Vorschau: FC Bayern München – SL Benfica

Justin Trenner 04.04.2016

Zuletzt ist Benfica zwei Mal in Folge Meister geworden. Auch in dieser Saison sind sie nach etwas holprigem Start souveräner Tabellenführer. Der portugiesische Rekordmeister hatte nach sieben Spielen bereits drei Niederlagen hinnehmen müssen, verlor in der Folge aber nur noch eine einzige Partie. Neben einem Unentschieden gab es zudem 19 Siege. Die letzte Niederlage musste Benfica am 12.02. in der Liga gegen den FC Porto hinnehmen, als sie zu Hause 1:2 verloren. Danach gab es wettbewerbsübergreifend acht Siege in Folge.

Die Portugiesen haben eine sehr starke Offensive und eine gute Balance in allen Mannschaftsteilen. In der Liga hat nur Sporting CP (17) weniger Gegentore bekommen als der amtierende Meister (19). Vorne hat Benfica mit 76 Toren allerdings 20 mehr erzielt als Sporting, die die zweitgefährlichste Offensive stellen. Auch in der Champions League hat der Bayern-Gegner seine herausragende Offensive präsentieren können. Mit 13 Treffern erzielten sie eine beachtliche Anzahl von Toren. Es gab in der Königsklasse noch kein Spiel, in dem Benfica kein Tor erzielen konnte. Auf der anderen Seite stehen allerdings auch neun Gegentore. Die Bayern haben erst sieben Treffern kassiert, von denen aber alleine Juventus Turin vier Stück gelungen sind. Bei Benfica verteilen sich die Gegentreffer gleichmäßiger über den gesamten Wettbewerb. Erst zwei Spiele konnten die Portugiesen zu Null absolvieren.

Benfica tritt meist in einem 4-2-3-1 (4-4-2 gegen den Ball) an und versucht dabei über eine kompakte Staffelung zu Ballgewinnen zu kommen. Über ihre temporeichen Flügelspieler wollen sie dann die Umschaltmomente präzise und schnell zu Ende spielen. Trainer Rui Vitoria kann dabei auf Spielertypen in der Offensive setzen, die durchaus in der Lage sind den Münchnern wehzutun. Im Abwehrbereich könnte es jedoch sehr eng werden für den portugiesischen Meister. Julio Cesar, Torwart der Gäste, wird ausfallen. Für ihn spielte zuletzt Ederson. Der 35-jährige Luisao ist normalerweise der Abwehrchef. Auch er fehlt allerdings seit Monaten wegen eines Unterarmbruchs und wird auch in München nicht dabei sein. Die große Konstante in der Innenverteidigung ist Jardel. Er ist ein sehr robuster und kopfballstarker Verteidiger. Seine Zweikampfquote von 63% in der Champions League ist sehenswert. Auch im Aufbauspiel ist der Brasilianer ein wichtiger Baustein für Benfica. 90 % seiner Pässe finden in der Königsklasse einen Mitspieler. Mit 505 Ballkontakten hat er zudem in 630 Spielminuten nur 125 weniger als David Alaba in 570 Minuten.

Neben ihm gibt es allerdings eine Lücke. Luisao ist nicht fit und Lisandro Lopez sowie der junge Schwede Lindelöf können meist nicht so souverän auftreten wie Jardel. Auf der rechten Abwehrseite wird André Almeida erwartet. In 476 Champions-League-Spielminuten hat er eine Passquote von 85 % aufzuweisen und bereits ein Tor vorgelegt. Ihm fehlt es allerdings an der nötigen Balance. Defensiv hat er nur 44 % seiner Zweikämpfe gewonnen. Hier könnte es zu einem Schlüsselduell gegen Ribéry oder Douglas Costa kommen. Der direkte Ersatz von Almeida ist Nelson Semedo, der in der Königsklasse bereits auf 270 Minuten kommt. Er ist offensiv nicht ganz so auffällig, aber etwas Zweikampfstärker (50 %). Seine Passquote ist schwächer als die von Almeida (76 %). Auf der linken Seite wird aller Voraussicht nach Eliseu beginnen. Der 32-jährige stand in 695 Champions-League-Minuten auf dem Feld. Er ist ein sehr erfahrener und balancierter Außenverteidiger. Neun Torschüsse, sechs Torschussvorlagen, ein Assist und eine Passquote von 82 % unterstreichen seinen Stellenwert mit Ball. Doch auch ohne Ball macht er einen stabilen Eindruck. Beeindruckende 62 % seiner Zweikämpfe gewinnt der Portugiese. Sein Ersatz wäre der in Barcelona ausgebildete Grimaldo. Tendenziell wäre es für die Bayern also klug, wenn man versucht Eins-gegen-Eins-Duelle auf Benficas rechter Seite zu provozieren, da Eliseu auf der linken deutlich stärker und erfahrener ist.

Im zentralen Mittelfeld ist der Kader Benficas ausgeglichener. Renato Sanches ist nur 18 Jahre alt, kommt aber bereits auf 360 Minuten in der Champions League. Mit 80 % angekommenen Pässen und einer Zweikampfquote von 60 % wusste der junge Portugiese, der aus der eigenen Jugend kommt, durchaus zu überzeugen. Die große Konstante ist allerdings Samaris. Der Grieche absolvierte 490 Minuten im internationalen Wettbewerb und gewann dabei knapp mehr als die Hälfte seiner Zweikämpfe. Auch im Aufbauspiel ist er sehr wichtig für die Elf von Rui Vitoria. 87 % seiner Pässe kamen an und mit 75,85 Ballkontakten pro 90 Minuten zählt er zu den Fixpunkten im Mittelfeld. Darüber hinaus glänzt der 26-Jährige in der Champions League mit 3,8 Interceptions pro Spiel. Er ist somit ein starkes Komplettpaket aus Robustheit, Spielaufbau und Stellungsspiel. Ljubomir Fejsa ist die Alternative im zentralen Mittelfeld. Zwar spielte er erst 204 Minuten in der Königsklasse, dafür wissen seine Statistiken aber zu überzeugen. 68 % Zweikampfquote und 91 % angekommene Pässe sind herausragend, wenngleich die Aussagekraft durch die kürzere Spielzeit etwas abnimmt. Er ist dennoch eine gleichwertige Option zu den genannten Spielern.

Gegen den Ball gibt es für die Bayern einige Schlüsselduelle. Die wichtigsten werden höchstwahrscheinlich auf den Flügeln stattfinden. In der Liga gehen 38 % von Benficas Angriffen über die linke Seite und 37 % über die rechte. Die verbleibenden 25 % finden im Zentrum statt. Der Flügelfokus ist vor allem aus der Geschwindigkeit einiger Spieler begründet. Nicolas Gaitan ist einer der wichtigsten Angreifer für Benfica. Der Argentinier spielt auf dem linken Flügel und wird somit wahrscheinlich Philipp Lahm vor einige Aufgaben stellen. Gaitan kommt pro 90 Minuten in der Champions League auf 2,9 Abschlüsse, 2,4 Torschussvorlagen und 3,2 erfolgreiche Dribblings. Mit vier Toren und drei Torvorlagen zählt er zu den gefährlichsten Spielern. Sein Pendant auf der anderen Seite ist normalerweise Eduardo Salvio, doch der 25-jährige kam in dieser Saison aufgrund von mehreren Verletzungen nicht zu vielen Spielen. Zuletzt bekam er zwar einige Minuten, blieb aber ohne Torbeteiligung und absolvierte noch kein komplettes Spiel. Vermutlich wird Pizzi auf der rechten Seite beginnen, der in der Champions League zwar in 387 Minuten noch an keinem Tor beteiligt war, aber ein sehr solider Spieler ist. Er ist kaum anfällig für Ballverluste und glänzt durch 87 % Passquote sowie mit 2,33 Torschussvorlagen pro 90 Minuten.

Nicolas Gaitan und Jonas beim 2:1 Erfolg bei Atletico Madrid (Bild: Gonzalo Arroyo Moreno / Getty Images)
Nicolas Gaitan und Jonas beim 2:1 Erfolg bei Atletico Madrid
(Bild: Gonzalo Arroyo Moreno / Getty Images)

Auch im offensiven Zentrum hat Benfica einige Optionen. Es wird darauf ankommen, in welcher Grundformation Rui Vitoria seine Mannschaft auf den Platz schickt. Im typischen 4-2-3-1 spielt meist Mitroglou im Sturm. Der Grieche wird dann von Jonas unterstützt, der in diesem System eine Mischung aus Zehner und Stürmer spielt. Überhaupt ist der Brasilianer der Dreh- und Angelpunkt in der Offensive von Benfica. Er und Gaitan sind im linken Halbraum zu gefährlichen Kombinationen fähig. Jonas hat in der Liga in nur 28 Spielen bereits 30-mal getroffen und 13 weitere Tore vorgelegt. Er führt mit diesen 30 Treffern sogar das „Golden Shoe“-Ranking an. In der Champions League war der Stürmer an vier Toren direkt beteiligt (2 Tore, 2 Vorlagen). Mitroglou hat in der Liga schon 18 Tore in 26 Spielen erzielt und bereitete vier vor. In der Königsklasse kommt er auf zwei Tore und einen Assist bei nur 292 Spielminuten. Sollte der Trainer auf den Griechen verzichten, wäre unter anderem Talisca eine Option für die Zehner-Position. Dann würde Jonas ganz vorne reinrücken und der 22-Jährige hinter ihm spielen. Wobei diese Konstellation das System eher in ein 4-3-3 mit zwei Achtern verändern würde. Talisca ist nämlich kein klassischer Zehner sondern eher ein Spielertyp der aus der Tiefe kommt. Der Brasilianer spielt allerdings eine weniger auffällige Saison als noch im letzten Jahr. Eine realistischere Alternative wäre Raul Jimenez. Der Mexikaner stand in der Champions League bereits 433 Minuten auf dem Feld und war dabei an fünf Toren direkt beteiligt (2 Tore, 3 Vorlagen). In der Liga kommt er nur auf 810 Minuten in 22 Spielen, erzielte aber drei Tore und bereitete zwei vor.

Für das Spiel in München ist es auch denkbar, dass Rui Vitoria auf ein 4-5-1 umstellt und so das Mittelfeld kompakter machen möchte. Vielleicht verzichtet er dabei auf eine Sturmspitze und bringt nur Jonas von Anfang an. Denkbar wäre dann ein Mittelfeldzentrum bestehend aus Samaris, Sanches und Fejsa, um die Mitte mit robusten Spielern zu verdichten. Dass Benfica sich hinten reinstellt ist eher nicht zu erwarten. Es wird wohl auf ein Mittelfeldpressing hinauslaufen, in welchem Benfica situativ auch ganz vorne attackieren wird.

Wie er seine Mannschaft auch einstellt, ein Freilos ist dieses Benfica sicher nicht. Die Mannschaft kann sehr gut verteidigen, wenngleich sie dort ihre größten Schwachpunkte hat. Das größte Plus Benficas liegt in der Offensive. Hier geht die Gefahr nicht nur von den herausragenden Spielern Gaitan und Jonas aus, sondern auch von Mitroglou und Pizzi. Zudem hat Vitoria mit Salvio, Talisca und Jimenez weitere gefährliche Akteure in der Hinterhand. Taktisch sind die Portugiesen sehr diszipliniert. Dem FC Bayern fehlte es zuletzt in einigen Partien an Tempo und können die Münchner dieses nicht auf den Platz bringen, wird es gegen Benfica unangenehm. Die Bayern müssen vor allem die Umschaltmomente des Gegners verhindern und das geht am ehesten durch ein genaues Gegenpressing. Mit dem Ball sollte der deutsche Rekordmeister unbedingt einfache Ballverluste vermeiden. Neben einer guten Ballzirkulation braucht es aber auch den Mut für ein hohes Tempo. Gerade hier wird es für die Elf von Pep Guardiola aber auf die Balance ankommen. Zuletzt spielten die Bayern häufig etwas zu ungeduldig und vertikal. Gegen Benfica muss also eine Mischung aus hohem Tempo und der nötigen Geduld gefunden werden, um sich in eine gute Position für das Rückspiel zu bringen.

Statistiken zum Spiel

Alle sechs Pflichtspiele gegen SL Benfica

  • FC Bayern München 4-1 SL Benfica (UEFA Cup, Achtelfinale 1995/96)
  • SL Benfica 1-3 FC Bayern München (UEFA Cup, Achtelfinale 1995/96)
  • FC Bayern München 4-1 SL Benfica (Europapokal der Landesmeister, Achtelfinale 1981/82)
  • SL Benfica 0-0 FC Bayern München (Europapokal der Landesmeister, Achtelfinale 1981/82)
  • SL Benfica 0-0 FC Bayern München (Europapokal der Landesmeister, Viertelfinale 1975/76)
  • FC Bayern München 5-1 SL Benfica (Europapokal der Landesmeister, Viertelfinale 1975/76)

Bilanz

  • Der FC Bayern ist in Pflichtspielen gegen Benfica ungeschlagen. In den sechs Aufeinandertreffen gab es vier Siege und zwei Unentschieden bei 16:4 Toren. 3,3 Tore fallen im Schnitt pro Spiel zwischen diesen beiden Teams.
  • In allen drei Begegnungen in München konnte Benfica ein Tor erzielen. Zu Hause blieben die Portugiesen zwei Mal ohne eigenen Treffer. Allerdings haben auch die Bayern in Lissabon zwei Mal nicht getroffen.

Funfacts

  • Jonas führt das „Golden Shoe“-Ranking mit 30 Ligatoren an und steht damit direkt vor Cristiano Ronaldo und Higuain (beide 29).
  • Benfica unterliegt dem Guttmann-Fluch. Guttmann war der letzte Trainer, der mit Benfica den Europapokal der Landesmeister gewinnen konnte. Als er den Verein 1962 im Streit verließ, prophezeite er, dass sie 100 Jahre keinen europäischen Titel mehr gewinnen würden. Seitdem stand Benfica in acht Finals, die sie allesamt verloren. Zuletzt die beiden Europa-League-Finalspiele 2013 und 2014.
  • Die Bayern haben den höchsten Ballbesitz in der Champions League (66,5%), schießen pro Spiel am häufigsten direkt auf das Tor des Gegners (8,6) und haben die höchste Passquote aller Teams (90,4%).
  • Benfica (24) hat im laufenden Wettbewerb doppelt so viele gelbe Karten bekommen wie die Bayern (12). Beide haben darüber hinaus schon einen Platzverweis erhalten.
  • Der FC Bayern hat in den letzten vier Spielzeiten immer das Halbfinale erreicht. 17-mal kamen sie in einem Champions-League-Viertelfinale weiter und 9-mal schieden sie aus.
  • Letzte Saison verloren die Bayern 1:3 in Porto. Damals wurde eine Serie von 15 ungeschlagenen Spielen gegen portugiesische Mannschaften beendet.
  • In 24 Aufeinandertreffen mit portugiesischen Teams gewannen die Münchner 14. Acht Spiele endeten Unentschieden und nur zwei gingen verloren.
  • Benfica steht erstmals seit der Saison 2011/12 wieder in einem Champions-League-Viertelfinale. Damals verloren sie gegen den späteren Sieger Chelsea über zwei Partien mit 1:3.
  • Als Benfica die letzten beiden Male die Hürde Viertelfinale überwand, wurde auch jeweils das Endspiel erreicht: 1990 und 1988.
  • In 40 Spielen in Deutschland gab es für Benfica 15 Niederlagen, 13 Unentschieden und 12 Siege.
  • Julio Cesar war Bestandteil der Mannschaft von Inter Mailand, die den FC Bayern 2010 im Finale bezwang.
  • Arturo Vidal war Bestandteil der Mannschaft von Juventus, die von Benfica im Halbfinale der UEFA Europa League 2014 mit insgesamt 1:2 geschlagen wurde.
  • Neuer, Lahm, Boateng und Müller, der zum 1:0 traf, standen in jener Mannschaft, die im WM-Halbfinale Brasilien mit 7:1 geschlagen hatte. Mario Götze saß auf der Bank und Julio Cesar war der Torwart der Brasilianer. Arjen Robben gewann mit den Niederlanden im Spiel um Platz 3 mit 3:0 gegen Julio Cesar und Brasilien.

Fünf Thesen zum Spiel

  1. Bayern schießt mindestens drei Tore.
  2. Benfica wird ebenfalls ein Tor erzielen.
  3. Lewandowski wird treffen.
  4. Thiago wird an einem Tor direkt beteiligt sein.
  5. Jonas wird nicht treffen.

Von den fünf Thesen aus der Frankfurt-Vorschau sind zwei eingetroffen. Insgesamt waren damit bisher 20 von 35 Vorhersagen wahr, was einer Quote von 57,14% entspricht.

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