Vorschau: FC Bayern München – Borussia Dortmund

Justin Trenner 29.03.2018

Klopp gegen van Gaal, Heynckes und Guardiola. Tuchel gegen Guardiola. In den letzten zehn Jahren wurde Bayern gegen Dortmund immer auch, und vor allem durch die Trainer geprägt. Auch die Nationalmannschaft trug ganz klar die Handschrift der beiden Klubs, die die Bundesliga in dieser Zeit geprägt haben wie kein Anderer. Doch wie das im Leben so ist, neigt sich alles irgendwann dem Ende zu.

Obwohl der BVB und die Münchner nicht unterschiedlicher sein könnten, stehen sie beide an einer ähnlichen Entwicklungsstufe. In einem klassischen Drama würde man die Duelle zwischen Jürgen Klopp und Louis van Gaal als steigende Handlung bezeichnen. Den Höhepunkt wird die Dortmunder-Seite im Double 2012, die Bayern-Seite im Triple 2013 sehen. Aus neutraler Perspektive war die Gesamtheit der Jahre 2012 bis 2014 wohl die absolute Spitze der Gefühle. Nie zuvor spielten zwei deutsche Mannschaft solch einen schnellen und ansehnlichen Fußball.

Als retardierendes Moment wird im Drama der Moment bezeichnet, der die Katastrophe noch hinauszögert. Aus taktischer Perspektive passt die Zeit von Thomas Tuchel und Pep Guardiola hier nicht ganz rein, aber sie kann durchaus als eine Art Streckung des Höhepunkts bezeichnet werden. Nun befinden sich beide Klubs aber endgültig in der fallenden Handlung. Ihr Ziel ist es, die Katastrophe zu verhindern, und einen Neuanfang zu starten.

Übergangstrainer oder langfristige Lösung?

Und in diesem Aspekt unterscheiden sich die beiden Klubs gar nicht so sehr. Nachdem Peter Bosz es nicht schaffte, seine offensive und mutige Strategie erfolgreich umzusetzen, übernahm Peter Stöger mit einem gänzlich neuen Ansatz. Der Ex-Kölner wollte die wacklige Defensive stabiliseren.

Anhand eines einfachen statistischen Vergleichs lässt sich ein erster Eindruck gewinnen, ob ihm das gelungen ist. Unter Peter Bosz kassierten die Dortmunder in den ersten 10 Spielen 10 Gegentore aus 85 Schüssen. Dabei ließ der BVB gerade gegen Hannover, Frankfurt, Leipzig und Augsburg aber qualitativ sehr hochwertige Chancen zu.

In der Anfangsphase der Saison stand man gegen durchaus schwächere Gegner häufig stabil, doch es muss auch bedacht werden, dass das Selbstvertrauen der Dortmunder dadurch riesig war. In denselben 10 Partien unter Peter Stöger ließ man 122 Abschlüsse zu, kassierte aber nur 9 Gegentore.

Die Zusammenhänge sind schnell erklärt. Schaut man sich die Schusspositionen der Gegner in Hin- und Rückrunde an, und vergleicht diese, wird man in der Bosz-Zeit in fast jeder Partie mindestens 4 sehr große Chancen finden. Stögers BVB hatte zwar gegen Köln, Gladbach und Frankfurt ebenfalls große Probleme, die gefährliche Zone im Strafraum zu verteidigen, doch es entsteht dennoch der Eindruck, dass die Qualität der zugelassenen Chancen im Schnitt abgenommen hat.

Eine Stabilisierung ist Peter Stöger fürs Erste also mindestens teilweise gelungen. Auch die Ergebnisse geben ihm erstmal recht, wobei der Einbruch in der Hinrunde auch erst viel später kam. Für Borussia Dortmund stellt sich nun ganz einfach die Frage, ob ein defensiv stabileres Auftreten schon reicht, um in Stöger eine langfristige Lösung zu sehen.

Schon zu Beginn wurde eifrig darüber diskutiert, ob der Österreicher nur den Heynckes gibt, und nach der Saison schon wieder Geschichte ist. Die Probleme liegen bei den Dortmundern nämlich mittlerweile darin, dass sie fußballerisch und sportlich längst nicht mehr die Nummer 2 in Deutschland sind. Es ließe sich sogar darüber diskutieren, ob sie trotz der Ergebnisse noch unter den Favoriten auf die Champions-League-Plätze stehen.

Im Spielaufbau fehlen die Lösungsansätze, um sich aus gut organisiertem Pressing zu befreien, und die Wege ins Angriffsdrittel wirken eher zufällig als gewollt. Auch die Kreativität im Angriffsdrittel beschränkt sich stark auf die individuelle Klasse des Kaders. Hier waren zuletzt Götze, der kurzweilig fitte Reus, ein wiedererstarkter Schürrle sowie Batshuayi, der den Verein im Sommer voraussichtlich wieder verlassen wird, die Bausteine für Gefahr, und nicht etwa eine extrem ausgeklügelte taktische Marschroute.

Für den BVB steht wiedermal ein Umbruch an. Viele Entscheidungen werden jetzt und im Sommer getroffen. Dann wird sich entscheiden, wohin die Reise des härtesten Bayern-Konkurrenten der jüngeren Vergangenheit geht. Aus der Sicht des Rekordmeisters kann man sich nur wünschen, dass sowohl Trainersuche als auch Kaderplanung so gut funktionieren, dass die Dortmunder wieder stärker werden. Denn nur am Trainer liegt diese sportliche Durststrecke nicht. Sowohl Kaderstruktur als auch die psychische Komponente nach dem Unglück im vergangenen Jahr dürfen nicht außer Acht gelassen werden, wenn man Ursachenforschung betreibt.

Meisterfeier gegen Borussia Dortmund?

Gerade Duelle mit dem FC Bayern haben jedoch immer ihren Reiz. Auch wenn beide eher in Übergangsphasen stecken. Im ersten Aufeinandertreffen mit Stögers BVB hatten die Bayern zunächst keine großen Probleme. Dortmund verschob schlecht, bekam die eigene Raumdeckung somit überhaupt nicht in den Griff. Die Münchner konnten dies gut ausnutzen. Schon zur Halbzeit wäre eine hohe Führung verdient gewesen.

Doch wie so oft in dieser Saison schafften sie es nicht, ihre Leistung über die volle Distanz zu zeigen. So holte man den BVB zurück in die Partie, und konnte sich letztendlich sogar glücklich schätzen, dass es keine Verlängerung gab. Es war eine kuriose Partie, die zeigte, dass die Bayern nur den Bizeps etwas anspannen müssen, um den einstigen Top-Konkurrenten zu dominieren. Sie zeigte aber auch, dass die Sparflamme nicht mehr ausreicht.

Am Wochenende gibt es genügend Motivation. Die Meisterschaft zu Hause gegen Borussia Dortmund fix zu machen, wäre eine schöne Sache. Seit 2000 feierten die Bayern die Schale immer auswärts. In der Allianz Arena gelang es ihnen noch nie. Diesmal könnte es eine Punktlandung geben, wenn Schalke 04 zu Hause gegen Freiburg Punkte lässt, und Dortmund besiegt wird.

Statistisch gesehen, gelang es den Bayern aber noch nie, den BVB in einer Saison 3 Mal zu besiegen. Sportlich gesehen, war die Chance vielleicht nie größer dazu als jetzt. Die strukturellen und individuellen Schwächen sind beim Ballspielverein gerade unter Druck größer, als es die 12 ungeschlagenen Bundesliga-Spiele unter Stöger vermuten lassen.

Die Bayern wiederum sind zuletzt gerade in der Liga aber auch nicht souverän unterwegs gewesen. Nach der Länderspielpause gilt es zwar, das Betriebssystem wieder hochzufahren, doch mit Sevilla steht am Dienstag schon das wichtige Auswärtsspiel auf dem Programm. Heynckes hat wieder mal die Wahl, ob er seine wichtigsten Spieler für dieses Spiel schont, oder ob er sie bereits für die Champions League aufwärmt.

Keine einfache Entscheidung, doch letztgenannte Option scheint die wahrscheinlichste zu sein. Gerade gegen kompakte Dortmunder kann Heynckes gut simulieren, was seine Mannschaft am Dienstag ungefähr erwartet, wenngleich das Niveau in der Champions League das der Dortmunder nochmal deutlich übertreffen wird. In beiden Spielen wird es aber darauf ankommen, Überzahlsituationen herzustellen, und so spät wie möglich auf die gefährlichen Flügelspieler zu verlagern, damit die ihren Platz haben. Wen Heynckes dafür in die Offensive stellt, dürfte die große Frage sein.

James und Müller waren zuletzt unersetzlich. Ribéry hatte zu viele Fehler in seinem Spiel, und Robben stieg erst kürzlich wieder ins Mannschaftstraining ein. Auch die Besetzung im Mittelfeld könnte Spannung bieten. Thiago wusste für die Nationalmannschaft schon wieder zu überzeugen, auf einen fitten Martínez wird kein Verantwortlicher beim FC Bayern freiwillig verzichten. Geht man nach den Leistungen vor der Länderspielpause, dürften Ribéry, Robben und Vidal um einen Startelfplatz kämpfen. Klingt komisch, ist aber so.

Vor der Abwehr Martínez, auf der Acht Thiago. Heynckes setzte Robben im Triple-Jahr einst auf die Bank, um Kroos und Müller spielen zu lassen. Ähnlich könnte es jetzt mit James und Müller sein. Bleibt Ribéry auf der linken Seite. Übrig wäre Vidal, dessen Power und Dynamik gerade im Auswärtsspiel gegen Sevilla wichtig sein könnte, doch wen setzt Heynckes dann auf die Bank?

Gegen Dortmund werden wir vielleicht schon schlauer sein. Es ist jedenfalls nicht damit zu rechnen, dass die Bayern diese Generalprobe freiwillig abschenken. Jetzt zählt es. Jetzt müssen sie Woche für Woche und Tag für Tag stärker, souveräner und einfach rundum besser werden. Die heiße Phase der Saison beginnt, der Kader ist weitestgehend gesund und die Ziele sind klar definiert. Gegen Borussia Dortmund kann dem FC Bayern mindestens ein guter Start ins Saisonfinale gelingen – und vielleicht kann dann sogar auf den sechsten Meistertitel in Folge angestoßen werden. Angesichts der Aufgaben am Dienstag aber nur mit dem in Teilen der Miasanrot-Redaktion bevorzugten Erfrischungsgetränk „Spezi“.

Hinweis: Wer sich über die Entstehungsgeschichte beider Klubs informieren möchte: ein Interview von vor 5 Jahren bietet sich an, um sich vom Schubladendenken – beide betreffend – zu befreien. Hier spricht Dieter Schulze-Marmeling über die Historie des FC Bayern und des BVB.

Fantipp

Im Fantipp tippt einer unserer Leser oder ein Gast den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem Tipp aus der Miasanrot-Redaktion. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Fans mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

Unser Gast ist diese Woche Jan Bux. Er ist ehrenamtlicher Trainer einer U17 in Leverkusen (SV Bergfried Leverkusen), und twittert gern über Sport, im speziellen Fußball.

Jan: Bayern gegen Dortmund, Erster gegen Dritter, Heynckes gegen Stöger und und und… Die Einen wollen nächste Woche Meister werden, die Anderen möglichst das Punktepolster auf Platz Fünf halten. Auch wenn die Vorstellungen der Dortmunder zu wünschen übrig lassen, wird es für Bayern keineswegs ein leichtes Spiel sein. Auch ohne Reus und Kagawa wird Dortmund für Bayern weiterhin schwer zu schlagen sein.

Die Dortmunder setzen wohl, wie im letzten Aufeinandertreffen im Pokal, auf ein 4-2-3-1, welches wirksamer war als die Fünferkette, die Stöger damals ausprobiert hat. Wenn man die Statistik aus dem Spiel recherchiert, und das Spiel rückblickend reflektiert, war Dortmund keineswegs chancenlos. Ein ähnliches Spiel erwarte ich auch am Samstagabend. Heynckes wird sicherlich im Hinblick auf die Champions League rotieren. Es bleibt aber davon auszugehen, dass eine schlagkräftige Elf aufgeboten wird, die eine dominante Spielweise an den Tag legen kann. Und das wird die Herausforderung der Bayern sein: lauernde Dortmunder zu dominieren.

Tipp: 2:1 für Bayern

Justin: Die Bayern werden dieses Spiel wieder von Anfang an kontrollieren, und zwei schnelle Tore erzielen. Ob sie noch rund um die Halbzeit das Dritte nachlegen, wird darüber entscheiden, ob es nochmal spannend wird. Ich tippe ein ungefährdetes 3:1, bei dem die Münchner ab der 60. Minute an Sevilla denken.