DFL-Report – Fans finanzieren Polizei & Staat
Der Bundesliga Report 2013 ist ebenso wie der ZIS-Jahresbericht Fußball 2011 / 2012 Grundlage des nachfolgenden Artikels. An einigen Stellen sind Vergleiche angestellt worden. Die Links führen meist zu Quellen oder weiteren Daten.
Der Fußball als bedeutender Steuerzahler
Die Bundesliga bzw. der Lizenzfußball sind mit fast 800 Millionen Euro ein bedeutender Steuerzahler. In den vergangenen vier Jahren, so gibt der Bericht an, floss sogar die Summe von 2,9 Milliarden Euro. Man stellt fest:
Nahezu 800 Millionen Euro an Steuern und Abgaben flossen in der Saison 2011/12 von den 36 Proficlubs in die deutsche Staatskasse. […] Allein die personenbezogenen Lohnsteuern addierten sich 2011/12 auf gut 414 Millionen Euro und machten mehr als die Hälfte der Steuern und Abgaben aus.
Bedeutet: die Vereine zahlen eine hohe Summe personenbezogene Steuer (z.B. Lohnsteuer), dazu noch 447 Mio. Euro betriebliche Abgaben (Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, etc.) und kommen damit (abzüglich 192 Mio. Euro Vorsteuer, welche die Investitionsbereitschaft aufzeigt) auf 797.060.950 Euro. Das ist mal eine mächtige Summe die in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird.
Dieser Betrag entspricht im Bundeshaushalt 2013 in etwa den Ausgaben für:
- die Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland,
- die Beschaffung des Großraumtransportflugzeuges A400M,
- oder vier Mal so viel wie für nachhaltige Forschung und Innovation in der Landwirtschaft
- und könnte den Deutschen Bundestag (mit 731 Mio. Euro Kosten) finanzieren
Die Steuern und Abgaben stiegen im Vergleich zur Vorsaison um 10,9%.
Fans für hohe Einnahmen verantwortlich
In der Betrachtung der Fans wird meist ein Aspekt vergessen oder zu wenig erwähnt: die deutschen Fußballfans haben großen Anteil an den Einnahmen der Bundesligavereine.
Gesamteinnahmen (in Mio. €) | 2.081 | |
---|---|---|
Spiel | 21,18% | 440 |
Merchandising | 4,51% | 93 |
Werbung | 26,58% | 553 |
Medien | 26,24% | 546 |
Sonstiges | 11,42% | 238 |
Transfer | 10,08% | 210 |
Die in der Tabelle zuerst aufgeführten Posten müssen betrachtet werden. Sowohl die Einnahmen aus Spieltagserlösen (Ticketkauf) und Merchandising (Fanshops etc.) können direkt auf den Willen der Fans, Geld für den Fußball ausgeben zu wollen, zurückgeführt werden. Von den insgesamt über 2 Milliarden Euro Einnahmen werden ein Viertel in erster Linie und direkt von den Fans bezahlt. Aus dem Punkt »Sonstiges« wohl auch das Catering. Außerdem könnte man wohl die These aufstellen, dass Werbung nur mit Zuschauern funktioniert. Die wirtschaftliche und allgemeine Attraktivität des deutschen Fußballs stützt sich auf den Fan als tragende Säule.
Leider kommt die Bedeutung der 18.8 Millionen Stadiongänger oft zu kurz. Pro Personen werden Einnahmen in Höhe von etwa 110€ erzielt.
Sicherheitseuro
Am 04. Dezember 2012 ging die Meldung vom »Sicherheitseuro« durch die Presse. Volker Bouffier, Ministerpräsident von Hessen, wollte einen Euro auf Ticketpreise aufschlagen, damit die Polizeiarbeit finanzieren und Geld in die Gewaltprävention fließen lassen. 13 Millionen Euro sollten dadurch neu verteilt werden können, also ein Euro pro Besucher der 1. Bundesliga (13.56 Mio. Zuschauer).
Der deutsche Lizenzfußball zahlte in der letzten Saison 797 Millionen Euro Steuern. Anstatt diese Summe um 1,6% zu erhöhen, könnte man doch lieber versuchen fast 800 Millionen Euro sinnvoller zu verteilen bzw. mehr von den Einnahmen wieder an Ort und Stelle zurückfließen zu lassen. Besonders Gewaltprävention könnte ein stärkeres Projekt vom Bund sein und hier würden sich Vereine, soziale Einrichtung und – ganz allgemein – die Jugendarbeit der Städte und Gemeinden sicher über jeden Euro freuen.
Polizeiarbeit im Fußball
Ohne Frage ist die Arbeit der Polizei in und um das Stadion wichtig. Niemand kann Gewalt oder mit unseren Gesetzten nicht zu vereinbarende Aktivitäten gutheißen. Leider wurde in der Vergangenheit von beiden Seiten – Fans & Polizei – viel diskutiert, provoziert und oft fehlte die konstruktive Debatte. Jede Gewalttat und jeder verletzte Stadionbesucher ist einer zu viel, aber nach zahlreichen Vorschlägen mangelt es an Kompromissen und Lösungsansätzen. Von umgesetzten Verbesserungen ganz zu schweigen.
Die vielzitierte Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) betrachtet in ihrem Jahresbericht die 1., 2. und 3. Liga. Insgesamt nimmt man 757 Fußballspiele als Datenbasis. Nach Veröffentlichung der offiziellen DFL-Daten möchte ich im folgenden einige Vergleiche anstellen.
Nach 17.374.518 Zuschauern während der Saison 2010/11 verzeichnet die Liga nun 18.815.613 Besucher und steigert sich damit um 8.29%. Leider stieg die Anzahl sogenannter Kategorie B und C Fans (gewaltgeneigt und gewaltsuchend) um 17.43% und ist richtigerweise auf die Zusammensetzungen der Spiele (speziell in der 2. Bundesliga) zurückzuführen.
Die Polizei muss (umgerechnet von Arbeitsstunden auf Vollzeitverwendung) 1.449 Beamte hauptamtlich für den Fußball einsetzen. Einige weitere Fakten sind recht interessant und bisher wenig betrachtet:
- In der 1. Bundesliga sind die durchschnittlichen Arbeitsstunden pro Spiel von Polizei um 11.72% gestiegen. Bei der Bundespolizei um 23.74%. Es fanden 7 Spielen weniger als in der vorherigen Periode statt.
- +92.7% – Die Länderpolizeien verzeichnen einen extremen Anstieg an Arbeitsstunden im Bereich von UEFA-Clubwettbewerben. Allein der DFB Pokalwettbewerb weißt mit +103.51% einen noch höheren Anstieg des Arbeitsaufwandes im Vergleich zum Vorjahr (Durchschnitt). Mehr Spiele, mehr Einsätze.
- In den Regionalligen verringerte sich der Aufwand der Polizei um 1.02%
- Die Arbeitsstunden (Durchschnitt) bei Länderspielen sind mit 1.944 in etwa im Bereich von Ligabetrieb (1.755) und DFB-Pokal (1.981) angesiedelt
Steuereinnahmen und Polizeiausgaben – zweischneidiges Schwert
Nach dem Studium der Zahlen im DFL-Report möchte ich einige Thesen in Zusammenhang mit den Kosten der Polizeiarbeit aufstellen. Mich würde es freuen, wenn wir diese Diskussion in den Kommentaren weiterführen könnten, um mehr ins Detail zu gehen oder eventuelle Fehler auszuräumen.
Die Polizei leistete 1.884.525 Einsatzstunden (Kräfte der Länder + Bundespolizei) und stellte damit 1.449 Beamte zum Dienst rund um das Thema Fußball ab. Damit sorgen im Verhältnis 0,08% Beamte in Vollzeit für den Schutz aller Stadionbesucher während der Vorsaison. Auf jeden Beamten kommen 1.300 Fans. Ein großes Lob für diese Quote, denn hier hätte ich ehrlich gesagt wesentlich mehr Polizisten erwartet. Mit den gleichen Daten kann man auch die Arbeitszeit pro Besucher festlegen: 0,1h, also 6 Minuten.
Möchten wir nun die Kosten dieser Polizeiarbeit betrachten, kommen wir schnell zu einem Informationsproblem. Zwar liest man hier und da von Zahlen (wie 1.1 Mio. Euro pro Wochenende in der 1. Bundesliga), aber genaue Angaben gibt es nicht. Versucht man eine Vermutung anzustellen, so trifft man auf folgende Probleme: welche Dienstgrade (und damit Besoldungsgruppen) werden eingesetzt, welche Material- und Reisekosten liegen vor und welchen Aufwand bewältigt man in der Bearbeitung von eingeleiteten Verfahren.
Obwohl man in Dokumentationen durchaus von jungen, sich noch in der Ausbildung befindenden Beamten hört, möchte ich auf Basis der Personalkosten-Stundensätze einen Wert von 50€ / Stunde an Vollkosten annehmen um die erwähnten Problemstellungen zu berücksichtigen.
Saison | Arbeitsstunden | Kosten |
---|---|---|
2010/11 | 1.562.242 | 78.112.100 € |
2011/12 | 1.884.525 | 94.226.250 € |
Mit etwa 20% mehr Arbeitsstunden steigen gleichermaßen die Kosten für die Polizeieinsätze. Ohne Frage: der Anstieg ist höher als der Zuschauerzuwachs und übersteigt auch die zusätzlichen Steuereinnahmen (+ 10,9% zur Vorsaison).
Dennoch entsprechen diese Kosten gerade einmal 11.82% der Abgaben, welche die Vereine und auch Zuschauer zu leisten haben!
Allein die Umsatzsteuer ist mehr als vier Mal so groß. Wer eine Säule aus den Einnahmen der Fans bildet, sollte wohl bereit sein für deren Sicherheit wieder zu investieren. Ein »Sicherheitseuro« könnte den Kostenanstieg zwischen den letzten beiden Spielzeiten wohl abfangen (und deswegen glaube ich auch an meine Kalkulation), ist aber nichts weiter als ein herumexperimentieren mit den Ergebnissen und ein Hin- und Herschieben von Geld. Die Probleme werden damit nicht angegangen. Der Fußball leistet bereits immens hohe Abgaben an den Staat. Von zusätzlicher »Last für den Steuerzahler« kann also nicht gesprochen werden. Die Konsumenten des Ballsports (egal ob im Stadion oder Zuhause) finanzieren die Ausgaben der öffentlichen Hand und sorgen für Gewinne!
Der Fußball ist für Deutschland kein Minusgeschäft, sondern eine sprudelnde Geldquelle. Die Daten lösen dennoch keine Probleme, sondern schaukeln die hitzige Debatte wohl noch weiter auf. Es ist durchaus sinnvoll die Polizeikosten ins Verhältnis zu den Steuereinnahmen zu setzen und ein Bewusstsein zu schaffen, dass 6 Minuten pro Besucher alles andere als ein gigantischer Wert ist, aber nun muss man an Lösungen arbeiten. Im Aktuellen Sportstudio wurde bereits angesprochen wie mehr Polizei zu einer aggressiveren Stimmung führen kann, statt zu beruhigen. Mit dem im Dezember beschlossenen DFL-Papier hat man in Richtung Prävention gesteuert, sollte dies aber noch verstärken. Es ist nicht sinnvoll über gestiegene Kosten zu philosophieren und diese einfach wieder auf die Stadionbesucher umzulegen. Damit begibt man sich in einen Teufelskreis der – denkt man diesen Ansatz weiter – zu jährlich steigenden Ticketpreisen führen würde. Frei nach dem Ansatz: viel hilft viel, erhöht man Polizeikontingente und die Kosten immer weiter. Leidtragende sind die Fans und es ist fraglich, ob man das »Gewaltproblem« damit lösen würde. Höchstwahrscheinlich nicht.
Außerdem sollte man bei allen Ideen rund um die Beteiligung der Vereine an den Kosten anführen, wie hoch die Abgaben bereits sind. Im Report (Seite 17) wird aufgeschlüsselt wie viele Euro zum Beispiel die Lohnsteuer aufweist. Hier möchte ich unseren Präsidenten zitieren:
»Unsere Spieler kicken schon jetzt eine Halbzeit fürs Finanzamt«
– Uli Hoeneß bei Günther Jauch
Fazit
Der etwas detailliertere Blick in den Bundesliga Report 2013 und das ZIS Papier sind äußerst spannend und jedem interessierten Fußballfan zu empfehlen. Ob in Zeitungen oder Fernsehen, überall werden Zahlen in den Raum geworfen. Hier sollte zuerst jeder einen eigenen Überblick gewinnen.
Mir persönlich sind drei Punkte bewusster geworden:
- 1) Die Polizei leistet eine schier unglaubliche Anzahl an Arbeitsstunden die aber erst ein schlüssiges Bild ergibt, wenn man sie in Relation zu den Besuchern setzt. Die oft verwendeten Vergleiche mit dem Oktoberfest muss man nicht ziehen. Außerdem könnte die Informationslage wesentlich besser sein. Was wird wirklich in und um das Stadion für den Einsatz von Beamten ausgegeben und wie stark ist der Steuerzahler damit belastet? Erst dann können alle Beteiligten vernünftig argumentieren. 94 Millionen Euro sind viel Geld, aber was kosten Staatsbesuche, andere Großveranstaltungen und Polizeieinsätze zum Beispiel beim Schutz von Gefahrgut? Wir betrachten eine ganze Saison und keinen einzelnen Tag.
- 2) Der Bund erhält ein gutes Stück vom Kuchen »Bundesliga« und den Erfolgen der Vereine als Steuern in die eigene Kasse. Fast 800 Millionen Euro sind eine riesige Summe und diese – der Ausblick der DFL ist weiterhin positiv – wird in den kommenden Jahren noch steigen. Sollte der Bund nicht bereit sein mehr zu investieren?
- 3) Vereine und Fans sorgen für 2.08 Milliarden Euro Einnahmen im Fußballgeschäft. Ein Viertel davon allein durch Tickets und Merchandise der Fans und Stadionbesucher. Sie sorgen gleichzeitig für die Attraktivität und das hohe Ansehen im internationalen Vergleich. Das kann man mit Zahlen beweisen.
In der deutschen Fußballdebatte muss mit mehr Transparenz argumentiert werden. Ja, es gibt Probleme und diese gilt es zu lösen. Nein, nicht alles ist schlecht oder gefährlich. Besonders die gemäßigten Kräfte (dazu zähle ich auch uns Blogger) können sich solchen Aufgaben annehmen und damit zum Beispiel Fanclubs unterstützen. Trotz einiger Störer gibt es nicht Fans und »Fans«, aber viele Menschen die keine gemeinsame Vertretung ihrer Interessen betreiben. Der Blick auf die offiziellen Zahlen muss gemacht werden und mich wundert der Mangel an Artikeln darüber.