SV Werder Bremen – FC Bayern München 0:4 (0:2)

Steffen Trenner 14.03.2015

Falls Ihr es verpasst habt:

Schon am Freitagabend war klar, dass Manuel Neuer die Reise nach Bremen nicht mit antreten würde. Der Nationalkeeper bekam so seine lang erwartete Pause und Pepe Reina seine erste Bewährungsprobe. Ebenfalls klar war, dass Alonso (gesperrt) sowie Robben und Ribéry (leichte Verletzungen aus dem Donezk-Spiel) ausfallen würden. Guardiola verzichtete auf Grund der Verletztensituation auf größere Experimente und brachte lediglich Rode und Bernat sowie Benatia für Badstuber von Anfang an.

Werder begann forsch und überraschte die Bayern damit offensichtlich. Zwei Halbchancen durch Öztunali blieben aber ohne Folgen. Guardiola schien mit einer Dreierkette beginnen zu wollen – stellte aber nach fünf Minuten auf eine klare Viererkette um. Er schob Alaba vor, der zunächst als linker Halbverteidiger begann und glich so die personelle Unterzahl im zentralen Mittelfeld wieder aus. Bayern befreite sich nach etwa zehn Minuten und kam selbst zu ersten gefährlichen Angriffen. Ein glänzender Wolf parierte einen Kopfball-Aufsetzer von Lewandowski (13.).

Bremen probierte es mit vielen hohen Bällen und versuchte vor allem mit Selke (1.92m) gegen Rafinha, Größenvorteile auszuspielen. Bayern trat zunächst insgesamt weniger balldominant auf als zuletzt. Fast folgerichtig war es ein Konter, der in der 24. Minute zum 1:0 führte. Nachdem Müller zunächst am erneut stark reagierenden Keeper Wolf scheiterte, schlenzte er den zweiten Versuch sehenswert mit dem linken Fuß in den Winkel. Die Führung kam zu diesem Zeitpunkt durchaus überraschend – war aber auch nicht unverdient. Noch vor der Pause stellte der Tabellenführer die Vorzeichen klar auf Sieg und erzielte durch einen direkt verwandelten Freistoß von Alaba das 2:0 (45.).

Nach der Pause sah zunächst alles nach einem lockeren Auslaufen aus. Allerdings brachten mehrere harte Fouls (Prödl, Junuzovic) und anschließende hitzige Diskussionen das Spiel ziemlich aus dem Rhythmus. Kinhöfer, der insgesamt eine umsichtige Partie zeigte, verpasste es, Prödl für ein Nachtreten die rote Karte zu geben. Auf der Gegenseite hatten die Münchner Glück, dass der Unparteiische in einem heftigeren Zweikampf mit Trikotziehen zwischen Boateng und Prödl nicht auf den Punkt zeigte (68.). Pepe Reina präsentierte sich in dieser Phase als sicherer Rückhalt und pflückte einige vielversprechende Flanken aus der Luft. Als Bremen immer stärker aufkam, war es Robert Lewandowski, der nach toller Vorarbeit von Boateng und Müller für die endgültige Entscheidung sorgte (76.). In der ersten Minute der Nachspielzeit machte der Pole dann nach Querpass von Müller den Deckel drauf. Am Ende feierte Lahm noch sein Comeback. Ein Sonderlob verdiente sich derweil Sebastian Rode, der zwei Tore mit einleitete und mit 16 gewonnen Zweikämpfen (67%) den absoluten Bestwert auf Seiten der Bayern erreichte.

4:0 in Bremen. Etwas höher als es der Spielverlauf hergab – aber insgesamt ein wichtiger Schritt in Richtung dritter Meisterschaft in Folge.

Drei Dinge, die auffielen:

1. Effektiv ohne Ribéry und Robben

Zwei Mal in dieser Saison war der FC Bayern komplett ohne Franck Ribéry und Arjen Robben angetreten. Beim 1:1 gegen Schalke und beim 0:0 gegen den HSV in der Hinrunde. Ohne Robben gab es zudem zähe Auftritte gegen Stuttgart (2:0) und Mönchengladbach (0:0). Eine gewisse Anspannung war auch deshalb vor dem Spiel zu spüren. Angesprochen auf die Unterschiede im Bayern-Spiel ohne Robbery sagte Guardiola: „Wir haben keine anderen Spieler mit dieser Qualität im Eins gegen Eins.“ Der Bayern-Coach, der gerne tiefstapelt hat damit durchaus recht. Zwar gibt es mit Bernat und mit Abstrichen auch Götze und Alaba dribbelstarke Spieler, allerdings kommen sie in der Qualität der Tempodribblings der gewohnten Flügelzange nicht heran. Bayern führt die Liga laut whoscored.com mit 27,8 Dribblings und 16,8 erfolgreichen Dribblings pro Partie deutlich an. Individuell liegen Robben (7,1 Dribblings pro Partie) und Ribéry (6,7) auf den Rängen drei und vier in der Liga. Gegen Bremen notierte die Statistik 23 Dribblings. Nur Götze stach hier mit fünfen hervor. Ansonsten kam niemand über zwei.

Gegen Bremen war nicht nur deshalb klar, dass die Ausrichtung eine etwas andere sein würde. Insgesamt wirkte das Spiel der Bayern deutlich ausgewogener als zuletzt. Vor allem die linke Seite, auf der Ribéry in den vorangegangenen Spielen extrem dominant agierte, war vergleichsweise verwaist, weil nur Bernat dort aktiv war. Rode und Alaba agierten sehr zentral. Bayerns Spiel wurde insgesamt ein wenig direkter, weil der „Umweg“ über die Flügel meist ausblieb. 36 Prozent der Angriffe liefen so über rechts, 30 Prozent durch die Mitte und 34 Prozent über links.

Drei Kontertore standen am Ende zu Buche. In der gesamten bisherigen Saison waren es gerade einmal vier. Vor allem Thomas Müller genoß die zusätzlichen Räume ohne die beiden dominanten Flügelspieler. Ein Tore und zwei Torvorlagen standen für ihn am Ende zu Buche. Jeder 6. Ballkontakt des Nationalspielers war eine Torschussbeteiligung, jeder 13. eine Torbeteiligung. Müller machte eins seiner besten Saisonspiele.

Der FC Bayern hat gegen Bremen einen Weg gefunden, ohne Ribéry und Robben torgefährlich und effektiv zu sein. Das ist ein wichtiger Beleg für die gute Form und sicher auch ein Schub für das Selbstvertrauen der Münchner, die mit 25,9 Jahren übrigens die viertjüngste Mannschaft der Saison aufs Feld brachte. So war der Auftritt am Samstag vielleicht auch ein kleiner Vorgeschmack auf die Zeit nach Robben und Ribéry. Dass die beiden Topspieler bei den hohen Zielen der Bayern in dieser Saison weiter eine Schlüsselrolle innehaben, erklärt sich trotz des positiven Erlebnisses in Bremen von selbst.

2. Standards

Es ist in der gesamten Kommunikation rund um den FC Bayern ein Randthema. Und doch ist Bayerns neu entdeckte Stärke bei Standardsituationen eine zusätzliche Qualität, die Bayerns Spiel insgesamt gut tut. Vorbei die Zeiten als teilweise ein ganzes Jahr auf ein direktes Freistoßtor gewartet werden musste oder Negativrekrode in Sachen Ecken ohne Wirkung aufgestellt wurden. Auffällig ist, dass viele der Münchner Standardsituationen einstudiert wirken. Gerade bei Ecken und Freistößen am Strafraum gibt es wie zuletzt auch gegen Donezk immer wieder sehenswerte Varianten, die nicht immer zu Toren führen, aber den Gegner vor eine Aufgabe stellen. Aktuell kommt die enorme individuelle Klasse von David Alaba bei direkten Freistößen dazu. Der Österreicher erzielte sein drittes Freistoßtor in sechs Wochen. Insgesamt erzielte er fünf in den vergangenen beiden beiden Jahren. Mit knapp zwölf Toren nach Standardsituationen liegen die Münchner aktuell auf Rang drei der Bundesliga (hinter Bremen und Wolfsburg). Bei direkten Freistößen am Strafraum hat sich aktuell folgende Hackordnung herausgestellt. Alaba von halbrechts. Schweinsteiger oder Alonso von halb links. Alle drei waren in dieser Saison schon mit einem ruhenden Ball erfolgreich.

Im Zuge der taktikgeprägten Debatten der vergangenen Jahre galten Standardsituationen fast als verpönt. Kaum ein Trainer setzte hier einen echten Schwerpunkt. Das scheint sich geändert zu haben. Der FC Bayern spielt zum Beispiel anders als zu Beginn unter Guardiola kaum noch kurze Ecken, sondern probiert es lieber mit den erwähnten einstudierten Laufwegen und Varianten. Auch die Nationalmannschaft hatte bei der WM enorm von der Gefahr bei Standards profitiert. Ein Spiel sollte niemals von diesen Qualitäten abhängig sein, dennoch können Standardsituationen als willkommene Gelegenheiten für vergleichsweise leicht herauszuarbeitende Torchancen gesehen werden. Der FC Bayern hat diesen Vorteil offenbar erkannt.

3. Rudelbildungen

Es ist seit ein paar Wochen ein Dauerthema bei den Münchnern. Zwar führt der FCB wie so häufig die Fairnesstabelle der Bundesliga an, doch gegen Bremen brachten sich die Mannen von Kapitän Schweinsteiger nicht zum ersten Mal durch unnötige Diskussionen und Wortgefechte mit Schiedsrichter und Gegner ein wenig selbst aus dem Rhythmus. Auch in den beiden Spielen gegen Donezk war das zuletzt zu beobachten. Klar ist: Werder leistete sich mindestens zwei grenzwertige Fouls. Benatia und Schweinsteiger waren hier die Leidtragenden. Ein Grund, Gegner und Publikum so beim Stand von 2:0 eine Möglichkeit zu geben, emotional ins Spiel zurück zu kehren, war all das nicht. Vor allem Alaba und Boateng waren hier als auffällige Unruhestifter zu nennen. Auch Müller und Schweinsteiger leisteten sich längere Diskussionen und kleinere Handgreiflichkeiten mit den Bremern. Zuletzt war Ribéry mit grenzwertigen Aktionen aufgefallen.

Im Prinzip ist es ein gutes Zeichen, dass die Mannschaft nach harten Fouls gegen einen Mitspieler Präsenz zeigt. Es gab Zeiten beim FC Bayern in der Post-Kahn/Effenberg-Ära, wo allein Mark van Bommel und vielleicht noch Daniel van Buyten dem Gegner verdeutlichten, dass es so auf Dauer nicht gehe und sich auch mal schützend vor den eigenen Mann stellten. Von daher ist es durchaus zu begrüßen, dass die Mannschaft für jeden sichtbar eine Einheit bildet. Es geht wie immer um die richtige Balance. Gegen Bremen stand die Partie zwischen 60. und 75. Minute unnötigerweise ein wenig auf der Kippe. Eine rote Karte hätte das Spiel vielleicht nochmal richtig spannend machen können. Für die kommenden Wochen sollte auch Guardiola das Thema durchaus einmal adressieren. Aktive Körpersprache – ja. Unnötige Gelbe oder gar rote Karten – nein. Vor allem wenn es in die entscheidenden Spiele im Frühjahr geht.

SV Werder Bremen – FC Bayern 0:4 (0:2)
SV Werder Wolf – Gebre Selassie, Prödl, Vestergaard, Garcia (83. Sternberg) – Bargfrede – Fritz, Junuzovic – Öztunali (63. Hajrovic) – Bartels (90. Kroos), Selke
Bank Casteels, Caldirola, Aycicek, Makiadi
FC Bayern Reina – Rafinha (85. Weiser), Benatia, Boateng (83. Dante), Bernat – Schweinsteiger, Rode, Alaba, Götze (82. Lahm), Müller, Lewandowski
Bank Starke, Gaudino, Kurt, Badstuber
Tore  0:1 (24.) Müller, 0:2 (45.) Alaba, 0:3 (76.) Lewandowski, 0:4 (90+1) Lewandowski
Karten Gelb: Prödl, Junuzovic, Garcia / Rafinha, Benatia, Boateng
Zuschauer 42.100 (ausverkauft)
Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer (Herne)