AFBL Turbine Potsdam vs. FC Bayern München Frauen

Bayern-Frauen schießen sich gegen Potsdam in die Champions-League-Ränge

Jolle Trenner 18.05.2017

Nach einer Grottensaison 2015/16 ging es mit neuem Trainer steil bergauf. Vom 2. bis zum 12. Spieltag führte Turbine die Tabelle ununterbrochen an. Bayern konnte dagegen nicht nahtlos an die zwei Meisterjahre anknüpfen und lief hinterher, während die Konkurrenz aus Wolfsburg und Potsdam um die Tabellenspitze rang. Am 13. Spieltag übernahm Wolfsburg, das zwischenzeitlich auf Platz 5 verweilte, am 14. wieder Potsdam und seit dem 16. ist Wolfsburg Tabellenführer, das seit dem letzten Wochenende als Meister feststeht.

Mit dem Sieg in Potsdam hat sich der FCB die Chance erarbeitet, am letzten Spieltag die Teilnahme an der Champions League im nächsten Jahr zu sichern. Ohne Potsdam zu bezwingen, wäre schon alles vorbei gewesen. In so gut wie allen Spielen, in denen es um etwas ging in diesem Jahr, waren die Bayern gescheitert. Teilweise warfen die Verletzungen von Stammkräften das Team zurück, doch nur darauf kann man es nicht schieben.

Andere Mannschaften waren stärker dieses Jahr — und so hätte es niemanden gewundert, wenn Potsdam, das bereits im Winter drei Punkte aus München entführt hatte, das Champions-League-Ticket auf Rang 2 mit einem Heimsieg gelöst hätte. Doch Potsdam konnte die phänomenale Form nicht ins Ziel bringen, um Meister zu werden. Der 2. Platz ist für Potsdam allerdings noch drin und den Bayern nicht sicher. Das letzte Spiel entscheidet.

Falls Ihr es verpasst habt:

Beide Teams hatten ihre Auswärtsspiele unter der Woche gewonnen und Potsdam-Coach Matthias Rudolph rotierte nur mäßig in der Startaufstellung.

AFBL, Turbine Potsdam - FC Bayern München Frauen, GrundformationenPotsdam vs. Bayern, Grundformationen

Sarah Zadrazil brachte er für Elise Kellond-Knight. Tom Wörle hatte gegen Gladbach Vanessa Bürki, Anna Gerhardt und Lisa Evans die Chance gegeben, von Beginn an zu spielen. Diesmal stand die Stammelf der letzten Wochen auf dem Feld mit der Ausnahme, dass Fridolina Rolfö statt Katharina Baunach im linken offensiven Mittelfeld wirbelte.

Melanie Behringer legte sogleich einen Frühstart für die Bayern hin. Potsdam ging in der Vorwärtsbewegung nur nachlässig zum Ball, durch pure Standhaftigkeit schuf sich Behringer viel grüne Wiese im rechten Halbraum vor dem Tor und überraschte Freund und Gegner mit dem direkten Abschluss, so dass Lisa Schmitz den eigentlich haltbaren Ball aus dem Netz fischen musste. Eine Riesenhypothek für die Heimmannschaft.

Die nächste halbe Stunde gingen sich die Teams gegenseitig in der Spielfeldmitte an, ohne nennenswerte Spielzüge oder Passstafetten auf den Platz zu bringen. Zu wenig Spielfluss und zu viel Wille des Gegners, nah an den Leuten jegliche Kreativität zu verhindern.

Und trotzdem gelang es den Bayern, das Ergebnis noch vor der Pause auf 0:3 hochzuschrauben. Man kommt nicht umhin, Potsdam eine gewisse Schlafmützigkeit zu attestieren. Beim 0:2 zahlte sich aus, dass Bayern phasenweise hoch presste und sein Passspiel auch auf engem Raum und in Hektik durchzubringen vermochte. Beim 0:3 zeigten die Bayern im Konterspiel, dass Raumaufteilung und Dynamik wichtiger sein kann, als die pure Anzahl an Spielerinnen im Raum.

In Halbzeit 2 zogen beide Teams das Tempo an, Potsdam kam im Gegensatz zur ersten Hälfte auch mal gefährlich vors Tor, doch lange Zeit war nichts Zählbares dabei. In der Schlussphase legten die Bayern noch einen vierten Treffer drauf, doch das Spiel war lange entschieden.

3 Dinge, die auffielen:

1. Schöner Ferrari, aber hier ist Tempo 30

Defensiv gingen die Bayern keinerlei Risiken ein. Sie zogen sich früh in die Fünferkette vor Zinsberger zurück. Gina Lewandowski und Leonie Maier machten nur sehr dosierte Ausflüge die Linie entlang in die gegnerische Hälfte. Zentral vor der Abwehrkette schirmten Behringer und Däbritz ab. Seitenwechsel konnte Potsdam daher nur selten durch die Zentrale spielen. Zwar hatten sie im Spielaufbau viele Freiheiten und konnten den Ball über Rückpässe auf den anderen Flügel wandern lassen, doch da sich auch Bayerns Offensivspielerinnen gut im Raum verteilten und aggressiv nach hinten arbeiteten, ging dies zu Lasten des Tempos.

Bayern verzichtete zudem vollständig auf seine Gewohnheit, die Bälle kontrolliert aus der Abwehr herauszuspielen und den konstruktiven Spielaufbau schon bei der Torhüterin beginnen zu lassen. Die Bälle wurden nach vorne gedroschen und ins Seitenaus geklärt wie nichts Gutes. Spielfluss kam so für beide Teams genauso wenig auf wie gefährliche Standards, doch nach der frühen Führung sahen sich die Bayern dazu nicht verpflichtet.

So beraubte man Potsdam fast vollständig seiner großen Stärke, der Geschwindigkeit. Niemand sehnt sich danach, gegen Svenja Huth, Jennifer Cramer oder Tabea Kemme ins Laufduell zu gehen. Doch in der Einkaufszone, zu der sich die Bayern ihr erstes Spielfelddrittel eingerichtet hatten, blieb Potsdam meist nur übrig, im Schritttempo gegen die vielen Passanten zu rempeln.

Wenn dann noch Security-Chefin Carina Wenninger in einer Art Liberorolle die Freiheit und Entschlossenheit besitzt, die Aufsicht im Abwehrzentrum vorübergehend an die Halbverteidigerinnen zu übergeben, um Störenfriede direkt raus zum Ausgang zu begleiten, ist halt schnell Ende im Gelände.

2. Zentrumsfokus und Einkontakt-Zickzack nach vorn

Da Bayerns Winger sich auf die Defensive konzentrierten und sich Rolfö und Rolser mehr in den Halbräumen positionierten, ließ Bayern die Flügel verwaisen und konzentrierte sich auf Überladungen im Zentrum.
Lebzygold über „The Importance of the Halfspace“

In der Mitte blieb dann zwar wenig Platz und Zeit am Ball, doch zwei Strategien halfen den Bayern zum Erfolg: Erstens machten sie das Spiel schnell. Sie blieben also nicht unnötig lange am Ball, sondern leiteten ihn oft schon mit dem ersten Kontakt an die nächste Mitspielerin weiter, so dass Potsdam viel hinterherlaufen musste. Zweitens schufen die Roten lokal um den Ball Überzahl. Wenn Potsdam das Spiel ruhig aufbaute, warteten sie zwar tief und breit gestaffelt auf den Gegner, bei eigenem Ballbesitz oder in ihren Pressingphasen rückten die Münchnerinnen jedoch kollektiv und konsequent auf, umzingelten die Potsdamerinnen und sammelten so Bälle wieder ein, die sie beim Dribbling verloren oder nach weiten Abschlägen dem Gegner überlassen hatten.

Bezeichnend, wie hoch die linke Halbverteidigerin Schnaderbeck – und mit ihr die gesamte Abwehrkette – vor dem 0:2 nach vorne gerückt war. Obwohl sie schlechter zum Ball stand, brachte sie den Fuß vor Schmidt an den Ball und diesen zu Rolfö. Mit ein bisschen Glück schoss Rolfö, während sie gefoult wurde, Däbritz an, die zu Miedema abprallen ließ. Die niederländische Torjägerin zog so kurz vorm Strafraum sämtliche Aufmerksamkeit auf sich, nur um dann Däbritz in Szene zu setzen. Fünf Stationen auf fünfzehn Metern, alle Pässe gingen im Zentrum direkt nach vorn. Potsdam hatte die Augen nur auf dem Ball, alle Spielerinnen taten dasselbe statt die Aufgaben untereinander aufzuteilen. Keine sicherte Bayerns Optionen ab und so bekam Däbritz die Gelegenheit, ihre Klasse vor dem Tor zu beweisen.

Dazu kam, dass sich Bayern entschlossener in den Zweikämpfen zeigte und selbst Unterzahldynamiken besser für sich nutzte. Viele 50:50-Bälle, die Potsdam beinahe schon hatte, blieben bei den Bayern. Behringers Zweikampf vor dem 0:1 oder Miedemas Durchsetzen gegen Wälti und Schmidt vor dem 0:3-Kontertor von Rolser stehen beispielhaft dafür.

Hier hatte eigentlich Schmidt im Zehnerraum die Option, frei aus der Distanz zu feuern oder die Stürmerinnen per Lupfer im Sechzehner hinter der Abwehrkette zu bedienen. Stattdessen überrascht sie Wälti mit einem Ball nach hinten, Rolser ging dazwischen und besetzte konsequent die zentrale Spur zum Tor. Miedema verhedderte sich zwar in Wälti, doch obwohl Schmidt Wälti noch zur Hilfe kam, brachte Miedema den Pass durch zu Rolfö vorne im linken Halbraum.

Was die Schwedin dann tat, ist einfach nur großartig. Obwohl sie die Chance hatte, im Sprint direkt das Tor zu attackieren, verzögerte sie, gab so zwar die Überzahl auf, da Potsdam zurückeilen konnte, doch zog Rolfö alle Potsdamerinnen auf sich, um Rolser dann perfekt freizuspielen. Der Konter war ein einziger Zickzackzug durchs Zentrum und obwohl Rolser fasst zu spät an den Ball kam, schaffte es Potsdam nicht, den Zug zu stoppen.

3. Potsdam mit asymmetrischem 4-4-2 und einer Sonderrolle für Bianca Schmidt

Potsdam schien in der eigenen Formation zwischen Dreier- und Viererkette zu wechseln. Das kam dadurch zustande, dass sich das 4-4-2 immer wieder im Uhrzeigersinn zu drehen schien. Etwas Ähnliches hatte Bochum einst im Pokal gegen die Bayern – dort allerdings im 4-2-3-1 – probiert, wie TW von Spielverlagerung damals feststellte.

TW auf Spielverlagerung.de

Somit hatte Bianca Schmidt rechts alle Freiheiten. Entweder sie verstärkte die Innenverteidigung als rechte Halbverteidigerin oder sie schob als rechte Außenverteidigerin an. Ihre Rolle war aber noch interessanter, als schon der Wechsel zwischen diesen zwei Positionen vermuten lassen würde. Häufig stieß sie als rechte Halbverteidigerin im asymmetrischen 4-4-2, bei dem Felicitas Rauch wesentlich offensiver agierte als Cramer auf der anderen Seite, weit vor im rechten Halbraum. Cramer blieb dann tiefer als Schmidt und Schmidt unterstütze das Potsdamer Mittelfeld in den Zonen zwischen Lewandowski und der Münchner Doppelsechs (Behringer/Däbritz).

Dass Potsdam es mit zwei Stürmerinnen gegen die Dreierinnenverteidigung der Bayern probierte, war eigentlich der richtige Ansatz. Allerdings nahm sich Kemme so selbst aus dem Spiel. Sie musste die Position hoch in der gegnerischen Abwehrkette halten und genauso wie Svenja Huth auf Zuspiele hoffen und warten – doch die blieben aus. Eine Reihe weiter hinten hätte Potsdam eine zweite Lia Wälti gebraucht, die mit Kreativität und Passstärke die Spitzen bedient. Diese Rolle hätte Schmidt von der Raumbesetzung her ausführen können. Vom Spieltyp her passte das nicht. Sie brachte zwar die Athletik für die weiten Wege mit, aber nicht den Spielwitz einer Spielmacherin. Vielleicht trübt hier aber auch nur ihr Fehler vor dem Rolser-Tor den Eindruck.

Insgesamt hatte Potsdam scheinbar mehr Kraft in der englischen Woche gelassen und Bayern wirkte in den entscheidenden Szenen wacher.

Jetzt heißt es, beim Saisonfinale im Heimspiel gegen Essen die Champions League fix machen. Anpfiff ist am Sonntag, den 21.5. um 14 Uhr in der Hermann-Gerland-Kampfbahn an der Grünwalder Straße. Um nicht von Potsdams Ergebnis in Duisburg abzuhängen (im Hinspiel ballerte Potsdam Duisburg mit 8:0 aus dem Stadion), muss ein Sieg her. Wir haben ein Endspiel!

Turbine Potsdam – FC Bayern München
Potsdam Schmitz – Siems, Elsig, Wesely, Schmidt – Rauch (63. Prašnikar), Wälti, Zadrazil (72. Kellond-Knight), Cramer (46. Aigbogun)- Kemme, Huth
Bayern Zinsberger – Schnaderbeck, Wenninger, Abbé – Lewandowski, Behringer (68. Leupolz), Däbritz, Maier – Rolfö (72. Bürki), Miedema, Rolser (81. Gerhardt)
Bank Weimar, Leupolz, Gerhardt, Bürki, Baunach, Holstad
Tore 0:1 Behringer (2.), 0:2 Däbritz (35.), 0:3 Rolser (44.), 0:4 Miedema (79.)
Karten Elsig (75.) / Lewandowski (22.), Behringer (28.)
Schiedsrichterinnen Marina Wozniak (Herne), Svenja Pleuß (Schwarme), Vanessa Arlt (Greven), Miriam Schweinefuß (Rieder)
Zuschauer 3.421