RaBatz im Topspiel gegen Leipzig: Bayern verteidigt Tabellenführung
Entsprechend mutig wollte Julian Nagelsmann seine Mannschaft in die Partie schicken. Auf der Pressekonferenz kündigte er an, die Bayern unter Druck setzen zu wollen. Auf dem Papier stand dementsprechend ein mal mehr, mal weniger klares 4-3-3. Dayot Upamecano und Marcel Sabitzer konnten trotz kleinerer Probleme unter der Woche starten.
Auf der anderen Seite setzte Hansi Flick auf das vermeintlich beste Personal, das ihm aktuell zur Verfügung steht. Das bedeutete auch, dass Javi Martínez den Vorzug vor Marc Roca im Mittelfeld bekam. David Alaba musste links hinten beginnen, weil Lucas Hernández mit Oberschenkelprobleme nicht zur Verfügung stand, Niklas Süle ersetzte den Österreicher innen. Vorn startete Leroy Sané statt Serge Gnabry.
Falls Ihr es verpasst habt:
Leipzig ließ den Worten Taten folgen und begann druckvoll. Bereits in der zweiten Minute setzte Sabitzer einen Distanzschuss an die Latte. Bayern spielte viele lange Bälle, die postwendend zurückkamen. Und so ergaben sich auch in der Folge mehrere gute Kontermöglichkeiten für RaBa.
Fast schon folgerichtig gingen die Gäste in der 20. Minute in Führung. Nach einem Ballverlust in der Offensive und gescheiterten Gegenpressing war Christopher Nkunku mit nur einem Forsberg-Pass frei vor Manuel Neuer, der zwar rauskam, aber nichts mehr reparieren konnte.
Zu allem Überfluss musste in der 25. Minute Martínez verletzt runter. Für ihn kam Jamal Musiala. Ein weiteres klares Signal in Richtung Roca. Goretzka begann so schon sehr tief, musste jetzt aber nochmal zurückhaltender agieren.
Das Spiel der Bayern veränderte sich mit Musiala sofort. Der 17-Jährige übernahm direkt Verantwortung, sorgte für mehr Präsenz im linken Halbraum, wodurch das Pressing der Leipziger häufiger mal umspielt werden konnte. Nach einer langen Kombination zwischen ihm, Müller, Alaba und Coman war er es, der die Bayern auch ergebnistechnisch wieder auf die Spur brachte. Ein sehenswerter Distanzschuss bescherte den Münchnern den Ausgleich (30.).
Und Musiala machte direkt weiter. Wieder initiierte er einen sehenswerten Angriff durchs Zentrum, den Müller mit der Führung abschloss (34.). Die sollte aber nicht lange bestehen, denn Leipzig kam wiederum durch Justin Kluivert fast im Gegenzug zum Ausgleich (36.).
Die zweite Halbzeit startete dann ähnlich wie die erste: mit Vorteilen für Leipzig. Schon in der 48. Minute kam RaBa nahezu unbedrängt zum Führungstor. Weder konnten die Bayern Druck auf den Flankengeber ausüben, noch gab es im Zentrum einen Gegenspieler für Forsberg, der den Ball mit dem Kopf nur reindrücken musste.
Leipzig ließ sich nun wieder etwas tiefer fallen, Bayern bekam mehr Spielanteile, ohne aber wirklich gefährlich zu werden. Dann aber nahmen die Münchner mit der Einwechslung von Gnabry (64.) wieder etwas mehr Fahrt auf – und nutzten ihre erste echte Gelegenheit im zweiten Durchgang. Nach einer Coman-Flanke köpfte Müller zum 3:3-Ausgleich (75.). Die Schlussphase gehörte nun nur noch den Bayern. Leipzig lauerte sichtlich müde auf Konter, den Münchnern fehlte wiederum die Idee für den letzten Punch. Und so blieb es letztendlich beim 3:3, mit dem beide Teams wohl gut leben können.
Dinge, die auffielen:
1. Der tiefe Goretzka
Weil Joshua Kimmich im Moment verletzt fehlt, muss Goretzka mehr Aufgaben im Spielaufbau übernehmen. Weil er ein so vielseitig einsetzbarer Spieler ist, kann Flick ihm das auch ohne große Bedenken zutrauen. Dennoch merkt man dem Spiel der Münchner an, dass ein so pressingresistenter und spielintelligenter Partner wie Kimmich einfach fehlt. Goretzka gibt sein Bestes, verteilt die Bälle im Rahmen seiner Möglichkeiten, kann das Geschehen im Zentrum aber nicht ausreichend an sich reißen, um gegen ein Pressing wie das der Leipziger Lösungen zu entwickeln.
Martínez war neben ihm kein Faktor, leitete im Gegenteil sogar fast den Rückstand in der ersten Viertelstunde der Partie ein, weil er zu lange beim Aufdrehen brauchte. Bayerns Mittelfeld fand nicht statt und so dominierte Leipzig die Anfangsphase. Viel schlimmer ist es für die Münchner aber, dass Goretzka durch seine tiefe Rolle in höheren Spielfeldzonen fehlt. Seine Läufe, sein Gegenpressing und seine Torgefährlichkeit können nicht adäquat ersetzt werden. Beim 0:1-Rückstand hätte ein Spieler wie Goretzka in der ersten Gegenpressingwelle zumindest nicht geschadet. Flick muss mit ansehen, dass Goretzka in seiner veränderten Rolle nicht mehr so überragend aufspielen kann wie noch zuvor in der offensiver interpretierten Achterrolle. Und er kann wenig machen, weil selbst ein durchschnittlicher Goretzka momentan im Sechserraum wertvoller ist als alle Alternativen.
2. Musiala bringt Bayerns linke Seite in die Partie
In den ersten zwanzig Minuten hätte man den Eindruck gewinnen können, dass die Bayern ohne Kimmich einfach nicht konkurrenzfähig sind. Doch dann verletzte sich Javi Martínez und Flick brachte den 17-jährigen Musiala. Wie schon gegen Atlético Madrid beeinflusste er das Spiel sofort positiv. Plötzlich hatte Bayern nicht nur längere Ballbesitzphasen, sondern auch Tiefe im Spiel nach vorn. Musiala positionierte sich halblinks klug zwischen den Linien, scheute auch keine engen Räume und verknüpfte dadurch das Aufbauspiel mit den Offensivspielern.
Müller, Coman und Lewandowski waren jetzt besser im Spiel, weil Musiala sie scheinen ließ. Beim 1:1-Ausgleich vollendete er selbst, bei der zwischenzeitlichen Führung initiierte er den Angriff über sein Stellunggspiel und seine Direktheit im Spiel nach vorn. Musiala bringt aber nicht nur die technischen Fähigkeiten mit, um sich unter Druck zu befreien, er hat darüber hinaus schon eine hohe Quote an richtigen Entscheidungen und ist gegen den Ball zumindest präsent und laufstark. Er konnte gewiss nicht alle Probleme lösen, aber es brauchte erst ihn, damit die Bayern ihrem Gegner überhaupt etwas entgegensetzen konnten. Für einen 17-Jährigen kein so ganz schlechtes Zeugnis.
3. Kingsley übernimmt das Comando
Neben Musiala war es vor allem Kingsley Coman, der das Spiel entscheidend mitbestimmte. Seine drei Assists lesen sich auf dem Papier schon großartig, doch was sich in Zahlen kaum ausdrücken lässt, ist die Reife, mit der er in dieser Saison spielt. Unter Flick kam Coman endlich in einen regelmäßigen Rhythmus – vielleicht auch deshalb, weil er nur wenige Spiele über die volle Distanz gehen musste. Sein Fitnesslevel ist mutmaßlich so gut wie noch nie. Coman sorgt vorn für Gefahr, arbeitet aber auch zuverlässig gegen den Ball und in der Rückwärtsbewegung. Aktuell ist er der beste Flügelspieler beim FC Bayern. Das hätte so vor der Saison nicht jede*r getippt.
4. Upamecano – einer für die Bayern?
Spieler, die gegen den FC Bayern überzeugen, stehen automatisch auf der Liste für einen zukünftigen Transfer. Um Upamecano gab es bereits in der Vergangenheit einige Gerüchte. Der Franzose überzeugte am Samstagabend nicht zum ersten Mal gegen den FC Bayern und Robert Lewandowski. Er ist schnell, stark am Ball, souverän in seiner Entscheidungsfindung und unfassbar präsent. Wenn Upamecano spielt, ist Lewandowski oftmals abgemeldet und das gelingt nicht vielen Verteidigern. Mit einem alternden Boateng und dem wohl bevorstehenden Wechsel von Alaba wäre Upamecano eine Überlegung wert. Wenngleich die Konkurrenzsituation dann beachtlich wäre. Aber allein die Partie heute zeigte auf beiden Seiten, wie wichtig ein breiter Kader ist.
5. Without pre-season no precision?
Warum sind die Bayern aktuell so verwundbar? Auch gegen Leipzig ist es über weite Strecken die Präzision, die dem Spiel der Bayern fehlt, was wiederum dafür sorgt, dass Gegner verhältnismäßig mehr Kontersituationen und Chancen bekommen als noch in der letzten Saison. So simpel wird Leipzig wohl nie wieder drei Tore in München erzielen. Liegt das nun an Ausfällen, die nicht kompensiert werden können? Liegt es an taktischen Nachlässigkeiten des Trainers? Oder ist es doch einfach die mentale Müdigkeit, die sich in die Köpfe geschlichen hat? Vermutlich von allem ein bisschen. Hilfreich wäre es, wenn wenigstens die Neuzugänge dann auf einem höheren Niveau funktionieren könnten, doch die haben aus nachvollziehbaren Gründen ebenfalls noch große Defizite. Dazu zählt, dass es in dieser Saison keine Vorbereitung gab, in der man sie hätte integrieren können.
Und so bleibt die unbefriedigende Antwort auf die Frage nach dem Warum, dass Bayern auf diesem Niveau viele kleine Nuancen fehlen, die sich zu großen Problemen zusammenaddieren. An diesem Abend kam noch ein Gegner dazu, der seine Chancen zu nutzen wusste. Kämpferisch ist dieser Mannschaft erneut kein Vorwurf zu machen. Allein wie sie in schwierigen Spielsituationen immer wieder zurückkam, verdient großen Respekt. Übrigens trifft das auch auf die Leipziger zu. Beide haben ihre Grenzen längst überschritten und man merkt ihnen von Spiel zu Spiel mehr an, wie dringend sie die Weihnachtspause brauchen. Ob die dann ausreichen wird, um den weiterhin engen Spielplan im neuen Jahr zu bewältigen? Das bleibt abzuwarten.