Vorschau: FC Bayern München – Arminia Bielefeld

Justin Trenner 12.02.2021

Lest dazu auch: Unsere Vorschau zum Hinspiel.

Seit unserer letzten Vorschau hat sich bei der Arminia nicht allzu viel getan. Natürlich hält Neuhaus an seinem recht pragmatischen Ansatz fest. Und Bielefeld hat auch keinen Grund, sich davon zu distanzieren. Gerade in der Defensive gehört die Mannschaft eher zum Mittelfeld der Bundesliga als zu den Abstiegskandidaten – eine Qualität, die sich am Ende bezahlt machen kann.

Erst 32 Gegentreffer hat Bielefeld kassiert – 8 davon zuletzt gegen Frankfurt und Köln. Deshalb ist es womöglich gar nicht schlecht für Bielefeld, dass ihre Partie gegen Werder Bremen wegen eines Unwetters abgesagt wurde. Zeit, sich neu zu sortieren, sich vor allem auch neu zu formieren, um das große Ziel Klassenerhalt anzugehen.

Der Spielplan hat es in den kommenden Wochen aber in sich: Bayern, Wolfsburg, Dortmund, Union, Leverkusen, Leipzig. Holt Bielefeld hier wie in der Hinrunde null Punkte, könnte es aus psychologischer Sicht eng werden. Mainz (aktuell vier Punkte hinter Bielefeld) spielt im selben Zeitraum gegen Leverkusen, Gladbach, Augsburg, Schalke, Freiburg und Hoffenheim. Auf dem Papier also leichtere Aufgaben, die sie in der Hinrunde mit immerhin fünf Punkten bewältigten.

Gerade weil Mainz nun aber mit Trainer Bo Svensson einen Aufschwung erlebt, könnte es passieren, dass Bielefeld an Boden verliert. Zumal längst nicht klar ist, wann das so wichtige Spiel gegen Bremen nachgeholt werden kann.

Arminia Bielefeld: Zu viel Flaute vorm gegnerischen Tor

Neuhaus wird seiner Mannschaft für die kommenden Wochen im Kern zwei Dinge mit auf den Weg geben müssen: Einerseits braucht es wieder defensive Stabilität, andererseits braucht es Mut, um Tore erzielen zu können. Einfacher aufgeschrieben als umgesetzt, keine Frage.

Bielefeld hat wie Schalke erst 15 Treffer erzielt, was dem Tiefstwert in der Liga entspricht. Nach Expected Goals [1] sind sie sogar noch knapper als die Knappen dran: 14,3 sind bei aller Defensivqualität zu wenig, um am Ende die Klasse zu halten. Oder, um es noch deutlicher zu machen: 0,75 xG und 0,78 tatsächlich erzielte Treffer pro Spiel.

Oftmals wird dabei über Kapitän Fabian Klos gesprochen, der erst bei drei Toren steht. Wie Terodde, heißt es oft, sei er ein hervorragender Zweitliga-Stürmer, aber für mehr reicht es eben nicht. Ganz so einfach ist es aber wiederum nicht. Es mag sein, dass Klos technisch und auch von der Geschwindigkeit her kein typischer Erstliga-Stürmer ist. Aber er bringt Qualitäten mit, die der Arminia theoretisch in der Liga halten könnten.

Das Problem liegt nicht zwingend im Sturm

Praktisch hapert es nämlich vor allem daran, dass kein Team in der Liga so wenige Abschlüsse hat wie Bielefeld (8,7). Nur 53 % der Abschlüsse kommen von innerhalb des Sechzehners – auch das Tiefstwert. Der Mannschaft fehlt es an Ideen und vielleicht auch an Qualität, um sich phasenweise in der gegnerischen Hälfte festzusetzen, oder zumindest für gefährliche Abschlüsse zu sorgen. Klos hat nur 1,2 Abschlüsse pro Spiel, viele aus schlechter Position.

31 % des eigenen Spiels findet im Aufbaudrittel statt, nur 24 % im gegnerischen Drittel. Zum Vergleich: Konkurrent Mainz kommt immerhin auf 27 % im Angriffsdrittel, der Bestwert liegt bei den Bayern (35 %). Dass Bielefeld gerade im Spielaufbau durchaus Ideen hat, steht außer Frage. Allein mit den technischen Qualitäten von Torwart Ortega haben die Bielefelder schon einen Vorteil gegenüber vielen Konkurrenten (siehe letzte Vorschau). Doch sobald es vom Übergang vom Mittelfeld in den Angriff geht, fehlen plötzlich Raum, Bewegung und Kreativität. Trotz der spielerisch kreativen Lösungen aus der Abwehrkette heraus spielt kein Team so viele lange Bälle wie Bielefeld (77 pro Spiel).

Der Klassenerhalt wird für Bielefeld demnach nur unter zwei Umständen möglich sein: Erstens schaffen sie es entweder, aus den kommenden Partien mehr Punkte zu holen als allgemein erwartet wird, oder sie schaffen es zumindest, sich davon psychologisch nicht herunterziehen zu lassen. Und zweitens braucht es mehr Mut zum Offensivspiel. Neuhaus hat bei verschiedenen Stationen unter Beweis gestellt, dass seine Teams Tore erzielen können. Auch wenn die Bundesliga ein anderes Niveau ist und ihm vielleicht die Spielertypen für ein durchschlagkräftigeres Spiel fehlen, so steckt in diesem Team mehr als die bisher 15 erzielten Tore.

Neuhaus diesmal (noch) pragmatischer gegen Bayern?

In Phasen hat Bielefeld das unter Beweis gestellt. Gegen den FC Bayern reichte es im Hinspiel immerhin auch zu einem Tor, aber das war es dann auch mit positiven Erinnerungen. Neuhaus setzte damals auf viele Mannorientierungen in einer 4-2-3-1-Ausrichtung. Speziell im Mittelfeld standen die Bielefelder ihren Gegenspielern schnell auf den Füßen.

Die Bayern, damals mit Corentin Tolisso und Leon Goretzka auf der Doppelsechs, konnten sich angesichts der damaligen Situation (Verletzungen, schwankende Formkurve) gut aus diesem Druck lösen und fanden anschließend viele Räume im Angriffsdrittel.

Durchaus möglich also, dass Neuhaus sich diesmal für eine etwas pragmatischere Lösung entscheidet und auf extreme Mannorientierungen verzichtet. Gut möglich auch, dass Bielefeld es mit wenigen Kontakten und langen Bällen versuchen wird. In den letzten Wochen probierte sich der Trainer an der einen oder anderen neuen Grundformation – meist einem flachen 4-4-2. Das brachte offensiv etwas mehr Dynamik rein und Klos wurde durch eine klarer besetzte Rolle neben ihm besser unterstützt.

Welche Formation gegen Bayern?

Seit der Umstellung kam Bielefeld auf immerhin 9 Treffer in 10 Partien. 13 Punkte sprangen dabei heraus. Beim 0:0 in Sinsheim spielte die Arminia sogar in einer 4-3-1-2-Formation – also mit der Raute. Warum nicht auch in München zumindest das Doppelsturm-System ausprobieren?

Mit einer flachen Viererkette könnte Bielefeld so nach wie vor hohen Druck im Mittelfeld erzeugen, indem die beiden Angreifer zurück- und die beiden Sechser nach vorn verteidigen. Entscheidet er sich gar für die Raute, hätte er die Möglichkeit, die für die Bayern so wichtigen Zwischenräume zu schließen und das Zentrum extrem kompakt zu halten.

Dann ginge es vor allem darum, die nur einfach besetzten Flügel durch schnelles Verschieben zu unterstützen. Dass die Raute gegen Bayern ein gutes Mittel sein kann, zeigten in dieser Saison einige Teams. Im Hinspiel war es ein großes Problem für Bielefeld, dass sie zu viele aussichtslose Situationen spielerisch lösen wollten. Unter dem Druck des bayerischen Angriffspressings zerbrachen sie zu oft.

FC Bayern: Nach der Klub-WM ist vor entscheidenden Wochen

Bayerns größte Herausforderung besteht gegen Bielefeld trotzdem nicht unbedingt darin, sich taktisch optimal auf den Gegner einzustellen. Wie die Klub-Weltmeisterschaft in Qatar zeigte, ist es auch für Profis nicht so einfach, sich von den Reisestrapazen und der nur langsam fortschreitenden Anpassung des eigenen Körpers an die veränderten klimatischen Bedingungen zu lösen.

In beiden Partien wirkten die Münchner nicht spritzig und fit genug. Zwar liefen sie viel und schafften es auch, beide Spiele letztendlich souverän zu gewinnen, doch das Niveau der jeweiligen Gegner war auch nicht ausreichend, um die offensichtlichen Probleme im Münchner Getriebe aufzudecken.

Nun ging es zwar mit dem sechsten Titel, dafür aber ohne Thomas Müller zurück nach München. Der Angreifer hatte sich mit dem Coronavirus infiziert und wird nachreisen. Gegen Bielefeld wird darüber hinaus Serge Gnabry fehlen, der sich einen Muskelfaserriss zuzog. Flicks Personaldecke wird also auch im Mittelfeld dünner, hatte er Gnabry doch zuletzt mal dort eingesetzt.

Mittelfeldsorgen bei Flick

Ein kleines Trostpflaster: David Alaba und Marc Roca hinterließen jeweils keinen schlechten Eindruck als Mittelfeldpartner von Joshua Kimmich. Beide konnten sich somit für die kommenden Aufgaben empfehlen. Mit Alaba im Mittelfeld würde Flick zudem temporär der müßigen Diskussion rund um Lucas Hernández aus dem Weg gehen.

Auf der nun vakanten Zehnerposition durfte sich Corentin Tolisso im Finale der Klub-WM kurzzeitig zeigen, nachdem Gnabry dort startete. Der Franzose konnte abermals nicht so richtig überzeugen, deutete aber immerhin an, dass seine Abschlüsse nach wie vor eine Gefahr für jeden Gegner darstellen können. Rein leistungstechnisch konnte auch Musiala trotz vieler Bemühungen gegen Tigre nicht so richtig überzeugen.

Was ihm besonders fehlt, ist die körperliche Präsenz gegen den Ball. Wie beim ersten Gegentor in Kiel gut zu sehen war, scheint er oft unsicher zu sein, wann er welchen Gegner anzulaufen hat. Womöglich ist Flick deshalb noch nicht über seinen Schatten gesprungen, wenn es um Einsatzzeiten von Anfang an für das junge Talent geht. Ohne Müller dürfte Musiala aber wieder mehr Minuten erhalten.

Bielefeld, Frankfurt, Lazio – wichtige Puzzleteile

Wie schon vorm Spiel in Bielefeld vor wenigen Monaten hat Flick also auch diesmal große Personalsorgen im Mittelfeld. Gerade mit Blick auf das bald anstehende Achtelfinal-Hinspiel gegen Lazio Rom ist der Ausfall von Müller ein Worst-Case-Szenario. Müller ist der Dreh- und Angelpunkt der Bayern-Offensive und gerade in den letzten Wochen war er enorm wichtig, um die gegnerischen Ketten auseinander zu ziehen und zu spielen. Wer zu diesem subjektiven Eindruck noch ein paar Zahlen braucht: Er hat die zweitmeisten Aktionen, die zu Abschlüssen führen pro Spiel (4,49) [2], er hat mit Abstand die meisten „Pressures“ im Team (20,04 pro Spiel in den letzten 365 Tagen und rund 18 pro Spiel in dieser Saison) [3] und er spielt extrem viele Bälle unter Druck (157 insgesamt).

Fällt er aus, tun sich die Bayern sofort schwerer, Chancen herauszuarbeiten. Das Finale der Klub-WM ist ein abermaliger Beleg dafür. Flick hat nicht viel Zeit, um eine Alternative aufzubauen. Doch die beiden anstehenden Partien gegen Bielefeld und Frankfurt eignen sich gut dafür. Gerade die formstarken und aggressiven Frankfurter werden dafür sorgen, dass Flick nochmal einen guten Eindruck davon erhält, wie bereit seine Mannschaft für die Champions League ist.

Doch zunächst steht Bielefeld auf dem Programm. Eine Aufgabe, die nur dann entsprechend gelöst wird, wenn die Bayern nach dieser Woche schnell genug in den Alltag zurückfinden und wie im Hinspiel früh deutlich machen können, wer dieses Spiel gewinnen wird. Denn holen die Münchner gegen Bielefeld keinen Sieg, drohen die Spiele gegen Frankfurt und Lazio nochmal schwerer zu werden. Insofern sind die kommenden drei Partien wichtige Puzzleteile auf dem Weg zu einer erfolgreichen Saison.

Anpfiff ist am Montag um 20:30 Uhr.

Außerdem interessant: FC Bayern Frauen – SV Werder Bremen (Anstoß: Sonntag um 13:00 Uhr, Magenta Sport)

Und: 1. FC Kaiserslautern – FC Bayern Amateure (Anstoß: Samstag um 14:00 Uhr, Magenta Sport)

[1] Expected-Modell von StatsBomb, weil das nach wie vor die meisten und sinnvollsten Parameter nutzt und so die größte Zuverlässigkeit anbietet. Daten von fbref.com.
[2] Definition laut fbref.com: „Die zwei offensiven Aktionen, die direkt zu einem Abschluss führen.“ – Douglas Costa hat einen besseren Werte als Müller und Kimmich, wurde wegen geringer Samplesize aber ausgelassen.
[3] Mit „Pressures“ meint fbref.com alle Situationen, in denen ein:e Ballbesitzer:in der gegnerischen Mannschaft von einem oder einer Spieler:in unter Druck gesetzt wird.



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