Bayern schlägt sich gegen Juventus selbst
Eine brodelnde Kaffeemaschine, ein kleines Licht, das einen einsamen Schreibtisch in einem Hinterzimmer beleuchtet. Darauf ein flimmernder Bildschirm – ungefähr so kann man sich die Miasanrot-Redaktion am Donnerstag um 1 Uhr deutscher Zeit morgens vorstellen.
Der FC Bayern reist mal wieder durch die Welt und wir sind mit allen Notizblöcken dabei, die wir auftreiben konnten.
Falls Ihr es verpasst habt:
Denn das Interesse vieler Bayern-Fans dürfte allein durch die Aufstellungen geweckt worden sein. Kovač setzte erneut auf viele Jugendspieler. So startete mit Shabani, Zylla und Will ein komplettes zentrales Mittelfeld vom Bayern-Campus. Johansson und Stanisic waren ebenfalls dabei. Außerdem gab Gnabry sein Debüt von Anfang an.
Bei Juventus hingegen standen schon mehr erfahrene Spieler in der Startelf – darunter Ex-Münchner Emre Can. Insgesamt waren aber auch die Italiener sehr jung aufgestellt. Bis auf Chiellini (33), Marchisio (32), Pjanić (28) und Alex Sandro (27) war kein Spieler in der ersten Elf über 25.
Den ungewohnten Formationen entsprechend startete die Partie wild. Etwas mehr Sicherheit und Ruhe konnten aber zunächst die Bayern ausstrahlen, nachdem Juve die erste große Chance durch Favilli hatte (2.). Gnabry (5.) und Zylla (7.) vergaben jedoch ihrerseits ebenfalls sehr gute Gelegenheiten auf der anderen Seite.
Insgesamt entwickelte sich die erste Halbzeit so, dass die Bayern oft und viel den Ball hatten, diesen auch gut laufen ließen und sich regelmäßig Chancen herausspielten. Juve wurde immer dann gefährlich, wenn die Münchner einfache Fehler machten. So auch beim Führungstor der Italiener, als Stanisic einen ungenauen Pass auf Ulreich spielte und der Torwart eine falsche Entscheidung traf. Nutznießer war Favilli, der das 1:0 erzielte (33.).
Kovač wechselte noch vor der Pause zum ersten Mal. Für Javi Martínez kam David Alaba (37.). Wenig später stand es dann schon 2:0, als sich die komplette Bayern-Mannschaft von einem langen Ball überspielen ließ. Wieder war Favilli der Torschütze (40.).
Auch nach der Halbzeit änderte sich nicht viel. Obwohl beide Trainer kräftig durchwechselten, hatten die Bayern deutlich mehr Ballbesitz, während Juve auf Fehler lauerte.
Viele Chancen konnten sich die Münchner aber nicht mehr herausspielen und die wenigen wurden nicht genutzt. Das ist definitiv als Kritikpunkt anzuführen. Trotzdem deutet die 2:0-Niederlage gegen Juventus Turin auf eine schlechtere Leistung hin, als es die Realität zeigte.
Letztendlich haben sich die Bayern selbst geschlagen, aber es bleiben trotzdem auch positive Aspekte zurück.
3 Dinge, die auffielen:
1. Die Rollen von Martínez und Alaba
Ja, Hummels, Süle und Boateng stehen Niko Kovač in den USA nicht zur Verfügung. Fast folgerichtig rückte dafür Javi Martínez in die Innenverteidigung. Obwohl diese Entscheidung so klar wirkt, wird es trotzdem spannend, ob das ein erster Fingerzeig für die Zukunft ist.
Martínez hatte in der vergangenen Saison große Probleme, auf der Sechs das Spiel entscheidend mitzugestalten. In der Innenverteidigung wäre er in Ballbesitz nicht mehr so entscheidend. Vielleicht erleben wir die Anfänge eines Plans, den Kovač mit Martínez hat.
Auch die Einwechslung Alabas in die Innenverteidigung kann auf den aktuellen Kader zurückgeführt werden. Kovač‘ bisherige Aussagen deuten trotzdem darauf, dass Alaba einer der entscheidendsten Spieler für die Defensive wird. Seine Rolle auf dem Feld könnte darüber entscheiden, in welcher Grundformation die Bayern spielen.
Noch lässt sich nicht hundertprozentig absehen, wie Kovač mit den beiden Spielern plant. Er scheint sich aber bewusst darüber zu sein, dass beide ihm sehr bei der Stabilisierung der Defensivreihe helfen können.
2. Gutes Mittelfeld-Trio in Halbzeit 1, schwache Umschaltmomente nach Ballverlusten
Mit Shabani, Will und Zylla im Zentrum war nicht unbedingt damit zu rechnen, dass die Bayern das Spiel derart dominant gestalten können, wie sie es über weite Phasen des Spiels machten. Juventus zeigte Niko Kovač, dass es auch in der Champions League nicht so einfach sein wird, sich Phasen ohne Ballbesitz zu nehmen.
Mit dem Ball am Fuß spielten die Münchner aber bisweilen sehr gut. Das lag nicht zuletzt am benannten Trio. Will spielte auf der Sechs einen unaufgeregten und unspektakulären Ball, sorgte aber meist für Sicherheit. Shabani und Zylla unterstützten ihn in den Halbräumen. Gerade Shabani zeigte dabei mehrfach Nadelspieler-Qualitäten und löste enge Situationen geschickt auf.
Gerade in den Umschaltmomenten nach Ballverlusten zeigte die gesamte Mannschaft aber große Schwächen. Juve gelang es mehrmals, die Hintermannschaft des deutschen Meisters mit nur wenigen Kontakten zu überspielen, wenn sie den Ball bekamen. So auch beim 2:0, als ein langer Ball für eine Großchance reichte.
Vielleicht hing das auch mit der fehlenden Erfahrung zusammen, aber Kovač wird mannschaftstaktisch Lösungen finden müssen, um das Ballbesitzspiel gut abzusichern.
Trotzdem kann man besonders den jungen Spielern nur ein Kompliment aussprechen. Dass Juventus mit dem deutlich erfahreneren Mittelfeld nur dann auf Ballgewinne hoffen konnte, wenn die Bayern einfache Fehler machten, spricht klar für sie. Auch in der zweiten Halbzeit änderte sich an diesem Bild nicht viel.
Hervorzuheben wäre auch im zweiten Spiel wieder Renato Sanches, der diesmal etwas weniger entscheidenden Einfluss auf das Spiel hatte, aber erneut einen guten Eindruck hinterließ und vor allem dadurch überzeugte, dass er nicht überdrehte, sondern stets mit der richtigen Balance aus dynamischen Vorstößen und Ruhe agierte.
3. Gute Ansätze trotz schwachem Ergebnis
In Testspielen sollte man die Bewertung komplett vom Ergebnis lösen. Was vom Spiel gegen Juventus Turin bleibt, ist die gute Spielanlage. Die Bayern bildeten viele Dreiecke, unterstützten sich in den Halbräumen und zeigten oft eine sichere Ballzirkulation.
Klar ist aber auch, dass Kovač und sein Team an den Details arbeiten müssen. Das Gegenpressing war nur zu Beginn gut. Danach reichten Juve meist wenige Kontakte, um gefährlich zu werden. Außerdem gilt es, die große Anzahl an individuellen Fehlern zu reduzieren.
Es wäre zwar einfach, die Fehlerquote auf die Jugendspieler zu schieben, doch die andere Wahrheit ist, dass sie in diesen Szenen auch mehrfach nicht gut genug unterstützt wurden.
Zumindest in den ersten beiden Spielen war auffällig, dass die Münchner gerne über die Halbräumen eröffnen. Die Flügelstürmer oder die Außenverteidiger rücken dabei etwas ein und das enge Mittelfeld-Dreieck schiebt ebenfalls in den Halbraum, wo eröffnet werden soll.
Die Anschlussaktionen sind dabei aktuell noch zu berechenbar. Meist wird der jeweils beste Eins-gegen-Eins-Spieler auf der Seite bedient. Variabler wäre dieses Schema, wenn im Zentrum ebenfalls konstant Optionen angeboten würden.
In der ersten Halbzeit gab es da Szenen, in denen Wagner zentral abkippte und als Anspielstation fungierte. Wagner-Klatsch ist durchaus ein probates Mittel, das auch in der vergangenen Saison funktionierte.
Ohnehin wird Kovač daran arbeiten müssen, die Flügelstürmer besser in Szene zu setzen. Ribéry und Coman zeigten sich zwar immer wieder durch ihre individuelle Klasse, aber gerade Robben und Gnabry war anzumerken, dass sie mehr Unterstützung durch das System und die Mitspieler brauchen.
Insgesamt bleibt die Erkenntnis, dass die Bayern oft keine andere Wahl haben werden, als mit über 60% Ballbesitz klarzukommen. Auch wenn Kovač und sein Team hier viel Arbeit vor sich haben, so lässt sich mit der Spielanlage aber arbeiten. Es gab in den beiden Testspielen bisher viele gute Ansätze, die es zu verfeinern gilt. Gerade wenn man bedenkt, wer noch fehlt, ist vorsichtiger Optimismus erlaubt. Der Fokus sollte dennoch darauf liegen, wie die Mannschaft mehr Durchschlagskraft entwickeln kann.