FC Bayern München – Borussia Dortmund 1:3 n.E. (1:1/1:0)

Steffen Trenner 29.04.2015

Falls ihr es verpasst habt:

Guardiola überraschte erneut mit seiner Startelf. Mitchell Weiser begann für Mario Götze. Benatia rückte nach Verletzungspause für Dante in die Startelf. Robben wie allgemein erwartet zunächst nur auf der Bank. Neben ihm saß zu Beginn auch Schweinsteiger, der Alonso weichen musste. Bayern begann mit einer sehr breit ausgerichteten Dreierkette mit Rafinha als formellem linken Halbverteidiger. Mitchell Weiser startete auf dem rechten Flügel. Jürgen Klopp verzichtete auf Überraschungen und setzte auf die erwartete Ausrichtung mit dem spielstarken Kagawa hinter den schnellen Angreifern Reus und Aubameyang.

Bayern begann anders als im Auswärtsspiel gegen Dortmund in der Liga extrem balldominant und versuchte von Beginn an die Kontrolle über das Spiel zu übernehmen. Dortmund antwortete mit stark anlaufendem Pressing, um den Spielaufbau zu verkomplizieren und nach frühen Ballgewinnen zu kontern. Bayern war in der Anfangsphase die bessere Mannschaft, erspielte sich allerdings gegen defensiv konsequente Dortmunder zunächst keine echten Torchancen.

Etwas überraschend war es ein lupenreiner Konter der Münchner, der die Führung brachte. Kagawa war bei einem der wenigen vielversprechenden Gegenstöße der Schwarz-Gelben an Benatia hängen geblieben, der sofort den weiten öffnenden Ball auf den am linken Flügel lauernden Lewandowski brachte. Der Pole hatte plötzlich freien Weg zum Tor, lupfte den Ball zunächst an den Pfosten, um ihn kurz danach aus spitzem Winkel doch noch ins Netz zu drücken (30.). Der 26-Jährige hätte mit einem Geistesblitz vor der Pause sogar fast das 2:0 erzielt als er mit einem weiten Heber beinahe BVB-Schlussmann Langerak überlistet hätte.

Nach der Pause im Prinzip das gleiche Bild. Dortmund nun mit etwas mehr Risiko aber mit kaum Chancen aus dem Spiel. Auf der Gegenseite rettete Langerak mehrfach glänzend (Müller, Thiago). Der Australier hatte zudem Glück, dass erneut Lewandowski mit einem Heber nur das Aluminium traf. Warum Schiedsrichter Gagelmann und sein Team bei Müllers anschließendem Nachschussversuch ein klares Handspiel von Schmelzer übersahen, verwunderte.

Nach 68 Minuten brachte Guardiola Robben für den offenbar angeschlagenen Thiago, der einen Pferdekuss kassierte. Direkt danach verlor Bayern seine Linie, wirkte im Spielaufbau weniger klar und baute Dortmund so mit auf. Das 1:1 durch Aubameyang fiel trotzdem wie aus dem Nichts, als Kuba und Mkhitaryan Bayern am Strafraum mit einem Ball in den Rücken der Abwehr aushebelten (75.). Kurz danach musste Robben verletzt runter. Bei ihm besteht der Verdacht auf einen Muskelfaserriss in der Wade. Innerhalb von zehn Minuten drehte sich das komplette Momentum einer Partie, die der FC Bayern zuvor völlig unter Kontrolle hatte. Neuer verhinderte sogar noch mit einer glänzenden Parade gegen Reus den Rückstand (86.).

Erst in der Verlängerung sammelte sich die Guardiola-Elf und erarbeitete sich die Kontrolle über das Spiel zurück. Schweinsteiger hatte zwei herausragende Kopfballmöglichkeiten aus kürzester Distanz, zielte aber ein Mal zu hoch und scheiterte ein weiteres Mal an Langerak. Dortmund war spürbar bedacht, sich ins Elfmeterschießen zu retten, verlor Kampl noch durch eine Gelbrote Karte und hatte erneut sehr, sehr viel Glück, als Gagelmanns Pfeife nach einem harten Foul von Langerak an Lewandowski im Strafraum erneut still blieb. Lewandowski musste sichtlich angeschlagen nach dem Spiel ins Krankenhaus. Eine Gehirnerschütterung könnte auch für ihn das Aus für das Halbfinalhinspiel gegen Barcelona bedeuten.

Das Elfmeterschießen ist dann fast zu absurd, um es angemessen nachzuerzählen. Lahm, Xabi Alonso und Neuer verschossen ihre Elfmeter. Lahm und Alonso rutschten dabei aus. Neuer traf die Latte. Gündogan und Kehl trafen in Netz. Das reichte für Dortmund. Der leise Traum vom erneuten Triple für den FC Bayern ist damit geplatzt.

Die Niederlage war ärgerlich weil vermeidbar. Die Verletzungen von Robben und Lewandowski machen aus dieser ärgerlichen Niederlage einen richtig bitteren Abend. Am Mittwoch-Mittag haben sich die Verletzungen von Robben (Muskelbündelriss in der Wade) und Lewandowski (Kiefer- und Nasenbeinbruch) als noch schwerwiegender als zunächst erwartet heraus gestellt. Bitterer wird es nicht.

Drei Dinge, die auffielen:

1. Bayern pendelt das Dortmunder Pressing aus, aber belohnt sich nicht

Es war die große Stärke der Münchner in den zumeist positiven Duellen gegen Dortmund seit der Saison 2012/2013. Fast immer fand der Rekordmeister einen Weg, das Pressing der Klopp-Elf auszuhebeln. Da waren die langen Diagonalbälle mit Flügelüberladungen unter Heynckes. Die Umstellung auf Dreier- oder Fünferkette sowie deutlich risikoärmeres Spiel in den letzten direkten Duellen unter Guardiola. Auch am Dienstagabend hatte sich der Spanier etwas besonderes überlegt. Die nominelle Dreierkette mit Benatia, Boateng und Rafinha fächerte im tiefen Spielaufbau zu einer Viererkette auf, indem Alonso auf die linke Innenverteidigerposition einpendelte und Rafinha und Benatia das Feld gleichzeitig breit machten. Guardiola muss geahnt haben, dass Klopp es wie im letzten Aufeinandertreffen in München mit einem mannorientierten Pressing gegen Alonso probieren würde. Kagawa war so vor allem für Alonso eingeteilt und sollte gemeinsam mit den ebenfalls stark anlaufenden Reus und Aubameyang den Druck aufs Münchner Aufbauspiel erhöhen. Alonso lockte Kagawa durch das Abkippen in die Kette immer wieder heraus, während sich Reus und Aubameyang vor allem auf Benatia und Boateng konzentrierten. Auf den Flügeln schoben Bernat und Weiser weit vor und banden somit zwei weitere Spieler.

Bayern gelang es so über weite Strecken, in fast jeder Situation einen Spieler freizupendeln. Entweder Rafinha auf dem linken Flügel oder Lahm im Zentrum. Waren auch diese Passwege zugestellt, probierten es Alonso und Boateng meist direkt mit einem langen Ball in den 8er-Raum oder auf die offensiven Flügel. Die typischen Dortmunder Ballgewinne im Pressing blieben in der ersten Stunde bis auf ganz wenige Szenen aus. Auch Neuer wurde zu deutlich weniger langen Bällen gezwungen als in vielen direkten Duellen in der Vergangenheit. Dass der erneut glänzende Thiago zum ersten Mal von Beginn an gegen Dortmund ran durfte und den Zugriff erschwerte, tat sein Übriges. Die Wege zum Bayerntor wurden so für Dortmund weit und beschwerlich auch weil Bayern durch spätere Ballverluste meist genügend Zeit hatte sich wieder zu ordnen. Dortmunds Angriffsbemühungen wirkten über weite Strecken ziemlich hilflos.

Der Plan war also gut und über 60-65 Minuten auch ziemlich perfekt umgesetzt. Dass die Münchner danach für kurze Zeit die Linie verloren und Dortmund für 15-20 Minuten seine Stärken wieder zur Geltung bringen konnte, hatten sich die Münchner vor allem selbst zuzuschreiben. Schon in den Minuten vor dem Ausgleich war spürbar, dass die Konzentration und der Wille, den hohen Aufwand im Auspendeln der Dortmunder aufrechtzuerhalten, nachließ. Die Hereinnahme von Mkhitaryan und leichte Umstellungen bei Dortmund kamen erschwerend hinzu. Auch Guardiolas Wechsel brachten in dieser Phase eher Unruhe herein. Die Gäste gewannen ein paar leichte Bälle, holten Freistöße heraus und trafen mit der bis dato ersten echten Chance im Spiel zum 1:1.

Nach den Auswechslungen von Thiago, Robben und Müller stellte Guardiola auf eine Viererkette um. Das Spiel war danach bis zum Ende der Verlängerung ein offener Schlagabtausch mit insgesamt leichten Vorteilen auf Seiten der Münchner. Gegen Ende fand Bayern zunehmend wieder seinen Faden, aber die totale Kontrolle der ersten 60-65 Minuten war weg. Das war die Grundlage für das zwischenzeitliche Aufbäumen der Dortmunder und letztlich auch für das am Ende entscheidende Elfmeterschießen.

2. Mangelnde Chancenverwertung

Es klingt banal, aber natürlich war auch die mangelnde Chancenverwertung des FC Bayern ein entscheidender Faktor für das Aus im Pokalhalbfinale. 16 Torabschlüsse im Strafraum. Darunter Hochkaräter wie der Lattentreffer von Lewandowski, eine Riesenchance von Thiago, die zwei Kopfballgelegenheiten von Schweinsteiger und zwei elfmeterreife Aktionen waren Beleg für eine im Prinzip gute Offensivleistung der Münchner. Direktes Spiel in Richtung Müller und Lewandowski, Flügelüberladungen durch Bernat und Thiago, Tempodribblings von Weiser – das Offensivspiel war variabel wie vielleicht noch nie gegen Dortmund. Allein die Vollendung und das wohl vorentscheidende 2:0 fehlte.

Ein Lob verdiente sich trotz der Niederlage Mitchell Weiser. Er imponierte bei seinem ersten Auftritt in einem richtig wichtigen Spiel von Anfang an. Die Torvorbereitung am Wochenende gegen Hertha hat offenbar etwas freigesetzt bei dem vielkritisierten 21-Jährigen. Er wirkte mutiger und gleichzeitig klarer in seinen Aktionen als in allen Auftritten zuvor. Acht erfolgreiche Dribblings zählte die Statistik nach 120 Minuten. Ein herausragender Wert. Dazu kamen zwei Torschussvorlagen. Natürlich gelang ihm nicht alles. Pass- und Zweikampfquote (76%/40%) waren verbesserungswürdig. Gegen Ende wirkte er von der Wucht des Spiels überfordert. Trotzdem setzte er ein deutlich sichtbares Ausrufezeichen und wirkte deutlich durchschlagkräftiger als Götze zuletzt. Nicht ausgeschlossen, dass er auch in der Champions League eine Chance bekommt, wenn Robben und Ribéry weiter ausfallen.

3. Benatias Rückkehr macht Mut für Barca

Bei all den Verletzungen im Offensivbereich und zuletzt auch von Holger Badstuber macht die Rückkehr von Medhi Benatia und sein guter Auftritt gegen Dortmund Mut für die anstehenden Duelle gegen Barcelona. Benatia ergänzte sich zum wiederholten Male exzellent mit Boateng und sorgte mit dafür, dass die Münchner jenseits der 10-15 Minuten um den Ausgleich herum defensiv so gut wie nichts zuließen. 65 Prozent seiner Zweikämpfe gewann der Marokkaner. Jerome Boateng sogar 73 Prozent. Zusammen verbuchten sie 13 effektive Klärungen und sieben abgefangene Bälle. Gemeinsam mit Rafinha, der auf ungewohnter Position ebenfalls über weite Strecken überzeugte und Juan Bernat könnte das Innenverteidigerduo den FC Bayern nun in den Duellen mit dem FC Barcelona tragen. Vielleicht muss es das sogar.

Guardiola hat hier trotz der Verletzungssorgen immer noch eine Reihe von Variationsmöglichkeiten und kann fast beliebig zwischen Dreier- und Viererkette hin und her wechseln.

3.1 Der Müllerfluch

Vielleicht sollte man es in ein Handbuch für Bayern- und Nationaltrainer schreiben. Thomas Müller sollte in wichtigen Spielen einfach nicht ausgewechselt werden. Ohne ihn geht immer irgendetwas schief…

FC BAYERN – BORUSSIA DORTMUND 1:3 n.E. (1:1/1:0)
FC Bayern Neuer – Boateng, Benatia, Rafinha – Weiser, Xabi Alonso, Lahm, Bernat – Thiago (68. Robben / 84. Götze) – Müller (76. Schweinsteiger), Lewandowski
Bank Reina, Dante, Rode, Pizarro
BVB Langerak – Durm, Sokratis, Hummels, Schmelzer – Bender (91. Kehl), Gündogan, Kuba (83. Kampl) – Kagawa (70. Mkhitaryan) – Reus, Aubameyang
Bank Alomerovic, Ginter, Subotic, Sahin
Tore 1:0 (29.) Lewandowski, 1:1 (75.) Aubameyang, Elfmeterschießen: 1:2 Gündogan, 1:3 Kehl
Karten Gelb: Rafinha, Xabi Alonso, Benatia / Sokratis, Langerak – Gelbrot: Kampl
Zuschauer  75.000

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