Kaderplanung des FC Bayern: Was passiert mit den 2021-ern?

Justin Trenner 01.04.2020

Leroy Sané und Kai Havertz sind zwei Namen, die im Umfeld des FC Bayern immer wieder fallen, wenn es um mögliche Sommertransfers geht. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge machte nun aber deutlich, dass Transfers erstmal auf Eis gelegt werden sollen. Stattdessen habe erstmal die Verlängerung von wichtigen Leistungsträgern Priorität.

Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Sven Ulreich, Javi Martínez, Thomas Müller, David Alaba, Thiago Alcántara, Ron-Thorben Hoffmann – das ist die Liste der 2021-er, also jener Spieler, deren Vertrag im nächsten Jahr ausläuft. Wir analysieren, von wem sich die Bayern trennen könnten und wer auf jeden Fall weiterhin Teil des Kaders sein sollte.

Klarer Fall bei den Torhütern?

Für Sven Ulreich scheint die Zeit beim FC Bayern wohl ein Ende zu nehmen. Zwar gab es dahingehend noch keine konkreten Aussagen, doch es ist nur schwer vorstellbar, dass der 31-Jährige sich hinter Manuel Neuer mit dem Neuzugang Alexander Nübel um die zweite Geige streiten wird. Nur wenn die Neuer-Gespräche unerwartet scheitern, dürfte ein Verbleib nochmal ein ernsthaftes Thema werden.

Ron-Thorben Hoffmann hingegen könnte sehr wohl beim FC Bayern bleiben. Seine Perspektive in München wäre ein Stammplatz bei den Amateuren, wenn Christian Früchtl verliehen wird. Letzteres ist nach Miasanrot-Informationen bereits länger beschlossene Sache, wobei der FC Augsburg ein mögliches Ziel sein könnte. Bietet sich für Hoffmann keine bessere Alternative als die 3. Liga, wonach es aktuell aussieht, sollte ein Verbleib wahrscheinlich sein.

Die wichtigste Entscheidung fällt aber rund um Neuer. In den letzten Monaten hatte der Nationaltorhüter bewiesen, dass er weiterhin Weltklasse-Leistungen abrufen kann. Mit der Verpflichtung von Nübel soll er aber nicht glücklich gewesen sein. Oliver Kahn stellte jüngst gegenüber der Sport Bild abermals klar, wie die Rangfolge aussehen wird: „Mit Alexander Nübel bekommen wir einen hochtalentierten Torwart, der die Möglichkeit besitzt, sich hinter Manuel Neuer zu entwickeln und zu lernen.“

Mit dieser Art Wertschätzung und einem dementsprechenden Arbeitspapier dürfte eine Verlängerung Neuers in den nächsten Wochen über den Tisch gehen. Anderweitige Berichte, dass der 34-Jährige zu Chelsea gehen könnte, sind wohl eher als typische Nebengeräusche eines Vertragspokers zu werten.

Meine Einschätzung: Sven Ulreich wird den Klub verlassen, Manuel Neuer verlängert langfristig und Ron-Thorben Hoffmann wird Stammtorhüter der Amateure.

Was passiert mit Jérôme Boateng und Javi Martínez?

Dass Jérôme Boateng und Javi Martínez große Verdienste für den FC Bayern vorzuweisen haben, steht außer Frage. Ebenso steht jedoch außer Frage, dass ihre Leistungsfähigkeit in den letzten Jahren abgenommen hat. Bei Boateng stand bereits mehrfach ein Wechsel im Raum. Trotz seiner starken Leistungen unter Hansi Flick ist es deshalb wahrscheinlich, dass sich die Wege nun bald trennen werden. Für die Bayern ist es die letzte Chance auf eine Ablöse und Boateng wird gegen Niklas Süle, Lucas Hernández, Benjamin Pavard und David Alaba auf Dauer nicht die Einsatzzeiten bekommen, die er gern hätte. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass er bleibt, doch ein Wechsel wäre wohl die beste Option für alle.

Im Prinzip sieht es bei Martínez ähnlich aus. Im Mittelfeld sind unter Flick meist andere Spielertypen gefragt und in der Abwehr ist die Konkurrenz zu groß. Einen Stammplatz wird der Baske nicht mehr erhalten. Nimmt er aber eine Rotationsrolle an, wäre er weiterhin eine Bereicherung für den Kader. Auf Martínez ist in der Regel Verlass, wenn er dringend gebraucht wird. Das zeigte er beispielsweise in der vergangenen Saison, als er in Liverpool zu den besten Bayern-Spielern zählte. Auch als Typ scheint er wichtig für die Stimmung des Kaders zu sein.

Meine Einschätzung: Boateng wird die Bayern bald verlassen. Das ist zwar absolut nicht in Stein gemeißelt, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er als dritter oder vierter Innenverteidiger glücklich wird. Bei Martínez hängt es davon ab, was er selbst möchte. Fordert er einen Stammplatz, sollte man sich schweren Herzens trennen und den Platz für andere freimachen. Ist er mit einer Rolle in der zweiten Reihe einverstanden, wäre er weiterhin eine Bereicherung. Ich denke, Martínez bleibt den Bayern noch erhalten und wird möglicherweise sogar um ein oder zwei Jahre verlängern. Wobei das Risiko besteht, dass er eine Rückkehr nach Spanien zum Ende seiner Karriere bevorzugt.

David Alaba und der Traum vom Ausland?

„Reisende soll man nicht aufhalten“, schrieb Lothar Matthäus in seiner Kolumne für Sky über David Alaba. Auch Sport1 berichtete kürzlich, dass ein Wechsel ins Ausland möglich sei. Entgegen der Gerüchte rund um Neuer scheint es hier konkreter und wahrscheinlicher zu sein, dass Alaba eine Veränderung vornimmt. Im Laufe seiner Karriere betonte er mehrfach, dass er sich eine Station im Ausland vorstellen könne. Als favorisiert gilt dabei die spanische Liga.

Gerüchten, dass Alaba möglicherweise Teil eines Tauschgeschäftes mit Leroy Sané sein könnte, schob Rummenigge hingegen deutlich einen Riegel vor: „Dazu möchte ich ganz klar sagen, dass das überhaupt keine Option für den FC Bayern ist, wir sind ja nicht auf dem Basar.“ Der Vorstandsvorsitzende ergänzte, dass man derzeit Gespräche mit allen führe, deren Vertrag 2021 auslaufe.

Meine Einschätzung: Von allen Spielern, deren Vertrag 2021 ausläuft, ist Alaba derjenige, dessen Wechsel gleichzeitig am schmerzhaftesten und wahrscheinlichsten wäre. Dennoch glaube ich, dass die Bayern immer noch gute Karten haben, um den Österreicher zu halten. Ähnlich wie bei Toni Kroos damals wird es davon abhängen, was der Klub bereit ist zu zahlen. Entgegen zu Kroos in der damaligen Situation hat Alaba aber einen immensen Anteil am Erfolg der letzten Jahre.

Vielerorts wird argumentiert, dass Alphonso Davies einen Wechsel Alabas auffangen würde. Dabei wird aber oft vergessen, dass der 27-Jährige in den letzten Monaten einen großen Entwicklungsschritt in seiner Persönlichkeit gemacht hat. Alaba wurde unter Flick zu einem Führungsspieler. Er dirigierte und organisierte lautstark seine Abwehr und war auch dem jungen Davies eine wichtige Stütze.

Alaba war einer jener Gewinner des Trainerwechsels, die leicht unter dem Radar liefen. Es wäre grob fahrlässig, würden die Bayern freiwillig auf ihren dynamischen, spielstarken, robusten, strategisch klugen und vielseitig einsetzbaren Abwehrmann verzichten. Eine Verlängerung Alabas muss unter allen Umständen eine hohe Priorität haben. Vor allem aus sportlicher Perspektive, aber auch deshalb, weil er einfach zum FC Bayern gehört und nun in das beste Alter kommt, um bei seinem Klub nochmal einen Schritt nach vorn zu machen. Alaba sollte Teil der Achse sein, der man in den kommenden Jahren die Führung zu einem weiteren Champions-League-Titel zutraut. Und wenn der Reisende eine so große Bedeutung für den Klub hat, sollte man sehr wohl alles dafür tun, ihn schlussendlich doch noch aufzuhalten. Alaba ist bei weitem nicht so leicht zu ersetzen, wie sich das viele anscheinend denken.

Der ewige Thomas Müller

Bei Thomas Müller scheint der Gedanke, dass er untrennbar mit dem FC Bayern zusammenklebt irgendwie verwurzelter zu sein als bei Alaba. Was schon allein deshalb seltsam ist, weil beide einen nahezu synchronen Karriereverlauf hatten. Erst unglaublich konstant, dann ein kleineres Loch und schließlich wieder Leistungsträger.

Bei Müller deutet aktuell alles auf eine Verlängerung hin. Konkrete Gerüchte über einen Wechsel gibt es nicht. Anscheinend liegt es nur noch an den finanziellen Details und der Laufzeit. Die BILD berichtete am heutigen Mittwoch (1. April 2020) aber, dass eine Verlängerung kurz bevorstehe.

Meine Einschätzung: Hätte Müller seine Leistung beibehalten, die er bis zum Sommer 2019 zeigte, wären Gedanken über einen Wechsel wohl legitim gewesen. Die Bayern haben aber so oder so alles richtig gemacht, indem sie dem ewigen Müller weiterhin vertraut haben. Der zahlte es mit Leistung zurück. Nach Robert Lewandowski war er der wichtigste und konstanteste Angreifer des Teams. Seine Läufe, seine Torgefährlichkeit, seine Unberechenbarkeit sind zurück. Da sieht man auch mal darüber hinweg, dass er eine Ecke direkt ins Aus schießt. „Müller spielt immer.“ Hoffentlich in dieser Form auch noch einige Jahre beim FC Bayern. Die Verlängerung, die bald kommen wird, hat er sich verdient.

Bleibt Thiago in München?

Thiago oder nix.

Eigentlich ist damit alles gesagt. Seine fußballerische Klasse ist die eine Seite der Medaille, die oft genug beleuchtet wurde. Auch dass er defensiv nach Martínez der mit Abstand stabilste und beste Zweikämpfer im Mittelfeld des FC Bayern ist, dürfte mittlerweile auch bei allen angekommen sein – sogar beim Kicker. Doch Thiago ist viel mehr als der Fußballer. Er verkörpert auf dem Platz die Mentalität eines Gewinners und neben dem Platz die Bescheidenheit und den Realismus eines Fußballers, der als solcher wahrgenommen werden will und nicht als Superstar.

Oder anders: Auf dem Platz dreht sich alles um Thiago und seine Klasse im Umgang mit dem Ball, aber neben dem Platz ist das anders. Der Spanier hat sich in München perfekt eingelebt, hat den Klub, die Stadt und die Bundesliga schätzen gelernt. Er geht voran, wenn er vorangehen muss und hält sich zurück, wenn es angebracht ist. Thiago ist ein Vorbild geworden. Eine Verlängerung dürfte trotz der vielen Gerüchte, die in den letzten Monaten kursierten, wahrscheinlich sein. Denn der 28-Jährige ist unersetzlich.

Meine Einschätzung: Thiago wird am 11. April 29 Jahre alt. Angemessen wäre ein Brief des FC Bayern mit bereits vom Klub unterschriebenen Vertragsunterlagen. Dort kann er dann seine Konditionen und Wünsche selbst eintragen. Im Ernst: Eine Verlängerung des Spaniers sollte unter keinen Umständen scheitern. Er ist Dreh- und Angelpunkt des Spiels. Nur wenn der Klub diesen Wert nicht erkennt, sehe ich die Möglichkeit eines Wechsels. Bayern sollte aber alles versuchen, um das zu verhindern.

Verlängerung von Hansi Flick?

Eigentlich müsste man die Entscheidung rund um den Trainer an die erste Stelle der Prioritätenliste stellen. Denn von seinen Bedürfnissen sollte auch die Kaderplanung maßgeblich beeinflusst werden. Dass Flick nun an letzter Stelle des Artikels steht, hat den einfachen Grund, dass es um ihn zuletzt sehr ruhig wurde. Die Bayern werden noch abwarten, wie es in den kommenden Wochen der Coronakrise weitergeht.

Alles andere als eine klare Tendenz zur Verlängerung der Zusammenarbeit mit Hansi Flick wäre aber kaum nachvollziehbar. Sportlich hat Flick die Bayern wieder auf Kurs gebracht und die Stimmung innerhalb des Teams war unter ihm immer gut. Es gibt so gut wie keine Argumente mehr, nicht mit Flick in die kommende Saison zu gehen und ihm somit die Chance zu geben, an seinen Aufgaben zu wachsen. Der eingeschlagene Weg ist jedenfalls der richtige. Mal sehen, ob und wann Flick ihn mit seiner Mannschaft weitergehen kann.