Was kann Julian Green?

Steffen Trenner 03.08.2016

Es ist so etwas wie der vierte Anlauf, den Julian Green in diesem Sommer wagt. Gut möglich, dass es sein letzter ist. Der letzte Versuch doch noch richtig Fuß zu fassen in dem Verein, der seit seinem 14. Lebensjahr seine Heimat ist. Am 8. November 2013 unterschrieb Green einen Profivertrag in München, der im nächsten Sommer ausläuft. Nur knapp drei Wochen später debütierte er als Einwechselspieler in der Champions League gegen ZSKA Moskau. Fast drei Jahre ist das her. Eine Ewigkeit im Fußball. Noch ein weiteres Mal durfte er in einem Pflichtspiel seitdem für die Profis ran. In der unbedeutenden Champions League-Partie gegen Zagreb 2015. Er blieb damals über 62. Minuten eher unauffällig.

HSV-Leihe ging schief

Green ist inzwischen 21 Jahre alt. Gewiss immer noch jung, aber, in einer Zeit in der die High Potentials der Szene meist schon mit 19/20 auf sehr hohem Niveau unterwegs sind, in einem vergleichsweise fortgeschrittenen Alter. Die Leihe zum HSV, die ihm in der Saison 2014/2015 Spielpraxis auf Bundesliga-Niveau bringen sollte, ging kolossal schief. Zuvor hatte er mit 15 Toren in 18 Spielen in der Münchner U23 und einem Treffer für die US-Auswahl bei der WM in Brasilien auf sich aufmerksam gemacht. Auf den missglückten Ausflug nach Hamburg folgte eine durchwachsene bis ordentliche Saison in der Regionalliga Bayern.

Green sagt in diesem Sommer, indem er wie schon 2014 auf der US-Reise des FC Bayern verstärkt im Fokus steht, die richtigen Dinge. „Ich will bei Bayern München spielen. Ich weiß, dass das schwer ist. Ich habe aus der schweren Zeit in Hamburg gelernt. Ich arbeite hart an mir. Ich kann nur jeden Tag hier meine Arbeit machen und dann muss ich schauen wie es weitergeht“, sagte Green in dieser Woche. Auch auf dem Platz setzte er durch seine Tore gegen Inter Mailand und Lippstadt ein paar Ausrufezeichen. Aber reicht all das für einen Platz im Profikader der Münchner?

Zumindest die Chance ist aktuell da. 19 Feldspieler stehen nach dem Abgang von Mario Götze im Kader. 20 bis 21 sollen es für die Saison sein. Sollten sich die Münchner Verantwortlichen tatsächlich gegen weitere Neuzugänge entscheiden, wäre das eine Chance für Benko, Dorsch, Tillman oder eben Green, die von den Jungen sicher am weitesten sind.

Eher Altintop als Ribéry

Greens größtes Problem ist, dass es nicht mal eine klare Position gibt auf der seine Stärken optimal zur Geltung kommen. Aus meiner Sicht wird er als Spieler bisher missverstanden. Wie alle halbwegs schnellen und technisch starken jungen Spieler wird Green bisher eher als Flügelspieler gesehen. Dabei ist sein Dribbling und sein Antritt alles andere als herausragend. Vor allem wenn der Maßstab Robben, Ribéry, Coman oder Costa heißt. Er hat eine gute Endgeschwindigkeit, wenn er ein paar Meter Luft bekommt. In einer Kontermannschaft könnte das durchaus zur Geltung kommen, aber diese brutale Explosivität, die gerade beim FC Bayern gegen tiefstehende Gegner auf dem Flügel so wichtig ist, fehlt ihm. Gleiches gilt für sein körperliches Durchsetzungsvermögen. Ein direkteres Spiel mit mehr Umschaltsituationen wie es unter Ancelotti bisher angedeutet wurde, könnte Green hier gleichwohl entgegen kommen.

Green ist überall passabel aber ihm fehlt das Besondere. Sein Dribbling ist nicht gut genug für den Flügel, sein Passspiel nicht kreativ und konstant genug für die Zentrale. Gut ist Green in Strafraumnähe. Er hat einen sehr guten Instinkt und im Prinzip auch einen sehr überlegten Abschluss. Wäre Julian Green 2005 in eine von Zwei-Stürmer-Systemen geprägte Bundesliga gekommen, wäre er vielleicht so etwas wie eine kleinere Version von Halil Altintop oder Cacau. Ein spielstarker, unterstützender und gleichzeitig torgefährlicher Komplementär zu einem eher kantigem Stürmer wie Sanogo (Altintop) oder Gomez (Cacau). Heute gibt es diese Rolle seltener. Ein aktuelles Beispiel ist Chicharito, der diese Rolle in Leverkusen mit oder ohne Stefan Kießling ausfüllen kann. Das wäre so etwas wie das absolute best-case-Szenario für Greens Entwicklung und sicher noch ein gewaltiger Schritt.

Empfehlung für anderen Bundesliga-Verein?

Gibt es diese Rolle in München? Jein. Ancelotti könnte durchaus häufiger mit 4-4-2-artigen Formationen experimentieren als Guardiola, der meist auf einen Stürmer, breite Flügel und nachstoßende zentrale Mittelfeld Spieler setzte. Müller ist hier der passende Partner für Lewandowski – die klassische Aufteilung in echte 9 und spielstarken Unterstützer ist dies jedoch nicht. Wenn Green einen Platz im Kader finden könnte, dann als Backup auf einer dieser Positionen.

Es muss einem Respekt abnötigen, wie beharrlich Green an seine Chance in München glaubt. Zu wünschen ist ihm mindestens, dass er sich mit der bisher guten Vorbereitung für einen anderen Bundesligaverein empfehlen kann. Ob er wirklich das Zeug für einen Platz in einer Mannschaft, die dauerhaft um den Einzug ins Champions League-Halbfinale spielen will, ist nach wie vor fraglich. Selbst wenn es letztlich ohnehin nur um Kaderplatz 20 geht.

So oder so führt eine ehrliche Antwort auf die Frage „was kann Julian Green?“ eher ins Angriffszentrum als auf den Flügel.