Vorschau: Borussia Mönchengladbach – FC Bayern München

Justin Trenner 07.01.2021

Eigentlich sind es also nur drei Auswärtssiege nach 90 Minuten aus den letzten 14 Anläufen. Borussia Mönchengladbach ist dementsprechend seit mehreren Jahren das, was der Volksmund unter „Angstgegner“ versteht. Doch warum ist das so?

Zumindest korreliert mit diesem Zeitraum ziemlich genau die Ära von Max Eberl, der seit 2005 als Nachwuchskoordinator in Gladbach tätig war und 2008 die Teilverantwortung für die Suche nach einem neuen Trainer übernahm. Fortan wuchs seine Bedeutung für den Klub stetig an und mit ihm tat es auch der sportliche Stellenwert der Borussia, die heute wieder zu den besten Klubs des Landes zählt.

Zugegeben: Linear verlief der Aufstieg nicht, aber wer würde dieser Tage noch in Frage stellen, dass Eberl Großes erreicht hat? Ein wichtiges Erfolgsrezept ist es, dass er ein gutes Händchen für Neuzugänge hat – in jeglicher Hinsicht. Einerseits betrifft das die Spieler, andererseits aber auch die Trainer. Eberl hat eine Vorstellung von Fußball in Gladbach etabliert, die sich im Laufe der Jahre mit ihm und dem Klub mitentwickelt hat.

Gladbach gegen Bayern: Offensivspektakel?

Dabei geht er oft innovative und mutige Wege – weil er es muss. Gladbach ist immer noch dabei, sich im oberen Drittel der Tabelle festzusetzen und zu etablieren. Seit 2012 wurden sie immer mindestens Neunter, fünfmal schafften sie es sogar in die Top 5.

Ein durchaus mutiger Weg war es auch, mit Marco Rose, René Marić und Alexander Zickler ein Trainerteam zu engagieren, das in Salzburg zwar sehr erfolgreich war, das aber keinesfalls eine Erfolgsgarantie mitbrachte. Zumal Hecking zuvor nach zwei neunten Plätzen einen guten fünften Platz liefern konnte. Bisher geben dem Sportdirektor aber nicht nur die Ergebnisse recht.

Rose, Marić und Zickler haben den Gladbacher Fußball wiederbelebt und modernisiert. Sie stehen für Vertikalität, Tempo und eine starke Offensive. Wie Hansi Flick es treffend auf der Pressekonferenz sagte:

Die Erfolge gegen Hochkaräter in der Champions-League-Gruppenphase waren beeindruckend. Das ist ihr Spiel, sie spielen mutig nach vorn und haben im letzten Drittel Tempo und gute Automatismen. Sie machen dem Gegner die Räume sehr eng. Von daher sehe ich eine gute Entwicklung. Die Art und Weise, wie sie Fußball spielen, sagt mir sehr zu.Hansi Flick auf der Pressekonferenz vor dem Gladbach-Spiel

Gladbach bringt alles mit

Enge Räume, Mut nach vorn, Tempo und gute Automatismen im letzten Drittel – all das war es, was den Bayern zuletzt zusetzen konnte und Gladbach bringt das auf hohem Niveau mit. Es wird für die Münchner deshalb ein echter Härtetest. Wie wirkungsvoll war die kurze Weihnachtspause wirklich?

Doch auch Gladbach hatte vor dem Jahreswechsel einige Probleme. Im Dezember gab es aus sieben Pflichtspielen nur einen Sieg – im Pokal gegen den SV Elversberg. Zu den Niederlagen gegen Inter Mailand (2:3), Real Madrid (0:2) und Hoffenheim (1:2) gesellten sich aus Gladbacher Perspektive unweihnachtliche Unentschieden gegen Freiburg (2:2), Hertha (1:1) und Frankfurt (3:3).

Dass die Borussia also schlagbar ist, ist ein offenes Geheimnis. Und doch verkörpert sie in ihren Anlagen all das, was den Bayern im Moment Sorge bereiten sollte. Schon 2019 bekam Hansi Flick das zu spüren, als sein Team in letzter Minute mit 1:2 verlor.

Erinnerungen an 2019

Damals begannen die Gladbacher mit einer Mittelfeldraute. Eine Ausrichtung, die nach den Angaben von Marić von den Bewegungen von Thomas Müller, Thiago und vor allem vom Rechtsverteidiger Joshua Kimmich auseinandergespielt wurde. Bayern war das spielbestimmende Team, ging kurz nach der Pause sogar in Führung.

Doch dann kam Gladbach ins Spiel. Sie wechselten von der Raute auf ein breiter ausgerichtetes 4-2-3-1 und bekamen die Bayern so in den Griff. Ob das 2:1 letztendlich verdient war, ist eine philosophische Frage, aber der Ausgleich war es allemal.

Warum nun die Erinnerung an diesen für die Bayern so unschönen Abend? Weil sie für die kommende Partie aus zweierlei Gründen relevant werden könnte.

Holt Gladbach die Raute nochmal heraus?

Zunächst ist da die auf Gladbacher Seite gescheiterte Raute, die aufgrund einer gut vorbereiteten Bayern-Mannschaft nicht funktionierte. Gerade Kimmich war damals der Schlüssel. Gegen Mainz zeigte er am vergangenen Wochenende erneut, dass er als Rechtsverteidiger der perfekte Anti-Rauten-Spieler sein kann, weil er die natürlichen Lücken des Systems gut bespielen kann.

Wird Gladbach die Raute also diesmal in der Schublade lassen? Vielleicht. Vielleicht haben Rose, Marić und Zickler sich aber auch auf der Pressekonferenz der Bayern Hoffnungen gemacht, als Flick in aller Deutlichkeit davon sprach, dass Kimmich im Zentrum starten würde – gewissermaßen eine unkluge Transparenz seitens des Triple-Trainers.

Das Trainerteam der Borussia wird die erste Halbzeit gegen Mainz zur Kenntnis genommen haben. Darüber hinaus taten sich die Bayern auch gegen andere Gegner wie Union Berlin, Werder Bremen oder RaBa Leipzig sehr schwer. Sie alle hatten gemein, dass sie das Mittelfeldzentrum extrem kompakt gemacht haben. Räume gab es dadurch zwar hin und wieder für die Außenverteidiger, doch die konnten damit wenig anfangen und so blieben die Offensivwaffen der Bayern zu oft stumpf.

Eine Partie der vielen Phasen

Also doch wieder Raute der Gladbacher? Zumindest können sie damit auf den höchstwahrscheinlich auf der Sechs startenden Kimmich Druck ausüben. Dass dessen Unterstützung gegen Mainz eher nicht existent war, lag an einem schwachen Corentin Tolisso. Mit Leon Goretzka hätten die Bayern aber durchaus Möglichkeiten, sich aus dem Pressing der Gladbacher zu befreien – egal, ob die nun mit einer Raute, einem 4-3-3 oder einer 4-4-2-Abwandlung anlaufen.

Ein zweiter relevanter Aspekt ist aber noch offen, der sich aus dem Rückblick auf die 1:2-Niederlage im Jahr 2019 ergibt: Gladbach ist auch innerhalb eines Spiels wandlungsfähig. Die Bayern brauchen mehr als das eine Gegenmittel, weil das gegnerische Trainerteam ständig in der Lage ist, durch kluge Anpassungen in den Spielverlauf einzugreifen.

Wenn man hart mit Flick ins Gericht geht, könnte man ihm das als eine seiner Schwachstellen ankreiden. Damals fand sein Team keine Antworten auf die Umstellungen und auch im sehr erfolgreichen Jahr 2020 gab es immer mal wieder Spielphasen, in denen sein Einfluss von der Seitenlinie aus- oder gering blieb.

Das Außenverteidiger-Dilemma kann die Partie entscheiden

Immerhin: Gegen Mainz stellte der Trainer zur Pause taktisch klug um und brachte so die Wende auf den Weg. Die Partie gegen Gladbach wird eine mit vielen verschiedenen Phasen sein. Dementsprechend werden die Bayern auch verschiedene Lösungsansätze brauchen – und einen guten Tag der Außenverteidiger.

Gerade auf der rechten Seite sucht Flick immer noch nach einer Lösung. Pavard? Außer Form. Süle? Defensiv stabil, im Spiel nach vorn unsichtbar. Sarr? Immer noch nicht richtig in München angekommen und höchst umstritten bei nahezu allen – außer Flick. Dennoch dürfte er keine Option sein.

Kimmich wäre die optimale Lösung, um das enge Gladbacher Zentrum auseinanderzuziehen und von außen diagonal in die Zwischenzonen zu kommen. Gerade mit seinem stark einrückenden Positionsspiel könnte er der Borussia erneut wehtun. Allerdings fehlt dann jemand im Zentrum, der dort für Entlastung sorgt. Zwei Kimmichs hat Flick noch nicht im Kader. Und so wird es mal wieder auf einen Kompromiss hinauslaufen. Einer, der den Ausgang des Spiels mitbestimmen wird.



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