Vorschau: FC Bayern München – Hertha BSC

Justin Trenner 23.02.2018

Keines der letzten 13 Bundesliga-Duelle mit dem FC Bayern konnte Hertha gewinnen. Außerdem verloren die Berliner die letzten 16 Gastauftritte bei einem Tabellenführer. Im Mai 1999 gelang zumindest ein Punktgewinn in München. Auch ganz allgemein ist die Serie der Bayern rekordverdächtig. Erst zum fünften Mal gelang es einer Bundesligamannschaft, die ersten sechs Rückrundenspiele zu gewinnen. Einziger Strohhalm für die Berliner ist die Tatsache, dass sie in dieser Spielzeit noch keine zwei Partien hintereinander verloren. Doch kann diese Statistik halten?

“Es fehlte die Ruhe im Spiel“

Es ist schon sehr beeindruckend, wie die Bayern seit Jupp Heynckes‘ Übernahme von Sieg zu Sieg eilen. Und trotzdem haben sowohl der Trainer selbst als auch seine Spieler nicht vergessen, dass längst nicht alles so gut läuft, wie es die Ergebnisse manchmal vermitteln.

Auch am Dienstag in der Champions League fiel es den Bayern schwer, engagierte Türken in den Griff zu bekommen. „Es fehlte die Ruhe im Spiel“, analysierte Kimmich nach der Partie. Heynckes ergänzte, dass seine Mannschaft nervös begonnen habe.

Es waren gemischte Gefühle, die nicht nur in der Mixed Zone, sondern auch unter den Fans spürbar waren. Thomas Müller traf den Nagel auf den Kopf, als er die Rote Karte als Knackpunkt festmachte. Von da an hatte es Besiktas deutlich schwerer, sich auf das Spiel der Bayern einzustellen. Allein schon deshalb, weil sie mehr Laufarbeit beim Verschieben verrichten mussten.

Die Heynckes-Elf verstand es zunächst nicht gut, die von uns vorher analysierten Schwachstellen des Gegners auszunutzen. Zu langsam wurden die Seiten verlagert, zu hektisch der vertikale Pass in die Tiefe gesucht. Dies führte zu leichtfertigen Ballverlusten und wenig Variabilität im eigenen Spiel.

Erst nach dem Platzverweis fanden die Münchner Wege zwischen die Linien, um von dort aus Coman oder Müller in den gefährlichen Zonen freizuspielen. Besiktas zeigte auf den Außenverteidigerpositionen nämlich genau dann Schwächen, wenn sie vorher in anderen Bereichen des Spielfelds gefordert wurden. Das schnelle Verschieben und Unterstützen ihrer Außen fällt ihnen so schon schwer, in Unterzahl wurde das aber noch verstärkt.

Die Einwechslung half dann zumindest, einen kompakten Gegner mit Handicap auseinander zu ziehen und Wege in den Strafraum zu finden, doch die Probleme wird das in Zukunft nicht lösen. Gerade gegen kompakte und aggressive Mannschaften wird der FC Bayern kreativer, schneller im Kopf und genauer spielen müssen.

Wie beim 1:0, als der FC Bayern auf einer Seite kombinierte, um schließlich Coman auf der anderen Seite in ein Eins-gegen-Eins zu schicken, das er mit seiner Form nur gewinnen konnte. Oder beim 2:0, als Lewandowski in den Halbraum schob, einen Steilpass von Kimmich auf Müller abklatschen ließ und selbst in den Sechzehner startete, um dann den Pass von Müller auf Coman in den Rückraum zu legen. Ein wunderschönes Tor des Franzosen, das mit einem so schlichten Prinzip funktionierte, dass es fast schon ärgerlich ist, es nicht häufiger zu sehen.

Solche einstudierten und fast von selbst funktionierenden Spielzüge gilt es zu vermehren, zu verfeinern und zu verfestigen. Gerade im zweiten Durchgang haben die Münchner es nämlich herausragend verstanden, den Gegner laufen zu lassen und ihn so müde zu spielen, dass schlussendlich ein deutlicher Unterschied erkennbar war. Auch dass die Bayern selbst nicht nachließen und noch auf das vierte und fünfte Tor gingen, ist ihnen hoch anzurechnen.

Die Balance finden

Die Einstellung des Kaders stimmt und auch die physische Form ist bereits auf einem Level, das für ganz große Erfolge ausreicht. Was jetzt noch kommen muss, sind die taktischen Schrauben. Einerseits die Ideen, um gut organisierte Gegner auch in Gleichzahl regelmäßig zu knacken. Andererseits aber auch die Balance aus Vertikalität, Ruhe, Offensive und Defensive.

Besiktas fand in der ersten Halbzeit immer wieder Räume in Kontern, die nicht verteidigt werden konnten. Die Absicherung stimmte nicht und einige Verteidiger erwischten einen nicht so guten Tag, um in letzter Linie noch zu klären. Doch das ist nicht das Hauptproblem.

Es kommt nicht darauf an, dass jeder Einzelne in den Zweikämpfen voll auf der Höhe ist. Es ist wichtiger, dass die Mannschaft kompakt ist. Sie muss als Team angreifen, sich gegenseitig absichern und schon in Ballbesitz gut positioniert sein, um in Umschaltmomenten zu funktionieren.

Martínez wird nicht in jeder Situation den kompletten Sechser-Raum verteidigen können. Hummels wird nicht immer in absoluter Topform sein und jeden Pass des Gegners antizipieren können. Auch Alaba und Kimmich werden mit ihrer Spielweise immer wieder mal Duelle verlieren. Umso wichtiger ist die Unterstützung durch ein taktisches Grundgerüst.

Das perfekte Positionsspiel zu erwarten, wäre zu viel. Doch die Rückkehr Thiagos könnte schon einiges bewirken. James dürfte sich dann endgültig auf seine offensiven Aufgaben fokussieren und der Spanier ist intelligent und stark genug, um dem gesamten Mittelfeld eine bessere Struktur zu geben. Eine, die die Konterabsicherung stärkt, das Gegenpressing weiter verbessert und Martínez in letzter Mittelfeldlinie unterstützt.

Die Bayern werden noch auf viele kompakte Gegner treffen, die genau diese Balance aus spielerischer Kreativität und defensiver Kompaktheit von ihnen abverlangen.

Hertha und die Mini-Chance

Hertha ist vielleicht einer von ihnen. Dardai stellt seine Mannschaft fast schon traditionell kompakt in München auf. Er sieht die einzige Chance der Berliner darin, das Zentrum zu verdichten und den Bayern benannte „Steil-Klatsch“-Momente oder schnelle Verlagerungen durch diszipliniertes Verschieben zu verwehren.

Das gelang mal besser, mal schlechter. In München konnte er als Trainer jedenfalls noch nicht gewinnen. Es gibt auch nicht viele Gründe, weshalb sich das am Wochenende ändern sollte, aber eine Hoffnung gibt es aus Berliner Sicht vielleicht doch.

Die Hertha hatte zuletzt besonders dann Probleme, wenn sie selbst das Spiel machen musste. Ein typisches Bundesliga-Syndrom. Sie schafft es nicht, aus längeren Ballbesitzphasen Raumgewinne zu erzeugen und so kombinativ hinter die gegnerische Abwehrkette zu kommen.

Ganze 13 Pässe spielten die Berliner am vergangenen Spieltag in den Strafraum der Mainzer. Nur zwei kamen an – beide in ungefährlichen Zonen. Herausgespielte Chancen gab es lediglich sechs. Zwei Ecken, ein hoher Schlag von der rechten Seite, zwei Rückpässe, die zu Fernschüssen führten und ein langer Ball aus der eigenen Hälfte, der einen Spieler vor dem Strafraum fand.

Herthas Pässe ins vorderste Drittel gegen Mainz. Gerade die, die in relevante Zonen gehen, sind häufig Fehlpässe gewesen.
(Bilder und Statistiken wurden bereitgestellt von der Stats Zone App – verfügbar im App Store von Apple: Zur App)

Ähnliches kann man auch in weiteren Begegnungen erkennen, in denen die Kreativität aus eigenem Ballbesitz gefordert war. Ein wirkliches Kreativzentrum ist nicht vorhanden und die Gefahr geht meist von Standards oder langen Bällen aus.

Will man nach Argumenten für eine Überraschung der Berliner suchen, dann wohl in der kleinen Chance, dass sie diesmal nicht das Spiel machen müssen. Wie in Leverkusen (2:0-Sieg), wie gegen Dortmund (1:1) oder wie in Leipzig (3:2-Sieg). Das liegt ihnen. Aggressiv verteidigen und über wenige Stationen Räume in der gegnerischen Hälfte finden.

Allerdings sind die Bayern eben nicht Leverkusen, Dortmund oder Leipzig. Sie können sich am Wochenende – wie so oft – nur selbst schlagen. Das war auch im Hinspiel der Fall, als die Mannschaft noch von Willy Sagnol die Wunden der vorangegangenen Wochen leckte.

Und so bleibt Dardais einzige Chance, dass die Münchner fahrlässig mit ihren Chancen umgehen, ihre Balance nicht finden und seine Mannschaft es früh schafft, den Rekordmeister im Spielfluss zu stören.

Doch die Bayern werden sehr wahrscheinlich mit Robben und Ribéry auflaufen, die ihre Wut auf eine Nichtberücksichtigung in der Champions League auf den Platz bringen wollen. Auch Thiago könnte wieder von Anfang an spielen. Der Spanier muss seine Form zwar erst noch finden, aber er war schon in Wolfsburg auf einem guten Weg.

Hinzu kommen möglicherweise weitere Rotationen. Für die Berliner muss das aber nichts Gutes bedeuten. Der Kader der Münchner ist hochmotiviert und auch wenn taktisch derzeit noch Luft nach oben ist, so ist absolut nicht zu erwarten, dass sie gegen Hertha auch nur einen Ball freiwillig herschenken.

Die Bundesligisten im Vergleich.

Fantipp

Im Fantipp tippt einer unserer Leser den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem Tipp aus der Miasanrot-Redaktion. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Fans mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

Diese Woche haben wir uns Marc Schwitzky von Hertha Base 1892 eingeladen.

Marc: Natürlich besteht die alljährliche Hoffnung, dass der FC Bayern in der Bundesliga etwas schleifen lässt. Einige Spieler saßen in der Champions League aber auf der Bank und werden es ihrem Trainer zeigen wollen. Daher kann mit keinem Motivationsabfall gerechnet werden.

Hertha sieht gegen die Top-Teams der Liga aber immer gut aus. Der Fokus auf das Verdichten des Zentrums, das Pressing und das Umschaltspiel liegen Hertha ungemein und so könnte man auch formstabile Münchner etwas ärgern. Dennoch überwiegt die Skepsis. Voraussichtlich tapfere Herthaner werden deshalb mit 0:2 verlieren.

Justin: In der Bundesliga haben die Bayern zuletzt immer so viel gemacht, wie gerade nötig war. Das wäre gegen Wolfsburg fast schiefgegangen. Im Heimspiel gegen Hertha erwarte ich deshalb eine konzentriertere Leistung, wenngleich auch da nach einer möglichen frühen Führung der Gang rausgenommen werden könnte. Letztendlich reicht es für die Bayern zu einem 3:1-Erfolg.