Vorschau: Olympiakos Piräus – FC Bayern München

Justin Trenner 21.10.2019

19 Punkte aus sieben Spielen. Eine Bilanz, von der die Bayern in der Bundesliga derzeit nur träumen können. In Griechenland holte Piräus bereits sechs Siege bei nur einem Unentschieden und auch wettbewerbsübergreifend gab es erst eine Niederlage.

In 15 bisherigen Pflichtspielen hat Olympiakos erst acht Gegentore kassiert, fünf davon in der Champions-League-Gruppenphase. Gerade die 1:3-Niederlage in Belgrad ordnete die Leistungsfähigkeit des griechischen Rekordmeisters etwas ein.

Und doch wird es für die Bayern eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Das 2:2 gegen Tottenham, die gegentorlose Qualifikation für die Königsklasse und der fast reibungslose Start in der nationalen Liga sollten als Warnung reichen.

Olympiakos Piräus: Starke Defensive, schnelles Umschaltspiel

Oberflächlich kann man Piräus als eine Mannschaft beschreiben, die gerade in der Champions League aus einer geordneten Defensive heraus ihre Umschaltmomente sucht. 43,8 Prozent Ballbesitz gegen die Spurs, 41,8 Prozent bei Belgrad – Olympiakos fühlt sich wohl, wenn sie mit ihren engen Viererketten das Spiel kompakt machen können, um bei Ballgewinnen schnell in die Spitze zu spielen.

Schärft man den Blick etwas, so gibt es aber auch Phasen, in denen die Griechen den Ball halten wollen. Zumal sie diese Qualität in der heimischen Liga häufig benötigen. Dort sind sie regelmäßig der Favorit. Gegen den FC Bayern wird das nicht so sein.

Piräus wird in der Grundausrichtung ähnlich auftreten wie am ersten Spieltag gegen Tottenham. Nicht nur dort, sondern in nahezu jeder anderen Partie auch agiert Olympiakos aus der 4-4-2-Formation heraus sehr flexibel gegen den Ball. Meist stehen sie stabil in einem tieferen Mittelfeldpressing, doch in einigen Phasen wird auch mal höher herausgeschoben, um nicht dauerhaft am eigenen Strafraum zu kleben.

So könnte es am Dienstagabend aussehen: Olympiakos wird wohl in den meisten Spielphasen in einem tieferen Mittelfeldpressing versuchen, die Spielfeldmitte zu verdichten. Zwei enge Viererketten und Angreifer, die sich auf die Bewegungen der Sechser konzentrieren. Die Bayern hatten damit zuletzt einige Probleme.

Flexibles Pressing mit leichten Schwächen

Dann wird aus dem 4-4-2 auch mal ein 4-1-3-2, indem ein Sechser herausrückt. Ohnehin versteht es die Mannschaft von Trainer Pedro Martins gut, die entscheidenden Mittelfeldräume zu verschließen. Tottenham wurde gegen Piräus beispielsweise nur selten gefährlich und fand kaum Wege ins Zentrum.

Piräus könnte in einigen Phasen aber auch mal aggressiver herausschieben. Das höhere Pressing findet bei den Griechen meist in einem 4-1-3-2 statt. Auch hier liegt der Fokus darauf, das Zentrum zu verdichten, den Gegner aber zusätzlich auch zu Fehlentscheidungen im Spielaufbau zu zwingen.

Fehler lassen sich bei Piräus nur durch viel Druck erzwingen. Einerseits neigen die Griechen dazu, Fehler im Spielaufbau zu machen. Unter Martins versuchen sie in den meisten Fällen flach und kurz von hinten heraus zu spielen. Nicht immer gelingt das ohne Fehler. Aber auch in der gut organisierten Arbeit gegen den Ball neigt Piräus zu kurzen Momenten der Unachtsamkeit.

Selten rücken Spieler zu schnell aus der Kette heraus, aber es kommt vor. Dann entstehen Räume zwischen den Viererketten, die gute Möglichkeiten für Angriffe über den Halb- oder Zehnerraum bieten. Durch die kompakte Herangehensweise kann Piräus zudem anfällig bei Seitenverlagerungen sein. Allerdings haben sie die Qualität, die Räume schnell wieder zuzuschieben. Dementsprechend benötigt der Gegner in solchen Momenten ein hohes Tempo und eine gute Anschlussaktion.

Durchdachtes Offensivspiel und Gefahr nach Standards

Hohes Tempo kann auch die Offensive der Griechen gehen. Youssef El Arabi (6 Tore, 2 Vorlagen), Mathieu Valbuena (4 Tore, 8 Vorlagen), Miguel Ángel Guerreiro (4 Tore, 2 Vorlagen) und El Arbi Hillel Soudani (4 Tore) heißen die Topscorer der Mannschaft. Wobei gerade El Arabi trotz seiner tollen Quote bisher erst 2 Minuten in der Champions League bekam. Dort war Guerreiro zweimal die erste Option des Trainers.

Ein Spieler, der in der Liste nicht auftauchte, ist der 24-Jährige Daniel Podence. Auf der rechten Außenbahn wusste der Angreifer durchaus zu überzeugen. Die flügellastige Spielweise seiner Mannschaft kommt ihm da entgegen. Piräus versucht gerade in den Halbräumen immer wieder durch abkippende Bewegungen Gegenspieler aus ihrer Position zu ziehen. Mit seinem Tempo und seinem Verständnis für Tiefenläufe erzeugte Podence gerade gegen die Spurs viel Gefahr.

Darüber hinaus sollten die Bayern bei Standards sehr aufmerksam sein. Guilherme und Rúben Semedo sind sehr kopfballstark. Ersterer erzielte bisher drei Tore per Kopf (zwei gegen Pilsen, eins gegen Volos in der Liga). Semedo hingegen traf dreimal per Fuß, allerdings jeweils nach Standardsituationen.

Kommt die Reaktion der Bayern?

Aus taktischer Perspektive ist deshalb relativ eindeutig, worauf die Bayern am Dienstagabend achten sollten. Oberste Priorität hat die Vermeidung von leichtfertigen Ballverlusten. Kommt Piräus über ihre schnellen Spieler ins Rollen, wird es gefährlich. Sollten Kimmich und Alaba auf den Außenverteidiger-Positionen spielen, braucht es hier eine gute Konterabsicherung. Beide interpretieren ihre Rolle sehr offensiv.

Um selbst Tore zu erzielen, scheinen die immer mal wieder eingebrachten Seitenverlagerungen der letzten Wochen ein gutes Mittel zu sein. Javi Martínez‘ hoher Ball auf die rechte Seite vor dem Ausgleich in Augsburg und Philippe Coutinhos Verlagerung vor dem ersten Bayern-Tor in Paderborn sind da gute Beispiele. Allerdings müssen die Münchner an ihren Anschlussaktionen arbeiten. Kingsley Coman ist hier noch mehr auf seine Mitspieler angewiesen als Serge Gnabry. Der Franzose bekommt zu wenig Unterstützung und wird trotz guter Verlagerungen meist schnell wieder zugeschoben.

Piräus macht Fehler, wenn sie viel verschieben müssen und dementsprechend in Bewegung bleiben. Bayerns Aufgabe ist es, genau das zu provozieren und geduldig auf die richtigen Momente zu warten. Natürlich wird hier auch das Mittelfeld wieder eine wichtige Rolle spielen. Gegen Augsburg waren die Abstände mitunter riesig. Das führt neben der fehlenden Präsenz im Zentrum vor allem zu schwachen Gegenpressingmomenten bei Ballverlusten.

Komplizierte Aufgabe

Für den FC Bayern wird es am Dienstag schwierig, sollte sich am Positionsspiel nichts verändern. Es scheint ohnehin, als wäre die Mittelfeldleistung vor allem abhängig vom Personal. Spielten Kimmich, Thiago und Coutinho, war die Einbindung des Mittelfelds mindestens in Ansätzen gut. Starteten hingegen Tolisso oder Martínez, wurde es komplizierter und vor allem berechenbarer. Ein roter Faden, wie das Aufbauspiel der Bayern aussehen sollte, war hingegen nicht erkennbar. Es fehlt die Dominanz im Mittelfeld, wenn nicht die vermeintlich beste Kombination an Spielern auf dem Platz steht.

Anpassungen an die verschiedenen Spielertypen gibt es zudem kaum. Gegen Augsburg sollten Martínez wie Thiago und Thiago wie Tolisso spielen. Umgekehrt sollte Tolisso zuletzt wie Kimmich spielen. Sie alle treffen aber ihre eigenen Entscheidungen, interpretieren die Positionen und Rollen anders. Das ist wichtig und hilft dabei, weniger berechenbar zu sein. Fehlt aber ein Rahmen, der sich dem Gegner und den eigenen Spielertypen anpasst, fehlt es auch an einer Struktur, die selbst die individuelle Qualität nicht mehr kompensieren kann. Was ganz nebenbei bemerkt auch einer der Hauptgründe für die vielen Gegentore darstellt.

Piräus spielt ein solches Ungleichgewicht im Mittelfeld in die Karten. Gerade zu Hause sind sie darüber hinaus sehr konstant und stark. Dort haben sie Viktoria Pilsen (4:0) sowie Basaksehir (2:0) souverän geschlagen und gegen Tottenham ein verdientes 2:2 geholt. Zuhause sind sie noch ungeschlagen. Kommen die Bayern nicht bald aus ihrer inneren Zufriedenheit und Wohlfühlzone heraus und erkennen sie nicht den Ernst der aktuellen sportlichen Situation, droht schon in Griechenland ein harter Fall auf den Boden. Nur mit einer selbstbewussten und konzentrierten Reaktion kann das vermieden werden, was Uli Hoeneß im Moment noch als „Käse“ bezeichnet: eine neuerliche Herbstkrise.

So läuft es gegen Piräus …

In Griechenland werden sich die Bayern noch schwerer tun als in Augsburg. Piräus kann den einen oder anderen gefährlichen Konter setzen und wird mindestens ein Tor erzielen. Den Münchnern hingegen fehlen offensiv die Lösungen. Ein Standardtor reicht aber, um zumindest ein 1:1 mitzunehmen. Mal abwarten, ob man damit wieder zufrieden wäre.

So könnte Bayern spielen …

4-2-3-1: Neuer – Kimmich, Hernández, Pavard, Alaba – Thiago, Martínez – Coutinho – Gnabry, Lewandowski, Coman

Es fehlen: Fiete Arp fehlt weiterhin verletzt (Kahnbeinbruch); Süle (Kreuzbandriss)

So läuft der Spieltag …

Piräus 1:1 Bayern
Tottenham 2:1 Belgrad