Bayern mausert sich zum 4:1 über Stuttgart
Doch bereits vor der Partie gab es viel Diskussionsstoff. Würde Kovač erneut nicht rotieren? Was ist da mit James los? Und kommt Hudson-Odoi nun doch noch nach München? All diese Themen hätten ihren eigenen Artikel verdient. Schlussendlich müssen diese Themen hinten angestellt werden. Denn Schiedsrichter Frank Willenborg nahm darauf keine Rücksicht und pfiff um punkt 15:30 Uhr das Spiel gegen den VfB Stuttgart an.
Falls Ihr es verpasst habt:
Kovač schickte tatsächlich dieselbe Mannschaft auf den Rasen wie schon in Hoffenheim.
VfB-Trainer Markus Weinzierl rotierte aufgrund der enttäuschenden Leistung gegen Mainz gleich auf fünf Positionen, blieb seinem 4-2-3-1 auf dem Papier allerdings treu. In der Viererkette rückten mit Beck, Insúa und Kabak drei neue Spieler in die Startelf. Gentner rückte eine Position zurück und González spielte dafür auf der Zehn. Außerdem tauschte der Trainer Gómez gegen Donis.
Die Bayern ließen die Partie ruhig angehen und beobachteten erstmal, wie der Ansatz des VfB aussehen würde. Mit der ersten kleineren Druckphase gelang ihnen dann aber der Traumstart. Nach nur fünf Minuten tauchte Coman im Strafraum auf, scheiterte jedoch am Torwart. Im zweiten Anlauf brachte Müller den Ball nach einer eleganten Bewegung zu Lewandowski, der wiederum auf den Torschützen Thiago ablegte.
Mit dem Treffer im Rücken zeigten die Münchner dann eine souveräne Anfangsphase. Vor allem das Trio um Lewandowski, Müller und Goretzka schien wieder sehr gut zu funktionieren. Immer wieder kam die Mannschaft gefährlich in den Strafraum.
Nach knapp 20 Minuten verflachte die Partie aber. Stuttgart bekam mehr Ballbesitzphasen und erste kleinere Möglichkeiten. Bayern hingegen fehlte die Durchschlagskraft nach vorn. Die entsprechende Bestrafung gab es dann, wie so oft in dieser Saison, durch ein Traumtor der Stuttgarter. Donis traf sehenswert aus rund 20 Metern in den Winkel (27.).
Zwar bemühten die Bayern sich bis zur Pause nochmal, doch ein Treffer sprang dabei nicht heraus. Wieder ging eine Halbzeit mit Licht und Schatten zu Ende, die der Rekordmeister nicht für sich entscheiden konnte.
Zur zweiten Halbzeit brachte Kovač dann Gnabry für Martínez und reagierte somit auf eines der Hauptprobleme im ersten Durchgang. Denn der Spanier war kaum präsent in Ballbesitz.
Allein schon wegen der 55. Minute kann diese Entscheidung des Trainers als absolut richtig bewertet werden. Denn da kamen die Münchner endlich mal wieder druckvoll vor das Tor der Gäste. Abgeschlossen wurde der Angriff mit einem wuchtigen Schuss Serge Gnabrys, der durch ein Eigentor Gentners den Weg ins Tor fand.
Doch Bayerns Spiel blieb extrem instabil. In der 64. Minute traf Stuttgart aus einer kuriosen Situation heraus nur den Pfosten. Es hätte der neuerliche Ausgleich sein können. Im direkten Gegenzug wurde Lewandowski dann jedoch im Strafraum gefoult. Den fälligen Elfmeter setzte der Pole ebenfalls an den Pfosten.
In der 71. Minute gelang der Treffer zum 3:1 allerdings. Nach einer Ecke traf Goretzka per Kopf. Nun schien die Partie entschieden zu sein. Stuttgart wollte zwar merklich noch was versuchen, konnte dem Spielverlauf aber nichts mehr entgegensetzen.
Es kam für die Schwaben sogar noch schlimmer. Obwohl sie die Partie lange offen gestalten konnten, gerieten sie dann unter die Räder. Lewandowski machte seinen verschossenen Elfmeter wieder gut und erzielte in der 85. Minute das 4:1. Kovač nutzte die Situation und ließ Davies debütieren.
Schiedsrichter Willenborg pfiff die Partie dann jedoch genauso pünktlich ab, wie er sie begonnen hatte. So holten die Bayern insgesamt einen wichtigen 4:1-Sieg. Das ist es, was schlussendlich zählt. Und doch muss analysiert werden, warum dieses Spiel über weite Strecken nicht souverän bestreitet werden konnte.
5 Dinge, die auffielen:
1. Martínez ist oft ein Problem
Die Bayern haben nicht erst seit dieser Saison ein Strukturproblem im Mittelfeld, wenn es gegen tiefstehende Mannschaften geht. Auch gegen Stuttgart offenbarte sich das 4-2-3-1 der Münchner in dieser Konstellation als nicht vorteilhaft. Das hängt auch mit der Personalie Javi Martínez zusammen.
Die Stärken des Spaniers liegen vor allem im Spiel gegen den Ball. Er kann gut absichern, Zweikämpfe führen und offensive Partner im Mittelfeld entlasten. All diese Stärken spielen aber weniger eine Rolle, wenn der FC Bayern sich in den meisten Phasen des Spiels nach vorn kombinieren muss. Denn seine Schwächen liegen im Aufbauspiel und im Stellungsspiel in Ballbesitz.
Gegen Stuttgart äußerte sich das Problem darin, dass Martínez oft im bedeutungslosen Raum verschwand. Er war keine Anspieloption und er verlangsamte das Spiel. Viel schlimmer ist jedoch, dass Thiago dadurch tiefer agieren musste. Er übernahm die Rolle des tiefen Spielmachers. Vorne verpassten es Goretzka und Müller wiederum zu oft, die große Lücke zu den beiden Sechsern zu verkleinern. Und so hatten die Bayern keine Ideen, wie sie sich schrittweise in das Angriffsdrittel kombinieren können.
Ein weiteres Problem hatte dadurch Kingsley Coman. Müller besetzte eher den halbrechten Raum und Goretzka war als Zehner eben gefordert, im Zentrum irgendwie den Zwischenlinienraum zu besetzen. Coman fehlte deshalb die Unterstützung im Halbraum. Gerade weil das Martínez-Problem gegen tiefe Stuttgarter vorhersehbar war und mit Gnabry und James zwei Alternativen bereitstanden, muss sich Kovač die bisweilen biedere Leistung im ersten Durchgang mit ankreiden lassen.
2. Eine Führung ist nicht mehr komfortabel
Eine bemerkenswerte Baustelle ist in dieser Saison, dass die Bayern relativ häufig Führungen herschenken. Gründe dafür könnten ebenfalls in der fehlenden Mittelfeldstruktur gefunden werden. Oft wandert der Ball durch die Viererkette, bis ein langer Ball vom Gegner erzwungen wird. Ein souveränes Ballbesitzspiel gibt es dann nicht.
Ein weiterer Grund ist, dass die Münchner immer Phasen im Spiel haben, in denen sie dem Gegner den Ball überlassen, selbst jedoch nicht kompakt und sicher verteidigen. Gerade gegen Stuttgart ging den Bayern stellenweise jegliche Aggressivität ab. Der VfB konnte kombinieren, ohne wirklich gestört zu werden. Früher war eine bayrische Führung beinahe gleichbedeutend mit einem Sieg. Aktuell reichen kleine Schwingungen, um eine Partie zum Kippen zu bringen. Das ist vor allem in Hinblick auf das große Ziel, die Meisterschaft zu gewinnen, problematisch.
3. Kovač passt an
In den vergangenen Wochen und Monaten war es ein großes Problem, dass Niko Kovač auf Fehlentwicklungen im Laufe einer Partie zu spät oder gar nicht reagierte. Gegen Stuttgart korrigierte er seinen Fehler, Martínez aufzustellen, bereits in der Halbzeitpause. Mit Gnabry und einem etwas tieferen Goretzka sollten die Räume besser besetzt werden.
Doch wirklich viel war davon nicht zu sehen. Die Partie blieb aus Sicht des FC Bayern zäh und unsicher. Vielmehr war der ausbleibende Umschwung durch einen richtigen Wechsel ein erneutes Indiz dafür, dass Kovač nicht in der Lage zu sein scheint, taktische Probleme als solche wahrzunehmen. Statt Martínez war es nun eben Goretzka, der im Spielaufbau gemeinsam mit Thiago viel zu tief stand. Statt Goretzka war nun eben Müller nicht in der Lage, die Lücke nach hinten zu schließen, weil er vorne den Zwischenlinienraum besetzen wollte und musste.
Es gab im Prinzip in den meisten Phasen zwei Sechser und einen Zehner. Dem Spiel fehlte ein Zwischenspieler. Und das, obwohl mit Goretzka ein guter Mann dafür auf dem Platz stand. Immerhin in der Schlussphase des Spiels wurde es etwas besser. Dann kam mit James nicht nur ein spielstarker Zehner, sondern auch Goretzka positionierte sich, vermutlich durch den geweckten Torhunger, etwas höher. Eine weitere Begründung für das dann etwas bessere Ballbesitzspiel der Bayern waren ermüdende Stuttgarter, die nach dem 3:1 nicht mehr an sich zu glauben schienen.
Gerade in der Offensive hat Kovač jetzt durch das meist starke Zusammenspiel zwischen Müller, Goretzka und Lewandowski eine schlagkräftige Option, die er durch Spieler wie James, Gnabry und Coman jeweils noch ergänzen kann. Es fehlt aber an einer Verbindung zwischen Aufbauspiel und Offensive, wenn es gegen kompakte und teils tiefstehende Gegner geht. Nach dieser Verbindung sucht der Trainer seit Saisonbeginn vergebens.
4. Kovač vs. James?
Das vermeintliche Missverständnis zwischen Niko Kovač und James Rodríguez wird zunehmend zur öffentlichen Debatte, die auch das Fanlager des FC Bayern in zwei Teile zu spalten scheint. Erneut bekam der Kolumbianer keinen Einsatz von Anfang an, obwohl er in nur kurzer Zeit in Hoffenheim zu überzeugen wusste.
Aus pragmatischer Sicht gibt es dafür gute Argumente. Einerseits funktionierten Goretzka, Müller und Lewandowski vorne sehr gut. Es gibt also keinen Grund, daran etwas zu ändern. Andererseits ist Kovač derzeit vor allem an Stabilität interessiert. Unabhängig davon, wie man diesem Ansatz gegenüber steht, muss man konstatieren, dass Goretzka und Müller hier passender sind. Stand jetzt.
Und doch wird die Causa langsam zum echten Problem. Auf der Pressekonferenz äußerte Kovač, dass südamerikanische Spieler emotionaler wären und deutete damit disziplinarische Schwächen beim Kolumbianer an. Unter den Bayern-Fans scheinen sich nun zwei Standpunkte aufzutun. Der Groll gegen James wird auf der einen Seite zum Vorwurf gegen Niko Kovač. Auf der anderen Seite werden dem Spieler Disziplinlosigkeit und fehlender Teamgeist unterstellt.
Dabei ist eine endgültige Positionierung derzeit unmöglich. Ist ein Trainer mit der Disziplin eines Spielers nicht einverstanden, ist es seine Pflicht, Konsequenzen folgen zu lassen. Der Vergleich mit Franck Ribéry hinkt dabei gewaltig. Ribérys Vergehen beschränken sich auf einen privaten Bereich oder auf Verhalten gegen Spieler anderer Vereine. Sie stören das Mannschaftsgefüge also nicht. Bei James rumort es seit Wochen, dass er sich über die Mannschaft stellen würde. Das ist dann für einen Trainer ein Problem, das anders gewichtet werden muss.
Auch für den Kolumbianer gilt aber, dass ihm nichts vorgeworfen werden kann, was nicht eindeutig belegt werden kann. Und so ist die Schuldfrage nicht endgültig zu klären. Zumal zu einem Missverständnis oder Disput immer mindestens zwei Parteien zählen. Fakt ist jedoch, dass die Probleme, insofern sie in dieser Schärfe überhaupt existieren, schnellstens ausgeräumt werden sollten. Denn diese Art Unruhe tut dem Klub nicht gut. Heute hätte ein James dem Spiel der Bayern gut getan.
5. #niewieder
Doch Fußball war an diesem Tag nur zweitrangig. Der 27. Januar ist der Tag der Erinnerung an die Opfer des Holocausts. Max Mannheimer, Überlebender dieser schrecklichen Zeit, sagte einst: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ Rund um die Partien des 19. Spieltags gab es deshalb verschiedene Aktionen, um an die Verbrechen der Nazis und die unzähligen Opfer zu erinnern. In München fanden Passanten und Fans mehrere Erinnerungsinseln. Der Klub hat nicht nur aufgrund seines ehemaligen Präsidenten Kurt Landauer eine besondere Verantwortung zur Erinnerungskultur. Hier wurde er dieser gerecht. Auch wir aus der Miasanrot-Redaktion wollen an die gesellschaftliche Verantwortung erinnern, die wir alle haben. Gegen Fremdenfeindlichkeit! Gegen Rassismus! Gegen Nazis!