Tränen & Rekorde: 5:2 in der Kür gegen Augsburg

Daniel Trenner 22.05.2021

Nicht nur die große Meisterschaftskrönung stand an, ein großes Abschiedsfest für ganze sieben Personen wurde ebenfalls gefeiert. Vor der Partie wurden Jérôme Boateng, Javi Martínez, David Alaba, Hansi Flick, Hermann Gerland, Miroslav Klose und Tiago Dantas verabschiedet. Es zeigte sich hier auch wie hart die Pandemie den Verein finanziell eigentlich traf. In Zeiten der Sparsamkeit konnte sich der Verein nicht einmal Blumensträuße und bei den Spielern sogar anständige Bilderrahmen leisten. 

Falls Ihr es verpasst habt

Die Aufstellung 

Hansi Flick schockierte bei der Startaufstellung indem er entgegen seiner eigenen Ankündigung Javi Martínez zunächst auf der Bank ließ. Ansonsten war die Aufstellung fern von Überraschungen.

1. Halbzeit

Das Spiel begann recht flott und schon nach neun Minuten führten die Bayern, wenn auch nicht durch Rekordjäger Lewandowski. Über Coman kombinierten sich die Bayern durch den Strafraum bis Serge Gnabry eine scharfe flache Hereingabe in die Mitte brachte. Coman setzte Gouweleeuw derart unter Druck, dass dem keine Alternative als das Eigentor blieb.

Das Spiel ging hin und her, beide Teams kamen zu guten Chancen. Vorne vergab Coman ein Eins-gegen-Eins, hinten rettete Neuer mit einer starken Flugparade gegen Caligiuri.

Das 2:0 fiel dann nach einer sonderbaren Barrage an Chancen. Die Bayern belagerten den Strafraum, Lewandowski vergab gleich mehrfach. Am Ende drückte Gnabry den Ball aus kurzer Entfernung mit dem Kopf über die Linie – Lewandowski versuchte vergeblich das Tor noch zu stehlen (23.).

Sekunden später gab der Schiedsrichter Elfmeter für Augsburg. Niederlechner kam im Zweikampf mit Hernández ganz seicht zu Fall. Neuer war das egal und entschärfte Caligiuiris schwachen Elfmeter.

In der 33. Minute fiel das schönste Tor des Tages, vielleicht gar das schönste Weitschusstor der Saison. Kimmich bekam den Ball zentral und schweißte die Kugel unnachahmlich in den rechten Winkel.

Zu diesem Zeitpunkt war der größte Hüter von Gerd Müllers Rekord ein anderer Pole. Zwischen Lewandowski und Rafał Gikiewicz entwickelte sich ein regelrechtes Privatduell. Die anderen zuckten mit der Schulter und trafen weiter mit fast jeder Chance. In der 42. Minute war wieder Coman an der Reihe, aus 20 Metern traf er unnachahmlich beinahe aus dem Stand. 

2. Halbzeit 

Noch immer ohne Martínez ging es weiter. Nach einer ereignislosen Viertelstunde kam er dann jedoch endlich. Er ersetzte Jérôme Boateng, der seine Tränen nur schwer unterdrücken konnte. Dazu kamen Musiala und Sané für Gnabry und Coman.

In der 67. Minute war es mal wieder Zeit ein Standardgegentor zu kassieren. Nach einer guten Freistoßhereingabe legte André Hahn den Ball unhaltbar ins Netz, 1:4.
Auf einmal rochen die Augsburger Lunte und verkürzten sogleich nochmal. Hahn steckte den Ball auf Niederlechner, der alleine vor Neuer eiskalt blieb (72.). Der Keeper tobte.

Flick reagierte mit einem Doppelwechsel, Choupo-Moting ersetzte Müller und Alaba ging ein letztes Mal vom Feld – nach einer Ehrenrunde klatschte er am Ende mit Corentin Tolisso ab.

Das Spiel schien am Ende, eigentlich trudelte alles aus und Lewandowski schien sich den Rekord mit Gerd Müller teilen zu müssen. Bis zur letzten Spielszene, der letzten Spielminute, ja der letzten gespielten Sekunde dieser gesamten Saison. Leroy Sané schoss flach aus mittlerer Distanz ab, Gikiewicz machte den einen Fehler der ganzen Partie, ließ klatschen und dann stand der Torjäger da, wo ein Mittelstürmer zu stehen hat. Ins leere Tor brach er Gerd Müllers Torrekord für seinen 41. Bundesligatreffer dieser Saison.

Dinge, die auffielen

1. Jeder Schuss ein Treffer – außer Roberts… bis zuletzt

Frei von tiefgreifender Analyse kann man die erste Halbzeit getrost mit jeder Schuss ein Treffer abhacken. Außer Lewandowski war der Schütze, dann fielen die Tore partout nicht.

Markus Weinzierl meinte es offensichtlich ernst, als er am Tag zuvor meinte, den Polen konsequent in Manndeckung zu nehmen. Die anderen Spieler waren nämlich stets erstaunlich frei, aber die jagten ja auch nicht Gerd Müllers Rekord. Insbesondere Coman glänzte hier. Sogar im Abschluss, der eine Sektor, wo er sonst meist schwächelt.

In Polen soll man bereits ob der undankbaren Deutschen gemunkelt haben, die ihrem polnischen Nationalheiligtum den Rekord nicht gönnen sollten. Doch zwischen dem Rekord und dem Polen stand ausgerechnet ein anderer Pole: Rafał Gikiewicz. Er warf sich in jeden Schuss Lewandowskis mit einer derartigen Leidenschaft, man könnte meinen, Gerd Müllers Rekord gehe ihn ganz persönlich an.

Am Ende half aber auch das nicht, Lewandowski holte sich doch noch den Rekord. Eine gigantische Leistung, zumal er mehrere Wochen verletzt fehlte. Ohne dieser Verletzung hätte er diesen Rekord pulverisiert und höchstwahrscheinlich gar an der 50er Marke gerüttelt.

2. Au revoir, ihr alle!

So viele Verabschiedungen gab es am Ende einer Saison selten. Dabei ist die eine trauriger, wie die andere. Glücklicherweise hat der Verein seinen Spielern wenigstens kurze, sehenswerte Dokus geschenkt, so wirkt alles nicht ganz so trostlos. Ohne Boateng, Martínez und Alaba sind nun nur noch zwei Spieler der 2013er Triple-Mannschaft übrig. Sie werden dem Team charakterlich fehlen, gerade Boateng und Alaba womöglich auch sportlich. Bei Martínez war einfach die Zeit gekommen. Bei Alaba schien es durch dessen finanziellen Wünsche alternativlos.

Doch gerade bei Boateng hat man den Eindruck, dass ein weiteres Jahr nochmal gut für alle wäre. Vielleicht war gerade deshalb sein Abschied der emotionalste. Für gewöhnlich versuche ich auf Superlative zu verzichten, doch mit ihm geht in meinen Augen nicht weniger als der beste Innenverteidiger in der langen, großen, glorreichen Geschichte des FC Bayerns.

Wie dem auch sei: Macht’s gut ihr alle! Ihr seid alle Legenden, unzertrennlich mit gleich zwei Tripeln verbunden.

Dazu gingen auch große Teile des Coaching-Teams. Hermann Gerland wird für immer eine beliebte Legende beim Verein sein und bei Klose und Flick sage ich mal sportlich: Sie sind ja noch jung und so viele deutschsprachige Trainer gibt es ja nicht. Vielleicht läuft man sich nochmal in den nächsten Jahren über den Weg… Gerade Hansi Flick hat jedenfalls absolut das Zeug dazu, ein neuer Jupp Heynckes zu werden und der hatte ja ganze vier Ären.

3. Die Kleinen gehen runter

Am Ende muss ich dann doch noch ein wenig Trübsal blasen. Denn noch bevor das Spiel der Profis angepfiffen war, verlor der Verein bereits. Die kleinen Bayern verloren mit 0:1 gegen Halle und steigen aus der 3. Liga ab. Ein vollkommen unnötiger Abstieg, der dem Verein mehr schadet, als er es womöglich selbst begreift. In der Regionalliga wird es viel schwerer werden, die Spieler zu entwickeln.

Besonders bitter ist hier, wie der Verein jahrelang um den Aufstieg gekämpft hat, nur um jetzt die Drittklassigkeit förmlich wegzuschmeißen. Es gab viele Möglichkeiten diesem Schicksal entgegenzutreten, doch der Verein unternahm meist gar nichts. Dass bis zuletzt kein spielberechtigter Profi der 1. Mannschaft bei den Amateuren aushalf, ist bezeichnend.