Vorschau: FC Schalke 04 – FC Bayern München

Justin Trenner 23.01.2021

Das Hinspiel dürfte allen noch in Erinnerung geblieben sein. Schalke trat mit dem Hoffnungsschimmer an, dass in München vielleicht die Sattheit nach dem großen Triple noch vorherrschen würde. Der Hunger des Rekordmeisters überrollte die Knappen dann aber achtfach.

Während es für die Gäste der Auftakt in eine bisher katastrophale Saison war, bemerkten die Bayern ziemlich schnell, dass sie es in den folgenden Partien nicht mehr so einfach haben würden. Nach 16 weiteren Bundesliga-Spieltagen stehen sich beide Mannschaften nun wieder gegenüber.

Die große Frage ist, ob sich an der Situation etwas geändert hat. Schalke hat Manuel Baum im Dezember entlassen und nach der Übergangslösung Stevens mit Christian Gross einen Trainer präsentiert, der keine allzu erfolgreiche Vita vorweisen kann. Es ist das Duell zwischen dem Tabellenführer und dem Tabellenletzten. Auf dem Papier ist die Antwort auf die Frage also klar: Schalkes Mission wird voraussichtlich erst am nächsten Spieltag beginnen.

FC Schalke 04: Der Weg in die zweite Liga?

Der Weg dorthin ist extrem weit. Auch wenn sich in Gelsenkirchen zumindest einige Strohhalme gefunden haben, an die es sich zu klammern lohnt, so wirkt dieses Team aktuell schlicht nicht reif für die Bundesliga. Nahezu auf allen Positionen fehlt die Qualität. Wobei die Frage erlaubt ist, ob es nicht viel mehr daran liegt, dass die vorhandene Qualität nicht zusammenpasst.

Auf Schalke hatten die Trainer in den letzten Jahren ein großes Problem damit, die Einzelteile zu einem guten Mannschaftsgefüge zusammenzusetzen. Selbst Domenico Tedesco, der ein hervorragendes erstes Jahr mit Königsblau hinlegte, bekam im darauffolgenden Sommer nur wenig Mitspracherecht, was die Kaderplanung anging. Stattdessen fehlten seinem Kader Spielertypen, mit denen er eine Entwicklung in Ballbesitz vorantreiben konnte.

Seit März 2019 ist Jochen Schneider als Sportvorstand bei Schalke aktiv. Zuvor versuchte sich der in München bestens bekannte Michael Reschke als technischer Direktor an der Aufgabe. Keiner von ihnen war bisher erfolgreich. Und so ist es längst kein Geheimnis mehr, dass es nicht an einzelnen Personen liegen kann. Trainer, Sportvorstand, Kaderplaner, Geldgeber, weitere Vorstände, die ganze hochkomplexe Geschichte mit Tönnies – wenn der Kader ein Haufen von Einzelteilen ist, die nicht zusammen passen, so dürfte er wohl ein Spiegelbild dessen sein, was ganz oben im Klub passiert.

Die Unsicherheit ist überall zu spüren

Eine Geschichte, die viel zu groß ist, um sie in einem Bayern-Blog abschließend oder auch nur annähernd angemessen zu beleuchten. Aber auch eine, die insofern interessant ist, weil mit Schalke der nächste historische Konkurrent des Rekordmeisters den Weg in die zweite Liga anzutreten scheint.

Aus dieser Perspektive heraus erscheint es fast schon absurd, Schalkes taktische Probleme zu analysieren. Zumal allein dieser Teilbereich schon eine mehrseitige Analyse abverlangen würde. Dem Team ist auf allen Ebenen anzumerken, dass Selbstvertrauen und Mut fehlen. In Ballbesitz scheint es keine klaren Abläufe zu geben und erst recht keine Spieler, die den Ball mal fordern und dann halten können.

Stattdessen verlieren die Schalker sehr schnell den Ball in Situationen, die eher in einem Pinball Flipper zu erwarten wären und nicht auf einem Fußballplatz. Wenn mit dem Ball schon Chaos entsteht, ist es gegen den Ball und in den Umschaltmomenten umso schwerer, geordnet in die Zweikämpfe zu kommen. Passivität und im Gegensatz stehende individuelle Entscheidungen prägen die Verteidigungsarbeit.

Kleine Hoffnungsschimmer

Christian Gross und seinem Team bleibt aber nichts anderes übrig, als diese Probleme immer wieder anzusprechen und sie in Videoanalysen zu visualisieren. Selbst für ein Team wie Schalke gibt es im Moment zu wenig Zeit, um diese Abläufe im Training entscheidend verbessern zu können.

Für die Partie gegen Bayern wird sich Schalke an dem orientieren, was Kiel, Freiburg und Augsburg gemacht und probiert haben: Kompakt verteidigen und bei Ballgewinnen mit wenigen Kontakten hinter die hochstehende Kette der Bayern kommen.

Ein bisschen Hoffnung machen die letzten drei Partien gegen Hoffenheim (4:0-Sieg), Frankfurt (1:3-Niederlage) und Köln (1:2-Niederlage). Doch warum eigentlich? Letztlich ist die Bilanz der Schalker auch unter Gross nach wie vor schlecht.

Fünferkette gegen Bayern?

Schalke hat unter dem neuen Trainer aber immerhin gezeigt, dass sie offensiv eine gewisse Qualität nach Ballgewinnen mitbringen können. Zwar fehlt es da an Konstanz und Mustern, um dem zu viel Bedeutung beizumessen, aber die sechs Tore wurden fast alle gut und mit Tempo nach Pressingerfolgen herausgespielt.

Darauf wird es gegen die Bayern ankommen. Wenn Schalke sich mit einer Vierer- oder gar Fünferkette hinten reinstellt und darauf wartet, dass der Gegner einen Fehler macht, werden sie unter die Räder kommen. Goretzka, Müller und Kimmich sind allesamt mit ihren Läufen und Pässen in der Lage eine passive Verteidigung (wie beispielsweise Augsburg in der ersten Halbzeit) auseinander zu ziehen.

Schalke braucht deshalb eine Idee, die im Mittelfeld Druck erzeugt, ohne aber hinten die Schnittstellen zu sehr zu öffnen – ein möglichst stabiles Mittelfeldpressing. In der Sky-Show „Matchplan“ plädierte André Schubert deshalb für ein 5-4-1-System, das den Innenverteidigern ermöglicht, situativ aus der Kette heraus zu rücken und zwischen den Linien aufzuräumen. Außerdem können bei Umschaltsituationen drei Spieler in der Offensive das Tempo aufnehmen und in die Tiefe gehen. Vor dem Hintergrund, dass Schalke unter Gross bisher darauf aus war, in Kontersituationen zu kommen, wirkt auch der Transfer von Klaas-Jan Huntelaar eher wieder wie ein planloser Notfalltransfer. Es ist zwar schwer genug, ohne Geld Transfers zu machen, aber ob Huntelaar den Schalkern ohne Systemumstellung weiterhelfen kann, bleibt abzuwarten.

Pflichtaufgabe für die Bayern

Schuberts Vorschlag erscheint im Moment aber als eine gute Lösung gegen eine Mannschaft wie Bayern, weil es mehr darauf ankommen wird, in der eigenen Hälfte viele Spieler hinter den Ball zu kriegen – gerade wenn einem immer wieder leichte Fehler unterlaufen. In den kommenden Wochen wird es für das Trainerteam der Schalker aber darum gehen, irgendwie eine Art taktisches Gerüst zu entwickeln, an dem sich die unsicheren Spieler hochziehen können.

Für Gross ist das womöglich die Herausforderung seiner bisherigen Karriere – und vielleicht sogar ein Ding der Unmöglichkeit. Es deutet im Moment mehr darauf hin, dass Schalke in die zweite Liga geht als dass sie sich nochmal stabilisieren können.

Bayern, so viel steht fest, muss am Wochenende vor allem auf sich schauen. Wenn die Mannschaft von Hansi Flick den Druck aus den beiden ersten Halbzeiten gegen Freiburg und Augsburg auf den Platz bringen kann, wird Schalke von selbst ins Straucheln kommen. Wichtig wird es vor allem mit Blick auf die zweiten Halbzeiten zuletzt sein, dass man die Partie möglichst schnell für sich entscheiden kann.

Nachdem Flick zuletzt zweimal auf eine recht ähnliche Startelf setzte, darf man gespannt sein, ob er gegen Schalke dabei bleibt, oder ob er – wie mehrfach in der Hinrunde – mehr rotiert. So oder so: Ein Sieg bei Schalke 04 ist in dieser Saison eine Pflichtaufgabe.

Mehr zu den Bayern gibt es in unserer aktuellen Podcast-Folge.