Bayern Munich's midfielder Mario Goetze (L) and Bayern Munich's midfielder Sebastian Rode attend a training session of the German first division Bundesliga team in Munich, southern Germany, on March 8, 2016. / AFP / CHRISTOF STACHE

Doppelpack: Mario Götze und die komplexe Situation

Justin Trenner 21.03.2016

Überspitzt könnte man formulieren: Mario Götze ist der neue Toni Kroos. Götze schwimmt mit, ohne aber entscheidende Impulse zu setzen.

Götze hängt in der Perspektivlosigkeit

Christopher Aktuell spielt der FC Bayern mit einem klaren Flügelfokus. Mit Douglas Costa, Franck Ribéry, Arjen Robben und Kingsley Coman hat sich die sportliche Führung zudem klar positioniert und sich zugleich durch zwei Transfers im vergangen Sommer eingestanden, dass Götze kein Flügelspieler ist. Diese Entscheidung war notwendig, wie sich erst unlängst zeigte. Kingsley Coman und Douglas Costa bereiteten die Tore zur Verlängerung gegen Juventus Turin vor. Der Rest ist Geschichte. Für Götze bleibt nur ein Platz in den Halbräumen. Dort gibt es aber aktuell Spieler, die auf dieser Position besser funktionieren. Einerseits offensiv – wie Thomas Müller mit seiner Rekordsaison unter Beweis stellt, aber auch Thiago und Vidal, die mehr individuelle Qualität mitbringen. Selbst mit den nominellen Flügelspielern hat es Pep Guardiola im Halbraum schon versucht. Mario Götze kann hier nicht mithalten. Dies liegt daran, dass er gemessen am herausragenden Niveau dieses Kaders nichts herausragendes kann, was dem Kader ohne ihn fehlen würde. Ihm fehlt die nötige Antrittsschnelligkeit, aber auch die Geschwindigkeit.

Mit 1,9 erfolgreichen Dribblings (47,5%) in der laufenden Bundesliga unterstreicht Götze das bereits Erwähnte. Andere Spieler im Kader sind schlichtweg etwas besser. Hinzu kommen laut whoscored.com 2.9 schlechte Ballkontrollen pro Spiel. Nur Lewandowski und Müller haben hier mehr, was angesichts ihrer Position und Rolle erklärbar ist. Götzes größte Stärke ist es, Räume zu lesen und Mitspieler in Szene zu setzen. Mit Thomas Müller hat der FC Bayern aber bereits einen Spieler mit überragender Qualität im Kader.

Verstärkt wird Götzes Rollenproblem durch die extreme Spielweise der Bayern. Trotz hoher Ballbesitzwerte spielt der FC Bayern oftmals ohne Mittelfeld. Viele Aufgaben übernehmen die Innenverteidiger, die ironischerweise in der aktuellen Saisonphase zwei gelernte Mittelfeldspieler sind. Bälle werden meist schnell nach vorne getragen. Oftmals mit schnellen und lang gespielten Verlagerungen. Hier ist ein Mario Götze als Verbindungsspieler schlicht nicht notwendig. Der zuletzt oft freiwillige Verzicht von Pep Guardiola auf Thiago unterstreicht dieses Phänomen.

Mario Götze, aber auch der FC Bayern müssen sich hinterfragen, welche Rolle er im FC Bayern haben kann. Aktuell reicht es nur zum Attribut „Kaderspieler“. Er konkurriert eher mit Rode in der Bundesliga, als mit Müller um den Startplatz in einem Champions-League-KO-Rundenspiel. Dieses Eingeständnis tut angesichts des nicht eingelösten Versprechens, welches der FC Bayern mit der gezahlten Ablöse abgegeben hat, weh. Mario Götze hat sich in seinen drei Bayern-Jahren nicht weiterentwickelt. Nach einem guten ersten Jahr, folgten zwei Jahre Stagnation. Zugegeben, das aktuelle Jahr ist schwer zu bewerten, weil Götze fast vier Monate verletzt war. Die Rückkehr gestaltet sich auch deshalb schwierig, weil Götze wohl noch nicht in Vollbesitz seiner Kräfte ist. Da Pep Guardiola den Verein am Ende der Saison verlassen wird, muss der Trainer auch wenig bis gar nicht auf das Kadermanagement achten. Überspitzt formuliert ist Pep Guardiola Mario Götzes Entwicklung egal. Er braucht Götze für die aktuelle Spielweise nicht.

Mario Götze im Training an der Säbener Straße.(Bild: CHRISTOF STACHE / AFP / Getty Images)
Mario Götze im Training an der Säbener Straße.
(Bild: CHRISTOF STACHE / AFP / Getty Images)

Allerdings versteckt sich in dieser Haltung auch ein Fünkchen Wahrheit. Götzes Rolle und seine Perspektive sind getrieben von überhöhten Erwartungen. Diese sind geknüpft an die hohe Ablöse, die zugegebenermaßen mittlerweile eher moderat war angesichts der Zahlen, die in England zu lesen sind. Mehr noch liegt es aber am Siegtor zum WM-Sieg 2014. In der Erinnerung bleibt bei vielen Beobachtern nur der verkürzte Fakt: Götze hat das entscheidende Tor geschossen. Dass er von der Bank eingewechselt wurde bzw. in den Spielen davor keine Rolle gespielt hat, wird dabei oft weggelassen bzw. schlichtweg vergessen. Diese Erwartungen müssen beide Seiten aufbrechen und die aktuelle Situation analysieren.

Natürlich kann ein neuer Trainer neue Chancen bringen. Gibt es aber eine Garantie hierfür? Nein. Im schlimmsten Fall verbrennt der FC Bayern weiterhin Geld. Einerseits durch das relativ hohe Gehalt eines Durchschnittsspielers, anderseits durch eine mögliche Ablösesumme, auf die der Verein zunächst verzichtet. Ungeachtet von buchhalterischen Zwängen: „Könnte der FC Bayern ein Mosaiksteinchen finden, das besser funktioniert?“ Diese Frage muss sich die sportliche Führung stellen und die Situation schonungslos bewerten – ohne verklärte Romantisierung. Bei Toni Kroos ist diese Analyse gelungen.

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