Vorschau: FSV Mainz 05 – FC Bayern München
Mainz 05 gilt schon lange nicht mehr als Überraschung, was für den Klub eher als Kompliment zu werten ist. Wir sprachen mit Lattenkreuz-Reporter Lars Pricken über den FSV, langfristige Ziele und das Spiel gegen den Rekordmeister.
Hallo Lars, zunächst unsere obligatorische Vorstellungsrunde. Wer bist Du und was verbindet dich mit Mainz 05?
Hallo Justin. Ich bin Lars, komme gebürtig aus Krefeld, werde nächstes Jahr 20, studiere in Köln Journalismus und bin seit einigen Monaten als Redakteur bei Lattenkreuz. Mein Fokus liegt dabei auf den Vereinen RB Leipzig und, womit wir beim Thema wären, Mainz 05.
Ich habe mich sehr gefreut, dass der FSV noch frei war. Ich fand die Mainzer und ihre Art immer sympathisch, war auch schon zweimal mit meinem Verein auf Auswärtstour im Stadion und wurde beide Male sehr gastfreundlich behandelt. Seit der Arbeit bei Lattenkreuz befasse ich mich täglich mit Verein und Umfeld, wodurch die „Roten“ eine Art zweiter Lieblingsverein geworden sind.
Fünf Siege, fünf Niederlagen, zwei Unentschieden, 22 Tore, 22 Gegentore, Platz 9 – ist das mittlerweile als ganz normale Bundesliga-Saison zu betrachten oder sind die Ansprüche gestiegen?
Wenn du einmal mit der Mannschaft in der Europa League gespielt hast, willst du das natürlich wiederholen. Doch die Verantwortlichen und auch Fans des Vereins sind sehr besonnen und stecken sich immer realistische Ziele im Vorfeld. Die Mannschaft musste wie die Jahre zuvor gewichtige Abgänge verkraften und spielt dennoch eine bislang solide Saison. Ich denke, man schielt immer nach oben, würde sich mit einem einstelligen Tabellenplatz in diesem Jahr aber sicherlich auch zufrieden geben. Mehr ist aber immer drin.
Welche langfristigen Ziele verfolgt der Klub?
Im Moment stagniert der Verein mehr oder minder. Nach einer guten Saison musste das Team stets wichtige Leute abgeben und sich neu formieren, was dem FSV den erarbeiteten Vorsprung auf andere Europa League-Aspiranten wegnahm. Die Mainzer waren immer nur ein Sprungbrett für talentierte Spieler. Langfristig wird das Ziel sein, sich in Europa zu etablieren und attraktiver für begabte Spieler zu werden.
Mainz hat in dieser Saison auch mit einigen englischen Wochen zu kämpfen. Wie kommt die Mannschaft damit zurecht?
Der Trainer rotiert viel und hat keine Probleme mit erschöpften Spielern. Auch das kleine Verletzungspech der vergangenen Wochen hat sich etwas gelegt und stellte eigentlich nie ein großes Problem dar. Letztlich ist es der 1:6-Pleite in Anderlecht und der fehlenden Kaltschnäuzigkeit der Mainzer zu verdanken, dass sich das Thema Europa noch vor der Winterpause erledigt hat. Trotzdem glaube ich, dass die noch international unerfahrene Truppe sich glücklich schätzt, erste Eindrücke von Europa gewonnen zu haben, nicht allzu enttäuscht über das Aus in der Gruppenphase ist und mit voller Konzentration auf die Bundesliga noch mehr erreichen kann.
Wie hat die Mannschaft den Abgang von Baumgartlinger verkraftet und kompensiert?
Wie zuvor angemerkt ist der Abgang von wichtigen Leistungsträgern ein alt bekanntes Problem der Rheinhessen. In den vergangenen fünf Jahren verlor der Verein Spieler wie Schürrle, Fuchs, Polanski, Szalai, Ujah, Müller, Choupo-Moting, Geis, Okazaki und zuletzt noch Karius und Baumgartlinger an größere Klubs. Da sind Kicker bei, denen weinen die Fans heute noch Krokodils-Tränen nach.
Doch der Verein ist geschickt darin, sich von solchen Abgängen nicht die Saison kaputtmachen zu lassen. Mit den erzielten Ablösesummen konnten wieder neue Spieler wie Córdoba oder Gbamin geholt werden, die ihren Job gut machen. Neben den Neuen spielen sich dann noch Leute wie der letztes Jahr fast durchweg verletzte Fabian Frei oder Pablo de Blasis zurück in den Fokus und auch die Jugendarbeit funktioniert hervorragend. Ich persönlich finde das beeindruckend.
Was zeichnet das Team von Martin Schmidt sonst noch aus?
Die Breite des Kaders ist sicherlich ein Vorteil, den Mannschaften mit ähnlichem Etat nicht genießen dürfen. Der Coach hat die Möglichkeit zu rotieren und auch bei gehäuftem Verletzungspech eine sehr gute Elf auf den Platz zu bringen.
Trotz der hohen Angebote aus Dortmund haben die Mainzer sich entschieden, Yunus Malli zu behalten. Ein enorm wichtiger und richtiger Schachzug schaut man sich das Spiel von Schmidt genauer an. Der Deutsch-Türke ist Dreh- und Angelpunkt des Systems, und selbst wenn es im Spielaufbau mal nicht klappt, kommen seine Standards immer gefährlich. Ich sehe Malli eher bei Vereinen wie Gladbach oder Schalke, bin aber froh, dass er dieses Jahr noch geblieben ist. Eine der größten Waffen, die der Trainer zur Verfügung hat.
Die Bayern schwächelten in dieser Saison vor allem auswärts und Mainz macht es ihnen traditionell schwer. Mit welchem Matchplan erwartest Du die Mainzer und wie groß sind die Chancen auf einen Punktgewinn?
Die Formschwäche der Münchener könnte sowohl ein Vor- als auch Nachteil für die Mainzer bedeuten. Irgendwann werden die Bayern explodieren und das volle Potenzial des Kaders ausschöpfen, dann gibt es kein Halten mehr. Nach der Entthronung durch Leipzig, dem Aussetzer in Rostow und der Wiederwahl von Uli Hoeneß wird das bald der Fall sein. Ich kann nur hoffen, dass es nicht gerade diesen Freitag so weit ist. Martin Schmidt wird das Team hinten sehr eng stehen lassen, und gerade weil Bell und Brosinski nach Gelbsperren ausgeruht sind, hohe Laufarbeit fordern, sich dabei aber nicht verstecken.
In dieser Saison zeigten sich die Münchner immer wieder überrascht, wenn ein Gegner in den ersten 15 bis 20 Minuten aufs Ganze ging und offenbarten Fehler. Egal ob mit Torerfolg oder nicht, danach müssen die Herausforderer dann einen Gang runterschalten, um in der zweiten Halbzeit nicht überrollt zu werden. Ein Schlüssel könnten schnelle Konter über de Blasis und Onisiwo sowie Standardsituationen werden. Mit der richtigen Mischung halte ich einen Punktgewinn zwar immer noch für äußerst schwierig, keinesfalls aber unmöglich.
Wie geht das Spiel aus?
Wenn es optimal für Mainz läuft, wird es ein hart umkämpftes 1:1.
Wenn Du einen Spieler der Münchner zum FSV transferieren könntest: Wer wäre es und wieso?
Im Prinzip könnte man die Augen schließen und wahllos auf irgendjemanden auf dem Mannschaftsfoto tippen und hätte in jedem Fall eine Bereicherung im Team, die die Fans mit Kusshand aufnehmen würden. Bei freier Wahl würde ich mich wohl für Joshua Kimmich entscheiden, vorausgesetzt er würde auch ein paar Jahre bleiben. In so jungen Jahren bereits so flexibel zu sein, zeugt von einer enormen Spielintelligenz, die jedes Team weiterbringt. Wenn man dann noch, anders als ein Kämpferherz-Allrounder alá Kevin Großkreutz, eine solche technische Veranlagung und Torgefahr mitbringt, hat man beste Voraussetzungen ein Weltstar zu werden. Auch in Mainz.
Die Mainzer spielen eine ordentliche Bundesliga-Saison und sorgen dabei für mehr Spektakel, als ihnen vielleicht lieb ist.
Klammert man das 0:0 am 6. Spieltag beim VfL Wolfsburg aus, so fielen in der Liga immer mindestens zwei Tore, wenn der FSV auf dem Platz stand. Das liegt auch daran, dass die Defensive deutlich instabiler ist, als in den vergangenen Jahren.
In der letzten Saison kassierten sie mit 42 Gegentoren die viertwenigsten der Liga. Im Jahr davor waren es 47 (Platz 9) und in der Spielzeit 2013/14 stand man mit 54 Gegentreffern ebenfalls auf Platz 9. Der positive Trend scheint sich nun aber nicht zu bestätigen. Nur Freiburg, Darmstadt (beide 24), Hamburg (27) und Bremen (31) haben nach 12 Spieltagen mehr Tore kassiert als Mainz (22).
Die Gründe dafür sind nicht ausschließlich am Verhalten gegen den Ball festzumachen. Im 4-4-2 verteidigt die Mannschaft weiterhin diszipliniert am Maximum ihrer Möglichkeiten und macht die Räume eng. Problematisch sind jedoch die hektischen Ballbesitzphasen.
Dem Team fehlt es an Ruhe im Zentrum. Baumgartlingers Abgang konnte hier nur schwer verkraftet werden und auch die Verletzung von Danny Latza verkomplizierte dieses Problem. Die Elf von Martin Schmidt tut sich schwer, mit Kurzpassspiel aus der eigenen Hälfte zu kommen.
Oftmals muss deshalb ein großer Raum überbrückt werden, wodurch das Risiko auf Ballverluste steigt. Die Mainzer verlieren pro Spiel rund zwei Mal häufiger das Spielgerät, als in der letzten Saison.
Dennoch geht dem FSV die offensive Durchschlagskraft keinesfalls ab. Sie sind brandgefährlich in Umschaltsituationen und brauchen nicht viele Chancen für ein Tor. Von 113 Versuchen führten 22 zum Erfolg, was die viertbeste Quote der Liga ist.
Am Freitag müssen die Mainzer nicht das Spiel machen, was ihnen wiederum ermöglicht, ihre Stärken im Umschaltspiel auszunutzen. Der FC Bayern darf sich also auf eine echte Herausforderung freuen.
Für den Rekordmeister wird es darauf ankommen den Sechser-Raum der Mainzer unter Druck zu setzen. Die Münchner würden gut daran tun das Spiel zu kontrollieren und den FSV vom eigenen Abwehrdrittel fernzuhalten.
Es gilt es nicht nur Yunus Malli (10 Torbeteiligungen) und Pablo De Blasis (7 Torbeteiligungen) zu stoppen, sondern auch Jhon Córdoba (4 Torbeteiligungen), der, sollte er denn spielen, immer für ein Tor gut ist.
Vor allem aber werden die Münchner neue Lösungen mit dem Ball finden müssen. Der Flügelfokus macht sie ausrechenbar. Speziell der linken Seite der Bayern mangelt es an Unterstützung. Alaba und Costa schlagen über 5 Flanken pro 90 Minuten, bei Bernat sind es immerhin noch 2,5. Insgesamt kamen in dieser Bundesliga-Saison 104 lange Hereingaben von der linken und 83 von der rechten Seite.
Unter der Woche definierten wir im Blog fünf wichtige Aufgaben, die Ancelotti nun zu lösen hat. Darunter auch ein besseres Positionsspiel und damit bessere Lösungswege durch die Zentrale. Es wäre sicherlich von Vorteil, wenn er und sein Team damit am Freitag anfangen würden.
Fünf Thesen zum Spiel
- Die Bayern übernehmen für mindestens eine Nacht die Tabellenführung.
- Mainz wird treffen.
- Zur Halbzeit steht es Unentschieden.
- Der Rekordmeister erzielt mindestens zwei Tore im zweiten Durchgang.
- Müller wird an mindestens einem Tor direkt beteiligt sein.
In der Leverkusen-Vorschau waren erneut vier der fünf Thesen richtig. Gesamt: 43/85