3:0! Bayern holt Tabellenführung gegen Belgrad

Justin Trenner 18.09.2019

Niko Kovač verzichtete auf eine ganz große Rotation, änderte aber doch einige Dinge im Vergleich zum Topspiel in Leipzig am Wochenende.  

Falls Ihr es verpasst habt:

Statt Serge Gnabry lief Ivan Perišić auf, Corentin Tolisso rückte neben Thiago auf die Sechs und statt Thomas Müller stand Philippe Coutinho auf der Zehn. Kimmich begann dementsprechend auf der Rechtsverteidiger-Position und Pavard startete statt Boateng neben Süle in der Innenverteidigung. Die Gäste aus Belgrad starteten wie erwartet in einer 4-2-3-1-Grundformation mit Marko Marin als Dreh- und Angelpunkt auf der Zehn. 

Das Spiel begann genauso, wie ein Spiel zwischen klarem Außenseiter und Favoriten eben meistens beginnt: Die Bayern mit viel Ballbesitz, Belgrad darum bemüht, sich tief und kompakt aufzustellen. Dementsprechend sah der Start in die Partie aus Sicht der Münchner auch souverän aus. Lange Zeit fehlte es dem Spiel aber an Tiefe und so blieb der viele Ballbesitz zunächst ohne Ertrag.

In den ersten 20 Minuten hatten die Bayern sieben Abschlüsse, Sechs davon gänzlich ungefährlich, der andere ein Kopfball von Perišić, der letztendlich auch maximal als Halbchance zu werten war. Just als die Bayern dann aber durch einige gute Angriffe ins Spiel zu kommen schienen, kam aber auch die beste Phase der Gäste. Zwischen der 25. und der 30. Minute entstand so eine wilde Phase mit einigen unnötigen Ballverlusten der Münchner und ein paar ordentlichen Kontersituationen durch Belgrad.

In der 34. Minute kam dann aber die Erlösung: Nachdem Manuel Neuer mit viel Risiko einen Angriff des Gegners stoppte und so einen Konter einleitete, setzte sich Perišić am Flügel durch und bediente Coman mit einer gefühlvollen Flanke. Der Franzose köpfte zur Führung. Anschließend hatte die Mannschaft von Niko Kovač die beste Phase. Gerade über Coutinho, der bereits vorher als Zentrum vieler Kombinationen glänzen konnte, liefen jetzt einige sehenswerte Kombinationen. Zu einer höheren Führung reichte es aber nicht mehr und so ging es mit einem 1:0 in die Pause.

Der zweite Durchgang verlief ähnlich wie der erste. Bayern hatte weiterhin hauptsächlich den Ball und Belgrad wartete auf Einladungen der Münchner. Gerade in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit verpasste die Mannschaft von Niko Kovač es, mit dem zweiten Tor für klare Verhältnisse zu sorgen. Und so bekamen die Gäste immer wieder ihre Chancen. Die größte davon hatte Marko Marin in der 78. Minute. Auch Martínez und Gnabry, die in der 65. Minute für Tolisso und Perišić kamen, brachten nicht die nötige Schärfe ins Spiel ihrer Mannschaft.

Obwohl klar überlegen, blieb immer das Gefühl, dass Belgrad mit nur einer konsequenter zu Ende gespielten Situation ausgleichen könnte. Lewandowski beendete die Hoffnung der Serben dann aber in der 80. Minute. Ein gescheiterter Doppelpass mit Gnabry landete wieder bei ihm und er drückte den Ball über die Linie. Die Vorentscheidung. 

Hätte Marcel Reif dieses Spiel kommentiert, hätte er wohl nicht seine beliebte Phrase aus der Kiste geholt, dass der Zirkus in der Stadt gewesen sei. Zu unspektakulär und glanzlos war der Auftritt der Bayern. Doch einen Höhepunkt hatte das Spiel am Ende noch zu bieten. Der mittlerweile eingewechselte Thomas Müller erzielte ein Tor, das so vermutlich nur er erzielen kann. Gefühlt hatte er es seit der WM 2014 immer wieder bei Freistößen probiert, doch gegen Belgrad gelang es endlich: Thiago, der direkt am Ball stand, lupfte ihn über die Mauer, wo Müller in den freien Raum startete und per Direktabnahme einnetzte. Ein schönes Tor.

Unter dem Strich bleibt ein Pflichtsieg, der einige positive Eindrücke aus dem Leipzig-Spiel bestätigte, gleichzeitig aber auch einige Schwächen offenbarte. Mit dem 3:0 stehen die Bayern nun an der Tabellenspitze ihrer Gruppe. 

Dinge, die auffielen:

1. Zu wenig Mut zur Geduld?

Es war deutlich zu erkennen, dass die Bayern auch gegen Belgrad darum bemüht waren, mehr zu kombinieren und die Lücken beim Gegner durch Läufe und Pässe in die Tiefe statt durch Flanken aufzureißen. Letztendlich fehlte ihnen dafür aber die Geduld. Gerade vor dem Führungstreffer gab es etliche Szenen, in denen zu schnell eine Abschlusssituation gesucht wurde, statt den Gegner zu bewegen und geduldig auf die Lücke zu warten. Flanke um Flanke segelte in den Strafraum, doch wirklich gefährlich wurde es selten. Aus den insgesamt 18 Abschlüssen erspielten sich die Münchner im ersten Durchgang nur 1,35 Expected Goals, wovon der Großteil durch das Tor von Kingsley Coman abgedeckt wurde.

Auch in der zweiten Halbzeit blieb es dabei, dass die Bayern zu überhastet agierten. Am Ende der Partie waren es 33 Abschlüsse, wovon 16 von außerhalb des Strafraums kamen. Die Expected-Goal-Metrik von “infogol” zählte nur vier Abschlüsse mit einer Torwahrscheinlichkeit von 25%, darunter die drei Tore. Es bleibt das Gefühl, dass die Bayern noch mehr Druck auf ihren Gegner hätten ausüben können, hätten sie ihre Angriffe geduldiger ausgespielt.

Dabei waren die Ansätze mal wieder gar nicht so schlecht. Über den sehr umtriebigen Coutinho gelang es den Bayern oft genug, zwischen die Linien zu gelangen und über sehenswerte Kombinationen Räume zu kreieren. Letztendlich kam in den letzten Zügen dieser Angriffe aber doch ein Gefühl von Nervosität auf, das größere Chancen verhinderte. An dieser Ungenauigkeit müssen die Münchner einerseits arbeiten. Andererseits wird es eine Aufgabe des Trainerteams sein, nicht jede Situation für einen Pass in die Tiefe oder eine Flanke zu nutzen. Mehr Ruhe, weniger Abschlüsse und dafür mehr Qualität sowie eine höhere Wahrscheinlichkeit auf Tore täten den Bayern gut. Nichtsdestotrotz sind 3,65 Expected Goals ein guter Wert gegen eine Mannschaft, die den eigenen Strafraum zumauern wollte. 

2. Steil-Klatschtinho

Coutinho war einer der Spieler, denen man den Vorwurf der Ungeduld nur selten machen konnte. Etwas weniger Fernschüsse und dafür noch mehr seiner herausragenden Pässe in die Tiefe wären zwar wünschenswert, doch das ist eben sein Spiel. Und ehrlicherweise war auch fast jeder dieser Abschlüsse gefährlich. Besonders stark war aber sein Kombinationsspiel. Coutinho war viel unterwegs, suchte immer Dreiecke und Rauten und tat so dem Positionsspiel seiner Mannschaft extrem gut.

Dabei beschränkte der Brasilianer nicht nur auf den Zehnerraum. Er kippte immer mal wieder tief ab und unterstützte Thiago somit im Spielaufbau. Außerdem achtete er beinahe penibel darauf, dass die Abstände zu den anderen beiden Mittelfeldspielern im Zentrum nicht zu groß werden. Coutinho glänzte mit Spielwitz und Laufbereitschaft. Links überlud er mit seinen Mitspielern den Halbraum, löste enge Situationen auf und entschärfte damit ein ums andere Mal die tickende Flankenbombe auf der Außenbahn. Sehenswert war vor allem sein Kombinationsspiel mit Lewandowski.

Immer wieder bediente er den Polen mit Steilpässen zwischen die Linien und rückte so schnell nach, dass er den Ball direkt zurück bekam. “Steil und Klatsch” war schon in Leipzig ein beliebtes taktisches Mittel der Münchner. Doch mit Coutinho bekam das gleich nochmal eine andere Qualität. Wenn man überhaupt ein Haar in der Suppe finden möchte, dann war es die manchmal zu tiefe Positionierung des Brasilianers. In einigen Situationen stand er Thiago und Tolisso zu sehr auf den Füßen. Je länger das Spiel aber dauerte, umso besser verstand er es, seine Rolle im System sehr gut auszuführen.

3. FC Baviére mit Licht und Schatten

Die französische Abteilung des FC Bayern wurde in diesem Sommer um einige Gesichter ergänzt. Bis auf Mickaël Cuisance standen sie alle in der Startelf: Pavard, Tolisso, Coman und Hernández. Sie alle können dabei auf unterschiedliche Leistungen zurückblicken.

Coman und Pavard bestätigten dabei ihren Formtrend und wussten auch gegen Belgrad zu überzeugen. Während Pavard hinten für Sicherheit sorgte und im Aufbauspiel den einen oder anderen Akzent setzen konnte, war Coman vorne an vielen Angriffen beteiligt. Der Flügelstürmer ist als Kombinationsspieler ebenso stark wie im Eins-gegen-eins und trifft derzeit viele kluge Entscheidungen auf dem Platz. Gerade die weiter oben kritisierte Ungeduld konnte man ihm nicht zum Vorwurf machen. Coman bricht ab, wenn es richtig ist und geht ins Risiko, wenn es sich lohnt. Im Moment ist sein Spiel sehr reif und auch torgefährlich. In den letzten 15 Pflichtspielen für den FC Bayern war er an 15 Treffern direkt beteiligt.

Bei Hernández merkte man zuletzt in Leipzig aber auch gegen Belgrad, dass er als Linksverteidiger kein 1:1-Ersatz für David Alaba ist. Aber er löst seine Aufgabe defensiv solide und beteiligt sich offensiv an einigen Kombinationen. Er ist eben einen Innenverteidiger mit der Möglichkeit, einen sehr ordentlichen Linksverteidiger zu geben, wenn er dort gebraucht wird. Mit dieser Qualität ist er schon ein Gewinn für diese Position.

Eher weniger gewinnbringend ist aktuell Tolisso. Der Mittelfeldspieler scheint nach seiner Verletzung große Probleme zu haben, zu seinem Spiel zurückzufinden. Gerade neben Coutinho und Thiago fiel seine schlechte Entscheidungsfindung einmal mehr deutlich auf. Seitenverlagerungen, die Perišić regelmäßig unter Druck setzten, einfache Ballverluste und insgesamt wenig Einfluss auf das Kombinationsspiel kennzeichneten seine blasse Leistung. Tolisso wird sich in den kommenden Monaten sehr strecken müssen, will er regelmäßig von Anfang an spielen.

4. Mental nicht ganz auf der Höhe

Die Kritik an der taktischen (zu schnelle Abschlüsse; siehe Punkt 1) und an der individuellen Leistung (siehe Punkte 2-3) ist die eine Sache. Die andere ist, dass die Bayern zu viele Konzentrationsschwächen offenbarten. Mental waren sie nicht auf dem selben Level wie am Wochenende. Belgrad hatte gerade im zweiten Druchgang mehrfach Konterszenen, in denen die Münchner eher wie Begleitschutz wirkten. Weil die Gäste qualitativ aber nicht in der Lage waren, diese Situationen zu nutzen, blieb die Bestrafung aus. Dennoch sollte es intern nicht auf die leichte Schulter genommen werden, dass die Bayern dieses Spiel nicht mit der richtigen Einstellung über die Ziellinie brachten.