierten sich kurz drauf halbrechts in den Strafraum, doch Maier verzog die Kugel knapp am linken Pfosten vorbei. Wenig später war es wieder Leonie Maier, die satt auf den Kasten draufhielt, das Tor jedoch verfehlte. Auch die vermeintliche Torvorlage — Caro Abbé hatten den Ball vertikal in den Strafraum gespielt und Maier daraufhin quergelegt — misslang. Eine Essener Verteidigerin hatte aufgepasst und zur Ecke geklärt. Essen wirkte insgesamt entnervt und ohne Glauben ans eigene Comeback. Bayern war somit weiter feldüberlegen, streute aber auch viele Fehlpässe und vergebene Chancen ein, was gegen einen stärkeren Gegner auch leicht hätte ins Auge gehen können. Brynjarsdóttir, Leupolz und Lewandowski probierten es nochmal, der Ball wollte aber nicht mehr reingehen.
Ein völlig ungefährdeter Sieg war es trotzdem, die internationalen Plätze damit sicher, doch was der Tag für die Geschichte des FC Bayern Frauenfußballs bringen sollte, war erst quälend lange Minuten nach dem Abpfiff klar. Wolfsburg hatte zwischenzeitlich das 1:1 geschossen und stellte Frankfurt in der zweiten Halbzeit vor massive Probleme, ein Wolfsburger Siegtreffer, der zur Meisterschaft für den VfL gereicht hätte, lag jederzeit in der Luft. Doch im Gegensatz zur Endspieltragik im Jahr 2009 war das Glück diesmal auf der Seite der Münchnerinnen. In Frankfurt blieb es beim Unentschieden. Das reichte. Zum zweiten Male seit 1976 holt der FC Bayern München den Deutschen Meistertitel im Frauenfußball. Ungeschlagen. Als einziges Team mit keiner einzigen Niederlage. Nicht mit dem ganz großen Budget, aber mit einer tollen Teamleistung angeleitet durch den derzeit wohl besten Trainer im deutschen Frauenfußball — und womöglich darüber hinaus.
3 Dinge, die auffielen:
1. Konzentriert und souverän
An diesem Tage konnte die SGS Essen nur phasenweise Druck aufbauen und war über die gesamte Distanz in sämtlichen Belangen unterlegen. Trotz der historischen Chance, Meister zu werden, trotz der zweiwöchigen Spielpause, in der es viel Zeit zum Träumen gegeben hatte, traten die Bayern selbstbewusst und auf den Punkt konzentriert auf den Rasen und waren fest entschlossen, ihren Teil zum Gelingen des Projekts Champions League und ggf. Meisterschaft beizutragen. Man muss dem Trainer und der Mannschaft ein großes Kompliment machen, denn Woche für Woche brachten sie an jedem Spieltag ihre Leistung und erarbeiteten sich so Schritt für Schritt den Erfolg. Dass diese neuzusammengewürfelte Truppe den langen Atem für diesen Weg hatte, ist alles andere als selbstverständlich. Hut ab vor dieser Leistung.
2. Hervorragende Raumaufteilung
An einem solchen Tag fällt es schwer, sich auf die einzelnen fußballerischen Aspekte zu konzentrieren, doch was man neben den ansehnlichen Einzelleistungen hervorheben muss, ist, dass die Bayern in fast allen Situationen eine erstklassige Raumaufteilung auf den Platz brachten. Häufig überluden sie eine Seite, während auf der anderen Flanke einzelne Spielerinnen auf die Zuspiele lauerten. Dass wegen einer gefühlt relativ hohen Fehlpassquote nur wenige Bälle dort ankamen — geschenkt. Bis auf die etwas zähe Phase in der Mitte der ersten Halbzeit waren stets alle Bayernspielerinnen in Bewegung, boten sich für Pässe an, unterstützten die Teamkolleginnen im Gegenpressing, ohne sich zu gehäuft in einzelnen Zonen zu präsentieren. Auch Guardiola hätte sich zuweilen daran erfreut, wieviele Dreiecke und „Diamanten“ man mit Linien zwischen der Bayernelf hätte ziehen können.
3. Leupolz, Lotzen, Iwabuchi: Fußballgötter
Bei dieser Teamleistung verbietet es sich eigentlich, einzelne Akteure herauszuheben, deshalb Lob an alle: Korpela war fasst nie gefordert, hatte den einzigen Schuss aufs Tor aber sicher, Wenninger ordnete die Defensive souverän und streute immer wieder Offensivaktionen ein, Caro Abbé ging weit über das hinaus, was eine Halbverteidigerin in der Dreierkette eigentlich zu leisten hat und bereicherte das Angriffsspiel mit wohlplatzierten Vorlagen, Läufen und Pässen. Kein Wunder, dass Tom Wörle in dieser Saison nicht eine einzige Sekunde auf die Schweizerin verzichten wollte. Raffa Manieri tat, was sie immer tut: spielerisch die kniffligen Situationen in der Defensive lösen und für Ballkontrolle sorgen. Gina Lewandowski hatte ihre Seite fest im Griff und sogar die letzte gute Möglichkeit auf dem Fuß. Leonie Maier zeigte wohl ihre beste Saisonleistung, was sie nicht nur durch ihre vielen Tormöglichkeiten, sondern auch die weiten und intensiven Laufwege unterstrich. Fast unheimlich, welche Präsenz sie von ihrer Seitenlinie aus entfachte. Von Kapitänin Melanie Behringer ist man gar nichts anderes gewöhnt, als dass sie mit Präsenz vor der Abwehr die Offensive mit smarten Pässen versorgt und das ganze Team mit Einsatz und Souveränität antreibt. Miedema hat zwar viele Möglichkeiten vergeben und kann sich in Sachen Ballmitnahme und Ballverarbeitung noch um einige Prozentpunkte steigern, die Gelegenheiten dazu erarbeitet sie sich aber wie keine Zweite. Ganz gewiss hat auch die Bayern-Bank — egal ob eingewechselt oder nicht — ihren Anteil an der Meisterschaft.
Und dennoch lohnt es sich, drei Spielerinnen mit einem Sternchen zu versehen, weil sie das Fußballfanherz höher schlagen lassen. Mana Iwabuchi, Melanie Leupolz und Lena Lotzen beim Fußballspielen zuzuschauen, macht einfach riesigen Spaß. Es bleibt ihr Geheimnis, ob Leupolz auch eine einfache Flanke an die Frau bringen kann. Warum auch, wenn man mit dem Skalpell gleich zwei gegnerische Reihen auseinanderschneiden oder sich per Doppelpass durch die Linien kombinieren kann.
Was Iwabuchi in den engsten Situationen mit dem Ball anstellt, erfordert nicht nur eine grazile Technik, sondern auch enorme Gedankenschnelligkeit. Da kann man als Gegner schon an normalen Tagen nicht gut gegen aussehen. Diesmal hat sie zu allem Überfluss noch eine Reihe an Kopfballduellen für sich entschieden, was zeigt, dass es nicht immer auf die körperliche Überlegenheit, sondern ein gutes Positionsspiel und Timing ankommt. Hoffentlich kann sich der FC Bayern noch lange an der Japanerin erfreuen.
Lena Lotzen hat es geschafft, aus zweifacher langer Verletzung zur packenden Endphase der Saison wieder auf den Punkt fit zu werden und sofort das Leistungsniveau der Mannschaft zu steigern. Im Spiel bleiben eigentlich keine Phasen in Erinnerung, in denen die Partie an ihr vorbeiplätscherte. Weiträumig beschäftigt sie meist gleich mehrere Gegenspielerinnen, frisst sich in die Partie hinein und drückt ihr ihren Stempel auf. Respekt. Bei all dem zeigt sie ein überragendes Auge für die Dynamiken auf dem Platz und ist einfach immer zur Stelle, wo sie gebraucht wird und das Angriffsspiel befeuern kann. Das ist schon eine immens starke Mannschaft, die die Bayern in diesem Jahr zusammenhaben. Nächstes Jahr werden sie die Gejagten sein. Wenn der Kern dieser Truppe zusammengehalten werden kann, die Verletzten zurückkehren, die feststehenden Transfers zünden und noch das ein oder andere Puzzlestück geholt wird — schließlich hat man es im kommenden Jahr mit einer Dreifachbelastung zu tun — dann ist diesem Team, das weiter reifen wird, wieder ein sehr gutes Abschneiden zuzutrauen.
Herzlichen Glückwunsch! Miasanrot gratuliert zur Deutschen Meisterschaft.
FC Bayern – SGS Essen 2:0 (2:0) | |
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FC Bayern München | Korpela – Lewandowski, Manieri, Wenninger, Abbé, Maier – Behringer, Leupolz – Iwabuchi (72. Brynjarsdottir) – Lotzen (79. Stengel), Miedema |
Bank | Zinsberger, Holstad, Beckmann, Gaugigl, Feiersinger |
SGS Essen | Weiß – Ioannidou, Martini, Janssen, Klasen – Lehmann – Doorsoun, Dallmann (51. Meißner) – Gier (70. Hochstein), Schüller (64. Ostermeier), Hartmann |
Bank | Strüngmann, Gidion |
Tore | 1:0 Leupolz (5.), 2:0 Miedema (30.) |
Karten | Gelb: – / Klasen (61.) |
Schiedsrichter | Sina Diekmann (Lobach (Bevern) |
Zuschauer | 5.203 |