Vorschau: Knüller gegen Borussia Dortmund

Justin Trenner 05.03.2021

Für Borussia Dortmund ist diese Saison nicht so gelaufen, wie man sich das gewünscht hatte. Nach 23 Spieltagen steht der BVB in der Bundesliga nur auf Platz 5 – 13 Punkte hinter den Bayern und noch schlimmer: elf hinter RaBa Leipzig. Auf Wolfsburg (Platz 3) sind es bereits sechs Punkte Rückstand, Frankfurt ist auf dem vierten Champions-League-Platz immerhin in einer Reichweite von nur drei Punkten.

12 Siege, 3 Unentschieden, 8 Niederlagen – Dortmunds Saison gleicht einer Achterbahnfahrt. Zwischendrin versuchte man, das Team durch einen Trainerwechsel wieder auf Kurs zu bringen. Edin Terzić übernahm das Steuer und löste damit Lucien Favre nach etwas mehr als zwei Jahren ab. Mit vier Siegen aus den ersten fünf Partien schien er den BVB wieder auf Kurs zu bringen – darunter ein mehr oder weniger überzeugender 3:1-Sieg gegen den Konkurrenten RaBa.

Doch wie schon zuvor wechselten sich die Höhen und Tiefen auch unter Terzić weiterhin ab. In den darauffolgenden sechs Partien gab es nur zwei Siege und zwei empfindliche Niederlagen gegen die Konkurrenten aus Leverkusen und Gladbach. Trotzdem ist die Stimmung vor dem Knüller gegen den FC Bayern ganz gut. In den letzten fünf Pflichtspielen holte die Terzić-Elf abermals vier Siege und ein Unentschieden. Darüber hinaus hat man im DFB-Pokal gute Karten und mit dem 3:2-Erfolg in Sevilla im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals ein gutes Ergebnis im Rücken, um das Viertelfinale zu erreichen.

Borussia Dortmund: Ein Spieler Mahmoud

Der öffentliche Tenor hat sich wieder gewandelt. Von einer aufsteigenden Formkurve ist die Rede. Insbesondere das Sevilla-Spiel gilt dabei als Wendepunkt, weil die Spanier zuvor in guter Verfassung waren. Terzić leitete den x-ten Umschwung der Saison gewissermaßen selbst ein. Setzte er zu Beginn seiner Amtszeit noch auf einen Wechsel von der Dreierkette zum fast schon klassischen 4-2-3-1, so wich er nach der kleinen Misserfolgsserie davon ab, um auf eine flexible 4-3-3-Variation zu vertrauen. Dieses Vertrauen wurde zunächst zurückgezahlt. Mit zwei Achtern hat der BVB mehr Präsenz zwischen den Linien des Gegners und kann auch im (Gegen-)Pressing etwas mehr entgegensetzen.

Einer der besonders Mut macht in der aktuellen Phase: Mahmoud Dahoud. Bis zum Achtelfinale gegen Sevilla war der Mittelfeldspieler außen vor, absolvierte nur zwei Partien über 90 Minuten. In den letzten vier Spielen stand er im Schnitt 86 Minuten auf dem Platz (ohne Nachspielzeit). Interessant ist zudem, dass der BVB bis auf das Supercup-Spiel gegen die Bayern kein einziges Pflichtspiel verloren hat, wenn Dahoud mehr als 45 Minuten auf dem Platz stand. 10 Siege und 1 Unentschieden sind womöglich keine ausreichende Bewertungsgrundlage, aber mit ihm fällt den Dortmundern das Aufbauspiel augenscheinlich leichter.

Und das ist ohnehin ein großes Problem für den BVB: Weder unter Favre noch unter Terzić gelingt es der Mannschaft, aus Ballbesitzphasen konstant hochwertige Chancen herauszuspielen. Die starke Offensive kommt oft nur dann ins Rollen, wenn sich Räume aus Umschaltsituationen oder Fehlern des Gegners ergeben. Dortmund ist ansonsten sehr abhängig von den Geistesblitzen eines Mats Hummels oder eben eines Dahouds.

Großes Potential, wenig Substanz

Dabei ist das Potential der Mannschaft riesig. Mit Raphaël Guerreiro hat der BVB einen einzigartigen Linksverteidiger, der jede Mannschaft der Welt mit seiner Diagonalität, seiner Passqualität und seinen Läufen vor Probleme stellen kann. Der Portugiese ist zweifellos der beste Linksverteidiger der Bundesliga, weil er kaum Fehler macht, das Spiel von außen clever kontrollieren und Torgefahr ausstrahlen kann. Dass Hummels bei aller Kritik in den letzten Jahren nach wie vor ein überragender Aufbauspieler ist, würde wohl auch kaum jemand in Frage stellen. Und dann gibt es vorn noch Jadon Sancho, Marco Reus und Erling Haaland, der in ganz Europa vielleicht der einzige Stürmer ist, der aktuell ein bisschen mit Robert Lewandowski mithalten kann, was das Komplettpaket aus Spielanteilen und Torbeteiligungen angeht. Das Dreiergespann ist sehr flexibel unterwegs und stellt die gegnerische Abwehr vor große Herausforderungen.

Einzig gelingen will es nicht, dass diese Puzzleteile optimal und dauerhaft zueinander finden. Auf gute Spielphasen, in denen Dortmund mit hohem Tempo, vielen Tiefenläufen und ansehnlichem Steil-Klatsch-Spiel zu überzeugen weiß, folgen unerklärlich passive Abschnitte. Auch weil es im Mittelfeld an Verbindungsspielern fehlt, die, wie Dahoud in seinen stärkeren Momenten zuletzt, das Ballbesitzspiel der Mannschaft in die Hand nehmen und lenken.

Der BVB scheint den Weg zu sich selbst nach wie vor nicht gefunden zu haben. Zu einer Philosophie und zu einem Spiel, das unverkennbar ihre Handschrift trägt. Stattdessen wartet man stets darauf, dass der Achse des Teams kreative Dinge einfallen. Eigentlich zu wenig, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Und so wäre es auch nicht verwunderlich, würde der BVB bald wieder abwärts fahren auf seiner Achterbahnfahrt.

Alles dreht sich um Haaland

Nimmt man allein die letzten sechs Bundesliga-Spiele in München zusammen, dürfte der Abschwung wahrscheinlich am Samstagabend beginnen. 3:26 Tore und teils deftige Niederlagen sprechen eine klare Sprache. Und doch hofft der BVB angesichts des nun wieder gewachsenen Selbstvertrauens, dass man die Negativserie in der Allianz Arena endlich beenden kann.

Ein Schlüssel zum Sieg: Erling Haaland. Der Norweger trifft aktuell nach Belieben und ist auch sonst an nahezu jedem Angriff seiner Mannschaft beteiligt. Haaland ist eine Naturgewalt, weil er nicht nur Tore erzielt und vorbereitet, sondern trotz seiner Physis eine unglaubliche Geschwindigkeit sowie Beweglichkeit mitbringt. Zurecht sprechen viele vom nächsten Top-Stürmer in Europa.

Doch Dortmund besteht insbesondere in den Umschaltsituationen nicht nur aus Haaland. Sancho, der zuletzt wieder besser in Form kam und Reus unterstützen ihn tatkräftig. Exemplarisch dafür ist das Tor unter der Woche von Sancho gegen Gladbach im Pokal. Mit wenigen Kontakten kommt das gesamte Team hinter die absichernde Kette des Gegners. Oft dauert es keine sieben Sekunden, bis der Gegner aus der vermeintlich eigenen Chance in einen nicht mehr zu verteidigenden Gegenangriff gezwungen wird.

Wie druckvoll spielt der BVB?

Am Samstagabend wird man diese Qualität definitiv einbringen können, passt sie doch optimal zu den Schwächen, die die Bayern in den letzten Wochen angeboten haben. Doch um diese Umschaltmomente zu erzwingen, benötigt der BVB mehr Energie und Aggressivität gegen den Ball. Nahezu alle Niederlagen in den vergangenen Duellen mit den Münchnern hatten gemeinsam, dass man ab einem gewissen Punkt das Mittelfeld kampflos an den Gegner übergeben hat und sich zu tief hinten reindrücken ließ.

Das liegt auch am Anlaufverhalten der Offensivspieler. Unter Lucien Favre waren diese häufig nur Wegbegleiter der gegnerischen Aufbauspieler. Druck durch Präsenz, aber nicht durch Zweikämpfe. Das ist unter Terzić ebenfalls häufig so zu beobachten. Haben die Gegenspieler aber die Qualität, sich allein von der Präsenz nicht beeindrucken und lenken zu lassen, gibt ihnen dieses Verhalten entscheidende Sekunden.

Die Bayern haben mit David Alaba, Joshua Kimmich und Jérôme Boateng gleich drei Aufbauspieler, die nur selten gravierende Abspielfehler einstreuen. Und wenn es dann doch mal passiert, dann stehen ihnen die Gegenspieler meist auf den Füßen. Reus kommt immerhin auf 17,9 Pressures pro 90 Minuten mit einer Erfolgsquote von 35,9 %. Im Vergleich zu Thomas Müller (19,3 und 35 %), dem Pressingmonster der Bayern, keine schlechten Werte. Doch seine Laufwege sind nicht immer optimal und gerade was die Aggressivität und Konsequenz seines Anlaufens angeht, könnte er noch zulegen.

So schlägt Dortmund die Bayern

1. Aggressiveres Pressing und schnelles Umschalten

So richtig deutlich wird der Unterschied beim Pressing beider Mannschaften aber erst im Vergleich der anderen Spieler:

Dortmund legt mehr Wert auf Ballgewinne im Mittelfeld und im Abwehrdrittel. In der Bundesliga kommt der BVB insgesamt auf 749 Pressures im Angriffsdrittel – 306 weniger als die Bayern (1055). Im Mittelfeld ist der Unterschied deutlich kleiner (1355 zu 1440) und hinten sind die Werte nahezu identisch (794 zu 805).

Gegen die Bayern kann es ein Problem für den BVB werden, wenn sie das spiel- und laufstarke Mittelfeld mit Kimmich, Goretzka und Müller nicht ständig in Stresssituationen bringen. Schaffen sie es hingegen, genau dort Ballverluste zu erzwingen, eröffnet sich ihnen ein relativ kurzer und unkomplizierter Weg zu Manuel Neuer, den sie – das haben sie mehrfach bewiesen – in der Lage sind, zu gehen. Auch wenn Sancho, der zuletzt großen Einfluss auf das Spiel seiner Mannschaft hatte, und Gio Reyna fehlen werden, hat Dortmund viel Qualität im Angriff.

2. Seitenverlagerungen und Entlastungsphasen

Doch der BVB darf sich keinesfalls nur auf die Arbeit gegen den Ball verlassen. Über 90 Minuten drohen sie ein solches Spiel aus der Hand zu geben, wenn sie es nicht schaffen herauszuschieben. Irgendwann findet die die Qualität der Bayern ihren Weg durch die Dortmunder Defensivformation und dann passiert das, was der BVB vermeiden möchte: Ein Spiel auf ein Tor.

Ein Gegenmittel ist Ballkontrolle. Dortmund und Bayern haben in dieser Saison in etwa gleich viel Ballbesitz (rund 58 %), aber bei den letzten Aufeinandertreffen waren die Werte meist klar in Richtung der Münchner verteilt. Der BVB hatte immer dann starke Phasen, wenn er es geschafft hat, sich durch etwas Spielkontrolle aus dem Druck der Bayern zu befreien. Mats Hummels wird dafür ebenso eine entscheidende Rolle einnehmen wie Dahoud. Beide haben die Qualität, Drucksituationen aufzulösen und ballferne Räume zu bespielen.

Und genau da haben die Bayern Probleme in der Verteidigungsarbeit. Sie üben zwar nahezu unwiderstehlichen Druck in der Nähe des Balls aus, indem sie die Räume extrem eng halten. Kommt der Ball dann aber beispielsweise durch Seitenverlagerungen in eine ballferne Zone, hat der Gegner ein paar Sekunden Zeit für große Raumgewinne.

Gerade weil das Pressing der Münchner im Moment nicht immer so effizient greift, wie es Flick gern sehen würde, kann das für den BVB neben Umschaltmomenten eine geeignete Waffe werden. Gegen kompakt verteidigende Bielefelder konnten die Dortmunder mit einigen solcher Seitenverlagerungen Raumgewinne erzeugen. Bayern wird ihnen allerdings weniger Zeit zur Durchführung gewähren und dass Guerreiro ausfällt, ist ein harter Rückschlag für den BVB. Schon im Hinspiel konnte der Portugiese unter Beweis stellen, dass er Bayerns Pressing mit klugen Laufwegen und von ihm initiierten Kombinationen aushebeln kann. Nico Schulz wird diesen Qualitätsverlust vor allem in Ballbesitz nicht annähernd auffangen können.

3. Nicht durch den Spielverlauf vom Matchplan abbringen lassen

Neben taktischen Schlüsseln zum Sieg wird die viel beschworene Mentalitätsfrage eine Rolle spielen. Dortmund hatte in den letzten Jahren immer mal wieder eine ganz gute Anfangsphase in der Allianz Arena, ließ sich mit dem ersten Gegentor aber meist aus der Fassung bringen.

Wollen sie die Bayern ernsthaft vor Probleme stellen, müssen sie sich selbst und ihrem Matchplan treu bleiben. Dafür muss Kapitän Reus die Verantwortung übernehmen und sein Team konstant hinten rausholen, wenn es dazu neigt, dem Druck der Bayern nachzugeben.

Die Debatte um Mentalitätsprobleme wird den BVB auch unabhängig vom Ausgang der Partie noch lange begleiten. Doch mit einem Sieg gegen Bayern könnte die Saison nochmal eine Wendung für Borussia Dortmund nehmen, die vor einigen Tagen niemand auf dem Schirm hatte.

So schlägt Bayern Dortmund

1. Raumkontrolle und Bewegung im Mittelfeld

Wie bereits angesprochen, ist der BVB nicht als Mannschaft bekannt, die in allen Spielphasen den Druck auf die Spieleröffnung des Gegners hoch hält. Es wird sicher auch Momente geben, in denen die bayerische Abwehr sich mit 2-3 Dortmundern konfrontiert sieht, doch schaffen sie es, diese Situationen ruhig und geduldig aufzulösen, wird sich die Mannschaft von Terzić schnell ein paar Meter zurückziehen.

Als Ausgangslage für diese Partie wäre das bereits ein guter Teilerfolg für die Bayern. Steht Dortmund etwas tiefer, können die Bayern sich mit mehr Zeit den Gegner zurechtlegen. Das kommt ihnen entgegen. Für Hansi Flick ist die Rückkehr von Müller und Goretzka extrem wichtig. Beide sorgen mit ihren Läufen dafür, dass Kimmich Räume bekommt.

Dann geht es um Anschlussaktionen. Der BVB ist trotz seiner kompakten Grundausrichtung im 4-1-4-1 und zuletzt weniger Gegentoren nicht unverwundbar. Gerade in der Halbspur bieten sich neben dem jeweiligen Sechser immer wieder Möglichkeiten, die Müller und Goretzka für sich nutzen sollten. Werden die Achter etwas aus der Formation gezogen, braucht der BVB hin und wieder zu lange, um die Lücke zu schließen. Reus sammelt in der Statistik zwar viele Pressures, setzt den Gegner also immer wieder unter Druck, lässt sich zugleich aber häufig aus seiner eigentlichen Position und Rolle ziehen. Statt die Räume hinter sich im Blick zu haben, attackiert er so hin und wieder den Gegner. Für Bayern kann das eine Chance sein. Auch weil Reus seine Pressingaktionen nicht immer mit hundertprozentiger Überzeugung durchführt und so dann zwischen den Stühlen steht.

Finden die Bayern das richtige Verhältnis aus Tempoangriffen, Tiefenläufen und Ruhe am Ball, wird es für den BVB schwer, die eigenen Stärken auf den Platz zu bringen.

2. Konterabsicherung und Breitenverteidigung

Zuletzt hat Niklas Süle viel Gefallen an einer offensiveren Interpretation seiner neuen Position gefunden. Gegen den BVB ist damit zu rechnen, dass Flick wieder auf eine konsequente Dreierabsicherung setzt und so auch Süle seltener in den Genuss des Offensivspiels kommt.

Die Frage ist aber, ob das ausreichen wird. Dortmunds Qualität in der Offensive wird die Bayern vor viele Aufgaben stellen. Gerade, aber nicht nur wegen Haaland. Ein Gedankenexperiment wäre daher die Umstellung auf eine Dreier- beziehungsweise Fünferkette.

Bayern könnte damit zwei Probleme mit einer Umstellung lösen: Einerseits die schwache Breitenverteidigung, wenn das Pressing nicht greift und andererseits die fehlende Absicherung, wenn beide Außenverteidiger hoch schieben. Man müsste nicht von der eigenen Spielweise abrücken und hätte womöglich trotzdem eine bessere Absicherung. Bei Bedarf lässt sich zudem schnell zum klassischen 4-2-3-1 wechseln.

Flicks Pressing ist stark darauf ausgelegt, den Gegner entweder auf den Flügel oder in den Maschinenraum (Kimmich, Goretzka und Müller) im Zentrum zu locken, wo dann jeweils aggressiv gepresst wird. Beides wäre theoretisch auch mit einer Umstellung der Grundformation möglich. Auf den Außenbahnen wäre der Druck vielleicht sogar noch höher, weil die Flügelverteidiger mehr ins Risiko gehen können.

Ein wesentlicher Nachteil ist, dass die Bayern ihre Offensive umstellen und dabei auf einen natürlichen Offensivspieler verzichten müssen, wenn Flick nicht gerade Gnabry, Coman oder Sané als Flügelverteidiger testet. Durch cleveres Verschieben kann man diesen Verlust zwar rein vom Positionsspiel her kompensieren, doch es ist eben etwas anderes, ob ein Außenverteidiger den Ball bekommt oder ein echter Angreifer- beziehungsweise Mittelfeldspieler. Gerade bei Süle, der zwar offensiv zuletzt einige gute Szenen hatte, seine Stärken aber doch eher hinten einbringt. Demnach wäre damit zu rechnen, dass Flick bei einer solchen Umstellung die Offensivpower ein Stück weit verliert.

Das größte Problem dürfte aber sein, dass die Bayern die dafür notwendigen Abläufe noch nicht trainieren konnten. Die Umstellung ist zwar keine, die alles auf den Kopf stellen würde, doch einige Laufwege würden sich für die Spieler verändern. Es wäre ein Risiko, das dazu führen könnte, dass das Team Fehler macht, die den Dortmundern wiederum in die Karten spielen.

Also wird Flick sehr wahrscheinlich auf das vertrauen, was in den letzten Wochen mal mehr, mal weniger gut, aber fast immer erfolgreich funktioniert hat. Die Mannschaft wird sich am wohlsten damit fühlen, den BVB mit gewohnten Laufwegen unter Druck zu setzen. Trotzdem wird es spannend zu sehen, was sich Flick für Haaland, Sancho und Reus ausgedacht hat. Verteidigen sie hinten Mann gegen Mann, könnte es den einen oder anderen Gegentreffer geben.

3. Hoher und präziser Druck auf den Ball

Flicks Dilemma ist also, dass er zwei Dinge im Blick haben muss, die schwer zu vereinen sind: Hoher Druck auf den Ballbesitzer des BVB auf der einen, und eine gute Tiefenstaffelung, um nicht in unangenehme Eins-gegen-eins-Duelle mit Dortmunds Offensivspielern zu kommen, auf der anderen Seite.

Er muss hier wohl zwangsläufig eine Entscheidung treffen: Starker Kompromiss oder volles Risiko. Dazwischen gibt es wenig bis nichts. Wer Flick in den letzten Monaten erlebt hat, dürfte keinen Zweifel daran haben, dass er sich für Letzteres entscheidet. Sein Verständnis von Fußball lässt keinerlei Angstgefühle zu. Als die Bayern unter Pep Guardiola das eine oder andere große Spiel verloren, wurde ihm zu viel Pragmatismus unterstellt. Zu viel Anpassung auf den Gegner, die letztendlich zum Verlust der eigenen Stärken führte und die Spieler womöglich sogar verunsicherte.

Eine recht steile, aber nicht ganz unbegründete These. Flick stellt auf dieser Bewertungsskala vielleicht das andere Extrem dar: Anpassungen nur im Detail, ständiger Fokus auf die eigenen Stärken und gnadenloses Festhalten an dem, was sein Team bereits erfolgreich nachweisen konnte. Auch das ist wohlgemerkt eine Überspitzung. Beide Trainer sind sehr wahrscheinlich deutlich weiter in der Mitte dieser Skala zu verorten, als ihnen mitunter nachgesagt wird. Und doch erklärt das womöglich einen signifikanten Unterschied.

Von Flick ist somit nicht weniger zu erwarten als eine Bayern-Mannschaft, die mit der Idee ins Spiel geht, die Chancen von Haaland zu verhindern, bevor sie überhaupt entstehen. Extrem hoher Druck im zentralen Mittelfeld, hoch verteidigende ballnahe Außenverteidiger und das Verhindern von gezielt und kontrolliert gespielten Bällen hinter die eigene Kette, indem man dem Ballbesitzer des Gegners auf den Füßen steht. Zweifelsohne hat Flick dafür gute Gründe. Und die Umsetzung dessen wird mitentscheidend dafür sein, wie das Spiel ausgeht.

Was für ein Spiel wird es?

Beide Teams kennen sich gut. Beide haben ihre spezifischen Qualitäten, um den Gegner ins Schwitzen zu bringen. Obwohl sowohl der BVB als auch die Bayern im Ligaalltag ähnliche Ballbesitzwerte haben, sind ihre Spielanlagen recht verschieden. Die Bayern wollen ihre Gegner mit Pressing und Dauerdruck zermalmen und gehen ein großes defensives Risiko ein. Auf der anderen Seite mag der BVB defensiv eine stabilere Tiefenverteidigung und Absicherung haben, verpasst es dafür aber oft genug, den Gegner im Mittelfeld und beim Spielaufbau unter Druck zu setzen.

Beide verfügen über tolle Offensivreihen, die jederzeit für ein Spektakel sorgen können. Und so gab es in den letzten Jahren viele Tore in den direkten Duellen – wenn auch oftmals einseitig verteilt.

Die Bayern, so viel dürfte Konsens sein, sind der Favorit. Zwar kam der BVB zuletzt wieder in die Spur und der Rekordmeister bietet immer wieder etwas an, aber die Erfahrung der letzten Jahre ist eben jene, dass die Bayern selbst in schwächeren Phasen immer zur Stelle gewesen sind, wenn es gegen Borussia Dortmund ging. Für beide Mannschaften ist der Knüller richtungsweisend. Dortmund braucht einen Sieg, um das große Ziel der Champions-League-Qualifikation nicht aus den Augen zu verlieren. Die Bayern hingegen könnten bereits zum Anpfiff die Tabellenführung verloren haben, wollen diese aber gegen 20:30 Uhr zurückerobern – oder bestenfalls sogar ausbauen.