Jugend forscht gegen Ajax – diese Bayern-Spieler konnten beim 2:2 überzeugen

Justin Trenner 24.07.2021

8.500 Zuschauer:innen haben am heutigen Samstagnachmittag den Weg in die Münchner Allianz Arena gefunden, um das Testspiel zwischen dem deutschen und dem niederländischen Rekordmeister zu beobachten. FC Bayern gegen Ajax – das klingt auf dem Papier nach Champions League. In der Praxis war es das aufgrund der nach wie vor gebeutelten bayerischen Mannschaft eher nicht.

Falls Ihr es verpasst habt:

Weil der am Freitag ins Training zurückgekehrte Serge Gnabry noch nicht fit genug ist, musste Julian Nagelsmann erneut ohne die EM-Fahrer planen. Im Vergleich zur Partie gegen Köln stellte er auf einigen Positionen um. Auch weil Chris Richards beispielsweise mit muskulären Problemen ausfiel und Christopher Scott nicht rechtzeitig fit wurde.

Vor Torwart Sven Ulreich bildeten Bouna Sarr (rechts), Josip Stanišić (links), Dayot Upamecano und Tanguy Nianzou (innen) eine Viererkette. Torben Rhein und Mickaël Cuisance begannen auf der Doppelsechs hinter einer offensiven Dreierreihe, bestehend aus Omar Richards (links), Joshua Zirkzee (mittig) und Armindo Sieb (rechts). Eric Maxim Choupo-Moting war die Sturmspitze. Interessant schon deshalb, weil Nagelsmann mit diesem Personal auch auf eine Dreierkette hätte setzen können, sich aber trotzdem für ein 4-2-3-1 entschied.

Auch Erik ten Hag entschied sich auf der anderen Seite für eine Viererkettenformation, allerdings mit nur einem Sechser und somit für ein klassisch-niederländisches 4-3-3 beziehungsweise 4-1-2-3. Damit neutralisierten sich beide Teams zu Beginn im Mittelfeld ein wenig, weil die 1-2-Staffelung von Ajax jene 2-1-Staffelung der Bayern dort spiegelte. Im Gegensatz zu Nagelsmann hatte ten Hag zudem schon viele potentielle Stammspieler zur Verfügung und die Stammelf bestand bis auf Torwart Remko Pasveer aus zehn schon in der Vergangenheit für Ajax angestellten Spielern.

1. Halbzeit

Ajax erwischte den besseren Start, konnte den Ball gut und ohne viel Druck laufen lassen. Die Niederländer gingen bereits in der 9. Minute durch Zakaria Labyad in Führung – ein Fehlpass von Sven Ulreich leitete den kaum noch zu verteidigenden Angriff ein. Nach rund 12 Minuten wäre es fast noch schlimmer für die Münchner gekommen: Eine Flanke fand den im Rücken von Stanišić freistehenden David Neres, diesmal war Ulreich aber hellwach und parierte.

Nach etwas mehr als 15 Minuten kamen dann die Bayern mal gefährlich vors gegnerische Tor. In einer offensiven Umschaltaktion verpasste Omar Richards letztendlich den Ausgleich nach einer Hereingabe von rechts. Danach passierte vorerst nicht viel. Ajax kontrollierte mit aller Gelassenheit, Bayern verteidigte in einem 4-4-2-Mittelfeldpressing, ohne nennenswerte Ballgewinne zu verbuchen.

Erst in der 33. Minute ging das abwartende Spiel der Münchner mal auf: Nianzou eroberte den Ball und schickte sofort Omar Richards, der nach kurzem Dribbling aus gut 16 Metern abschloss – allerdings parierte Pasveer ohne Probleme. Die Bayern erhöhten die Intensität in den letzten Minuten der ersten Halbzeit und kamen vereinzelt zu Abschlüssen. In der 38. Minute kombinierten sie sich mit guten Positionswechseln und raumöffnenden Laufwegen bis in den gegnerischen Strafraum, wo Torben Rhein den Ball zwar aufs Tor bringen konnte, jedoch keine Kraft in den Schuss bekam.

Nur zwei Minuten später belohnten sich die Bayern dann aber für die kleine Druckphase: Einen Fehlpass der Gäste nutzte Bouna Sarr mit einem Tempolauf zur Grundlinie. Seine flache Hereingabe schob Choupo-Moting ein. Und eigentlich hätten die Münchner sogar mit einer 2:1-Führung in die Pause gehen müssen. Zirkzee setzte sich im Zentrum gut durch, ließ den Torhüter am Ball vorbeirutschen, nahm dann aber mit zu viel Selbstsicherheit das Tempo aus seiner Aktion und so konnte Perr Schuurs ihn im letzten Augenblick abgrätschen. Eine kuriose Szene zum Abschluss der ersten 45 Minuten.

2. Halbzeit

Im zweiten Durchgang knüpften die Bayern dann an die starke Schlussphase der ersten Halbzeit an. Zunächst verpasste Choupo-Moting per Seitfallzieher nach einer Sarr-Flanke, kurz darauf köpfte Upamecano knapp übers Tor. Dann aber ging die Mannschaft von Nagelsmann mit 2:1 in Führung. In der 48. Minute verwandelte Nianzou eine Rhein-Flanke per Kopf.

Der Vorsprung hielt allerdings nicht lange. Ein abgewehrter Freistoß landete bei Jensen, der aus der zweiten Reihe zum 2:2 einschoss (50.). Bayern blieb im Vergleich zur ersten Halbzeit dennoch aktiver und hielt so auch die Gäste vom eigenen Tor weitestgehend fern. In der 61. Minute wechselte Nagelsmann dann aber einmal komplett durch. Alle zehn Feldspieler gingen vom Feld und dafür kamen:

  • Motika, Brückner, Wenig, Vidovic, Tillman, Vita, Arrey-Mbi, Lawrence, Mamedova und Mosandl

Damit hatten die Feldspieler nun ein Durchschnittsalter knapp über 18 – was sich aber nicht zwingend auf dem Platz zeigte. Die nun deutlich jüngeren Bayern agierten nach einer kleinen Eingewöhnungsphase mutig und kamen immer mal wieder gefährlich in die Hälfte der Gäste.

Doch auch Ajax hatte in den letzten Minuten noch die eine oder andere Gelegenheit. Meist kamen die Bayern noch mit einem Fuß oder Ulreichs Hand dazwischen. Letztendlich ist das 2:2 ein wohl leistungsgerechtes Ergebnis, auch wenn die individuell besser besetzte Ajax-Mannschaft mehr Spielanteile hatte.

Dinge, die auffielen

1. Sieb und Rhein zeigen gute Ansätze – und wo es ihnen noch fehlt

Armindo Sieb und Torben Rhein dürften im aktuellen Kader der ersten Mannschaft zu den Spielern zählen, die in den kommenden Monaten an der Schnittstelle zur Profimannschaft agieren. Gegen Ajax zeigten sie zumindest teilweise, warum das so ist. Dass Nagelsmann von Sieb beeindruckt ist, ist kein Geheimnis. Vor der Partie lobte der Trainer den tiefen Körperschwerpunkt im Dribbling, die schnellen Bewegungen und eine gewisse Torgefährlichkeit.

Aufgrund der insgesamt eher dürftigen Offensivleistung der gesamten Mannschaft fiel es ihm schwer, sich dauerhaft einzubringen, aber wenn er am Ball war, konnte er Dynamik und gute Aktionen in engen Räumen einbringen. Seine Entscheidungsfindung und noch mehr Aktivität beim Fordern von Bällen sollten auf der To-do-List ganz oben stehen, aber wenn die Münchner auf dem Transfermarkt keinen weiteren Offensivspieler mehr verpflichten, hat er vielleicht gute Karten auf den einen oder anderen Einsatz in der kommenden Saison.

Bei Torben Rhein ist ein solches Fazit noch etwas weiter weg. Sein Talent steht außer Frage und auch gegen Ajax brachte er sich in einzelnen Situationen wieder gut ein. Besonders seine Vororientierung sticht heraus. Mit vielen Kopfbewegungen beobachtet er alle paar Sekunden seine komplette Umgebung, wodurch er im Moment des Ballerhalts genau weiß, was ihn aus welcher Richtung erwartet. Das können nicht viele Spieler auf hohem Niveau, aber Rhein zeigt mit dem Ball viel Ruhe und Übersicht. Ob er dieses Niveau insgesamt erreichen kann, wird auch davon abhängen, ob er sich in anderen Bereichen steigern kann. Noch führt er zu wenige Zweikämpfe, lässt hier und da die nötige Aggressivität vermissen und wird zu oft einfach überspielt. Mit dem Ball ist er gar nicht so weit weg vom erweiterten Profikader. Ohne Ball hingegen muss er noch den einen oder anderen Entwicklungsschritt gehen.

2. Joshua Zirkzee – Eine Szene wie eine Spielerbeschreibung

Als Zirkzee kurz vor der Pause die große Chance zur Führung vergibt, ist die gesamte Szene eigentlich die perfekte Beschreibung seines Status-quo. Schon seit Jahren kritisieren seine Trainer eine gewisse Laissez-faire-Einstellung. Auch bei ihm steht das grundsätzliche Talent gar nicht so sehr in Frage. Physisch, technisch und taktisch bringt er vieles mit, um in der Bundesliga irgendwann zu den besten Stürmern zählen zu können.

In den entscheidenden Situationen aber fehlt ihm der Tick Durchsetzungskraft. Er schaltet zu schnell ab, lässt sich von negativen Momenten herunterziehen und wirkt nicht immer hundertprozentig konzentriert, teilweise sogar abwesend. Als er wenige Momente vor seinem eigentlichen Tor abschaltet und Schuurs ihm den Ball abgrätscht, ist das das Paradebeispiel für alles, was ihm aktuell noch fehlt.

Den Stab sollte man allerdings nicht über Zirkzee brechen. Er ist nach wie vor ein junger und entwicklungsfähiger Spieler. Seine Anlagen bleiben herausragend. Wie er sich am Spiel beteiligt, sich immer klug in den Zwischenräumen positioniert und in gute Abschlusspositionen gelangt, ist bemerkenswert gut. Die Frage für seine kommende Karriere wird sein, ob er sich mental entscheidend verbessern kann.

3. Bouna Sarr – Lieber noch nicht abschreiben?

Jemand, der gegen Ajax durchaus positiv zu überraschen wusste, war Bouna Sarr. Der Franzose wurde aufgrund einer sehr schwachen Debütsaison vielerorts bereits abgeschrieben. Zumindest in diesem Testspiel hatte er aber in der Offensive einige gute Aktionen. Wenn er die Unterstützung seiner Mitspieler erhält, kann er ein solider Kombinationsspieler sein. Nicht nur seine Vorlage zum 1:1-Ausgleich war zudem gut initiiert, sondern auch einige Eins-gegen-eins-Situationen waren durchaus gut fürs Bayern-Spiel. Ob das jetzt der große Indikator für eine überraschende Wendung ist, steht in den Sternen, aber mit seiner ersten echten Vorbereitung beim FC Bayern könnte er vielleicht doch noch der Rotationsspieler werden, den man sich in ihm erhofft hatte.

4. Taktische Beobachtungen

  • Gegen Ajax gingen die Bayern gerade in der ersten Halbzeit nur selten ins hohe Pressing. Stattdessen standen sie sehr kompakt in einem 4-4-2-Mittelfeldpressing – sowohl vertikal als auch horizontal versuchten sie, die Räume stark zu verknappen. Das bot Ajax ein paar Räume auf den Flügeln an, die sie aber nur selten zu nutzen wussten. Trotz der zwei Gegentore und einiger individueller Fehler sah das defensiv gar nicht so schlecht aus. Allerdings gab es auch viele Spielphasen, in denen die Bayern gar keinen Zugriff aufs Geschehen bekamen.
  • Ob diese Spielweise ein Fingerzeig für die Zukunft war, ist mehr als fraglich. Wahrscheinlich ergab sich vieles auch einfach aus der individuellen Unterlegenheit gegen ein sehr gut eingespieltes Ajax. Die Spieler der Gäste kennen sich untereinander schon sehr gut, während die Bayern kaum auf feste Abläufe zurückgreifen können. Diese Abstimmungsprobleme waren in vielen Situationen offensichtlich. Deshalb fallen die aktuellen Schwächen auch noch in die Kategorie „typisch Vorbereitung“.
  • In der zweiten Halbzeit gab es einige bessere Pressingmomente. Bayern stand insgesamt etwas höher und kam so auch zu mehr Ballgewinnen. Nagelsmann sagte nach der Partie bei RTL: „Wir haben in der zweiten Halbzeit taktisch umgestellt […], mehr Mann gegen Mann gespielt und so auch weniger Pressingauslöser gebraucht.“
  • Ansonsten ist zumindest die Bemühung auffällig, den Ballvortrag variabel zu halten. Einige Kombinationen im Spiel nach vorn waren schon sehr sehenswert und gerade als Cuisance und Rhein mehr Selbstvertrauen hatten, ging auch deutlich mehr über das Zentrum als in der Anfangsphase. Viele der Abläufe aus dem Köln-Spiel waren auch gegen Ajax wieder zu erkennen, wenngleich den Bayern das Personal fehlt, um sie über 90 Minuten häufiger zeigen zu können.
  • Auffällig war, dass die beiden Außenverteidiger Stanišić und Sarr im letzten Drittel nicht immer bis zur Grundlinie durchgingen, sondern für zweite Bälle auch mal zentraler am Stafraum lauerten. Das Hinterlaufen der Flügelspieler blieb zwar ein wichtiges taktisches Mittel, aber auch das Vorderlaufen und Einrücken könnte unter Nagelsmann wieder mehr Bedeutung bekommen.
  • Ein kleiner Niveauunterschied war durchaus zu spüren, als Nagelsmann zehn sehr junge Spieler einwechselte. Dennoch schlug sich die neu formierte Bayern-Mannschaft sehr gut. Mit viel Mut und Selbstvertrauen stellten sie sich der Herausforderung und schafften es, Ajax Paroli zu bieten. Es ist immer ein gutes Zeichen für den Trainer, wenn seine taktische Ausrichtung auch mit etwas geringerer individuellen Klasse funktioniert – gerade zu so einem frühen Zeitpunkt in der Vorbereitung. Zumal die Bayern weiter darum bemüht waren, Fußball zu spielen, statt dem Gegner kampflos den Ball zu überlassen.



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