Was im Transfersommer noch passieren könnte
Mit der erneuten Muskelverletzung von Arjen Robben spekulieren zur Zeit viele darüber, ob der FC Bayern auf dem Transfermarkt noch einmal nachlegt und richtig tief in die Tasche greifen könnte.
Diese Diskussion ist ein wenig überhitzt. Schon vor Robbens Verletzung war ziemlich klar, dass die Münchner noch ein oder zwei neue Spieler holen werden. Es wäre auch naiv die Verletzungshistorie von Robben, Ribery, Badstuber oder Martinez nicht ohnehin in die Kaderplanung mit einfließen zu lassen.
Defensiv-Allrounder im Fokus
Der FC Bayern plant nach unseren Informationen mit 20 bzw. höchstens 21 Feldspielern in die Saison zu gehen und den erweiterten Kader nach Bedarf mit Nachwuchsspielern aufzufüllen. Das haben wir hier seit Anfang Mai mehrfach geschrieben. Verlässt Götze den Verein, wie es inzwischen selbst Karl-Heinz Rummenigge indirekt bestätigte, stehen 19 Feldspieler für die kommende Saison unter Vertrag. Auch unabhängig von der Robben-Verletzung sind also weitere Neuverpflichtungen sehr wahrscheinlich.
Den größten Bedarf in einem generell sehr hochwertigen Kader gibt es in der Defensive. Nach den Abgängen von Benatia und Tasci stehen mit Hummels, Boateng und Badstuber drei etatmäßige Innenverteidiger für zwei Positionen im Kader. Hinzu kommen mit Alaba, Kimmich und Martínez weitere denkbare Alternativen. Vor allem Kimmich und Alaba profitierten hier in der Vergangenheit aber auch von der Experimentierfreude Guardiolas. Ancelotti ist für diese Experimente eher nicht bekannt.
Badstubers lange Verletzungsgeschichte benötigt wenig Erläuterung. Er hat den Vorteil im Gegensatz zu Hummels und Boateng die komplette Vorbereitung absolvieren zu können. Badstubers Vertrag endet im kommenden Sommer. Beide Seiten wollen sich im Verlauf der Saison zusammensetzen, um sich ehrlich in die Augen zu schauen, ob es darüber hinaus eine Zukunft gibt. Bleibt Badstuber gesund ist er mit seinem herausragendem linken Fuß zumindest im so wichtigen Aufbauspiel eine gleichwertige Option zu Hummels und Boateng. Trotzdem macht eine weitere Alternative Sinn, zumal wenn Martínez wieder verstärkt im Mittelfeld zum Einsatz kommen soll.
Der Idealfall ist ein Spieler, der auch auf der rechten Abwehrseite eine Variante darstellen kann. Ein echter Hochkaräter ist bei der Konkurrenzsituation in der Defensive allerdings nicht zu erwarten. ‚Kaliber‘ wie der öffentlich diskutierte Raphael Varane, sind wohl kaum bereit ihre besten Jahre in einem Konkurrenzkampf mit zwei Weltklasseverteidigern wie Boateng (27) und Hummels (27) zu vergeuden. Realistischer ist da ein Name wie Vedran Corluka (30) von Lok Moskau. Michael Reschke holte den kroatischen Nationalspieler 2011 schon einmal auf Leihbasis nach Leverkusen. Damals sollte er eine Lücke auf der rechten Abwehrseite schließen, was nicht optimal gelang. Ein solider Backup als Defensiv-Allrounder wäre er aber allemal. Ohnehin ist Reschkes Notizbuch riesig und geht dabei weit über die öffentlich kolportierten Namen hinaus wie zuletzt die Verpflichtungen von Bernat, Benatia, Coman und Sanches zeigten. Mögliche Kandidaten gibt es also auch unabhängig von Corluka genug.
Spannend wird sein, ob Joshua Kimmich nach seinen guten Auftritten im Nationaltrikot eine Variante für die rechte Abwehrseite wird. Mit Lahm (32) und Rafinha (30) ist der FC Bayern hier ordentlich aufgestellt. Vor allem weil Rafinha die Rolle des Backups ohne Murren ausfüllt. Mittelfristig müssen sich die Münchner hier nach Alternativen umsehen. Auch diese Position steht deshalb verstärkt im Fokus. Kimmich sollte hier Chancen bekommen sich zu bewähren. Trotz seiner guten Flanken-Werte bei der EM ist er mehr ein spielgestaltender Außenverteidiger, der für Stabilität sorgen kann. Defensiv bestehen im eins gegen eins gegen temporeiche Flügeldribbler ein paar Fragezeichen.
Dünner Markt für Lewandowski-Backup
In der Offensive gibt es trotz der Verletzung von Robben keinen dringenden Bedarf, aber zwei denkbare Planstellen. Nach wie vor ungeklärt ist die Frage, wer bei einer langfristigen Verletzung von Robert Lewandowski die Rolle des zentralen Angreifers einnehmen soll. Müller, der in dieser Rolle beim EM-Aus gegen Frankreich Probleme offenbarte, ist im Moment sicher die erste Alternative. Götze ist spätestens zum Saisonstart keine mehr. Natürlich kann Ancelotti bei einer Lewandowski-Verletzung auch auf ein 4-4-2 mit Müller und Robben/Coman umstellen. So richtig passend ist das jedoch nicht. Zumal nicht erst die EM die Bedeutung von Zielspielern im Zentrum gegen tiefstehende Mannschaften unterstrichen hat.
Das ist der Grund warum in der Vergangenheit (der inzwischen wohl zu teure) Alexandre Lacazette und sogar Sandro Wagner mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht wurden. Der Markt für diesen Spielertypen ist dünn geworden – zumal der FC Bayern nur mit einer reinen Backup-Rolle hinter Lewandowski locken kann. Gut möglich also, dass es bei Müller als Alternative bleibt.
Bedarf gibt es zumindest mittelfristig auch weiter auf dem offensiven Flügeln. Die Abhängigkeit von Robben und Ribéry hat sich durch die Ankunft von Kingsley Coman und Douglas Costa zwar verringert, doch der Nachweis, dass beide konstant auf Weltklasse-Niveau den Unterschied ausmachen können, steht noch aus. Dass Ribéry und Robben seit Jahren mit langfristigen Verletzungen zu kämpfen haben, unterstreicht dies nur noch mehr. Unabhängig von der aktuellen Robben Verletzung. Selbst wenn Ancelotti häufiger im 4-3-3 auflaufen will und somit eine Offensivposition wegfällt, zwingt Altersstruktur und Verletzungshistorie die Münchner Kaderplaner immer mehr zum Nachdenken über weitere Alternativen.
Marktdynamik bei Sané entscheidend
Ein 20-Jähriger deutscher Nationalspieler wie Leroy Sané, der seine Klasse auch in der Champions League bereits nachgewiesen hat, ist dabei immer irgendwie im Fokus des FC Bayern. Sané hat seine größten Stärken im offenen Feld, wenn er mit Tempoläufen die zurückeilende gegnerische Defensive auseinanderreißen kann. Momente wie diese gibt es bei der meist risikolosen Ausrichtung der Bayern-Gegner jedoch nur selten. Trotzdem braucht es nicht viel Fantasie, um sich Sanés Stärken auch im Bayern-Spiel vorstellen zu können.
Sané ist explosiver und im Dribbling deutlich kreativer als Götze – selbst wenn er noch nicht die absolute Durchschlagskraft gegen zwei oder mehr Gegner hat wie Robben oder Coman, ist er ideenreich genug, um sich auf dem Flügel durchzusetzen. Mit seinen 1.84 hat er körperlich das Potenzial noch robuster und wuchtiger zu werden. Hinzu kommen gute Standards und ein passabler Abschluss mit dem linken Fuß. Ob Sané in diesem Sommer Thema wird, hängt vor allem mit der Marktdynamik und weiteren finanzstarken Interessenten zusammen. Laut SZ soll der Youngster „zumindest in diesem Sommer“ keine Option in München sein.
Sané ist sicher nicht der einzige Name dessen Situation auf der für Bayerns Spiel so sensiblen offensiven Außenbahn zur Zeit beobachtet wird. Es muss gerade bei umworbenen Impact-Spielern einiges zusammen kommen. Ein Spieler muss einen Wechselwunsch hegen, ein Verein muss abgeben wollen, die Ablösesumme muss darstellbar sein und das Gehalt in die Planung passen. Der echte Transfermarkt ist eben nicht das Kicker-Managerspiel.
Es werden noch ein paar spannende Wochen bis zum Saisonstart.