Sommer-Round-Up: Kimmich auf den Spuren von Lahm

Justin Trenner 24.06.2016

Im Sommer-Round-Up halten wir euch wöchentlich über die Nationalspieler des FC Bayern auf dem Laufenden.

David Alabas geplatzter Traum

Neulich berichteten wir noch davon, dass es für den Österreicher ein großer Moment in seiner Karriere werden könnte. Nun ist dieser Traum geplatzt. Vielleicht war das Ausscheiden die erste richtig schwerwiegende Enttäuschung in der Karriere des noch jungen Alabas. Bei den Bayern, aber auch im eigenen Land war er stets von Kritik befreit. Zu fehlerfrei verlief seine Laufbahn und zu begeisternd war er all die Jahre. Schon am Ende der Rückrunde deutete sich aber an, dass Alaba etwas müde sein könnte und dass ihm die ständigen, teilweise unumgänglichen Positionsumstellungen nicht gut getan haben. Er wirkte bei diesem Turnier fahrig, unkonzentriert, müde und konnte nicht die Präsenz zeigen, die ihn sonst so stark macht. Wer weiß? Vielleicht wäre die EM auch anders für ihn verlaufen, wenn sein Pfostenschuss nach 30 Sekunden gegen Ungarn rein gegangen wäre. So einfach und psychologisch kann Fußball manchmal sein. Er ging jedoch nicht rein und so spielte Alaba eine Europameisterschaft unter seinen Möglichkeiten. Mit der Kritik muss er leben und den wohlverdienten Urlaub sollte er nutzen, um seine Akkus für den Rekordmeister aufzuladen. Dort wird der 24-Jährige mit Ancelotti einen Trainer vorfinden, der ihn vermutlich wieder dort aufstellen wird, wo er nicht einer von vielen ist, sondern ein ganz besonderer Spieler. Auf der Linksverteidiger-Position.

Sanches, Coman und Kimmich – Die Youngsters machen Spaß

Es ist nicht das Turnier der großen Spieler. Dafür überzeugen aber andere, jüngere Stars, die auch auf Vereinsebene erst vor kurzem ihren großen Durchbruch hatten. Zu diesen jungen Akteuren zählen auch drei vom FC Bayern. Renato Sanches durfte sowohl im ersten, als auch im letzten Spiel jeweils von der Bank kommen. Im zweiten blieb er leider ohne Einsatz. Dennoch überzeugte der junge Portugiese mit dynamischen Dribblings, Balleroberungen, teilweise klugen Positionierungen und einem soliden Passspiel. Allein schon die Ansätze die der erst 18-Jährige zeigt, machen Lust auf mehr.

Kingsley Coman durfte in jedem Gruppenspiel ran und zeigte bereits deutlich mehr als nur ein paar Ansätze. Er war gerade auch in schwierigen Phasen sehr präsent statt abzutauchen und überzeugte mit einigen Dribblings. In der Nationalmannschaft spielt Coman eine etwas einrückendere Rolle. Die Außenverteidiger schieben sehr hoch und so hat der 20-Jährige häufig nicht so viel Platz wie bei den Bayern. Dennoch macht er auch im Halbraum einen sehr guten Eindruck. Der von Juventus ausgeliehene Angreifer ist mutig, zeigt sich auch im Gegenpressing, spielt kluge Pässe und erstellt durch seine Positionierungen immer die nötigen Verbindungen für das französische Kombinationsspiel. Auch seine Physis ist nicht zu unterschätzen. Trotz seiner Körpergröße ist Coman kaum ohne Foul zu stoppen. Natürlich ist sein Endprodukt noch ausbaufähig, gerade seine Flanken finden zu oft keinen Mitspieler, aber das sind Aspekte, die trainierbar sind.

Kingsley Coman gegen den ehemaligen Bayern-Spieler Xherdan Shaqiri. (Foto: Denis Charlet / AFP / Getty Images)
Kingsley Coman gegen den ehemaligen Bayern-Spieler Xherdan Shaqiri.
(Foto: Denis Charlet / AFP / Getty Images)

Es ist beeindruckend wie abgeklärt er ist. Manchmal würde man sich zwar wünschen, dass er noch verspielter und mutiger wäre, doch letztendlich trifft er fast immer die richtigen Entscheidungen und geht dabei nur Risiko, wenn er es sich leisten kann. Diese Spielintelligenz unterscheidet ihn von vielen anderen Flügelspielern. Von allen Spielern, die bei der EM über 100 Minuten Einsatzzeit hatten, gelangen Coman die meisten Dribblings pro 90 Minuten (5,2). Hinter Bale (13 in 263 Minuten), Hazard (10 in 270 Minuten) und Weiss (10 in 233 Minuten) hat er sogar die viertmeisten erfolgreichen Dribblings bei diesem Turnier (9 in nur 155 Minuten). Mit 32,8 km/h kam er gegen die Schweiz zudem auf den schnellsten Wert der diesjährigen Europameisterschaft. Kingsley Coman winken dank diesen Auftritten weitere Einsatzzeiten. Ob er im Achtelfinale gegen Irland jedoch von Anfang an spielen wird, ist zumindest fraglich. Deschamps setzt gerne auf die erfahrenen und erprobten Stars. Auch bei Auswechslungen sind die jungen Spieler meist die ersten, die den Platz verlassen. Ob von der Bank oder von Beginn an: Coman ist eine Waffe. Er kann für die Franzosen noch sehr wichtig werden.

Sehr wichtig könnte jetzt auch Joshua Kimmich werden. Der Bundestrainer gab dem 21-Jährigen gegen Nordirland seine Chance und der überzeugte. Dabei durfte Kimmich auf den Spuren von Lahm die rechte Seite bespielen. 9 Flanken, 4 Torschussvorlagen, 104 Ballkontakte, 2 Torschüsse und eine Passquote von 90% zeigen auf, dass er dabei einen richtig guten Job gemacht hat. Der ausgebildete Mittelfeldspieler brachte das Offensivspiel der Deutschen auf dieser Position eine Stufe nach oben. Das sah selbst „Konkurrent“ Benedikt Höwedes so, der Kimmich eine starke Leistung attestierte und von einer „richtigen Entscheidung“ des Trainers sprach. Löw stellte das System etwas um. Die beiden Außenverteidiger schoben noch höher als in den vergangenen beiden Spielen und sollten so dafür sorgen, dass Müller sowie Götze auf der anderen Seite in die Halbräume gehen können. Durch die zentralere Positionierung der beiden Flügelspieler hatte Deutschland mehr Lösungen für die Zentrale parat. Sie waren nicht mehr ganz so abhängig von Flanken und spielten sich schlussendlich 28 Torschüsse heraus, was gegen einen so tiefstehenden Gegner bemerkenswert ist. Kimmichs Leistung könnte dabei der Schlüssel für die KO-Spiele sein. Gegen die Slowakei führt eigentlich kein Weg an ihm vorbei. Dennoch sollte man das Thema nicht zu euphorisch angehen. Wie Deutschlands Nummer 21 nach dem Spiel richtig analysierte: Zu Lahm fehlt ihm noch einiges. Außerdem wurde er in der Defensive kaum gefordert. Eine Zweikampfquote von 56% ist dementsprechend auch nicht realistisch einzuordnen. Trotzdem sind Parallelen zum ehemaligen DFB-Kapitän zu erkennen, die weit über die gleiche Rückennummer beim EM-Debüt hinaus gehen.

Weiterhin kein Bayern-Tor, dafür eine stabile Abwehr

Man mag es kaum glauben, aber bei der Europameisterschaft hat noch kein Bayern-Akteur getroffen. Lewandowski und Müller schwächeln ebenso vor dem Tor wie Mario Götze. Allein die beiden deutschen Nationalspieler hätten gegen Nordirland die Torjägerkanone unter sich ausmachen können. Auch Thiago, der in Normalform für das ein oder andere Tor gut wäre, spielt für die Spanier weiterhin keine Rolle. So sind es vor allem die Defensivspieler die aus Bayern-Sicht richtig Spaß machen. Jérôme Boateng spielt ein starkes Turnier. Der Abwehrchef gibt Anweisungen, gewinnt seine Zweikämpfe und kreiert nebenbei noch ein paar Torchancen für sein Team. Mats Hummels hat zwar noch einige Schwierigkeiten seine Leistung konstant über 90 Minuten abzurufen, aber auch er spielt keinesfalls schlecht. Klammert man ein paar kleinere Fehler aus, die am Ende unbestraft blieben, so spielt auch er eine gute EM. Beide liefern bereits einen Vorgeschmack darauf wie es bei den Bayern sein könnte. Und selbst wenn sie mal überspielt werden, ist da immer noch Manuel Neuer im Tor. Deutschland hat noch kein Gegentor bekommen und überzeugt in der Abwehr bisher wie keine andere Mannschaft.

Vidal im Finale

Als Arturo Vidal im ersten Spiel mit Chile gegen Argentinien 1:2 verloren hatte, hätten nur wenige an eine erneute Final-Teilnahme gedacht. Zu pomadig und statisch wirkte das Spiel seiner Mannschaft und zu viele einfache Ballverluste verzeichnete sie im Aufbauspiel. Doch Chile steigerte sich und hat es tatsächlich ins Finale geschafft. Es gibt nun eine Neuauflage des Finals der Copa America 2015. Vidal selbst spielte im Halbfinale aufgrund einer Gelbsperre nicht. Im Endspiel steht er allerdings wieder zur Verfügung. Zusammen mit Sanchez und Vargas wird er die wichtige Offensivachse der Chilenen bilden. Argentinien und Messi sind zwar Favorit, aber das muss nichts zu bedeuten haben. Mit einer couragierten Leistung ist es vielleicht möglich, dass wir im nächsten Sommer-Round-Up vom ersten Titelträger berichten.

Auf Arturo Vidal und Alexis Sanchez wird es im Finale gegen Argentinien ankommen.(Foto: Nelson Almeida / AFP / Getty Images)
Auf Arturo Vidal und Alexis Sanchez wird es im Finale gegen Argentinien ankommen.
(Foto: Nelson Almeida / AFP / Getty Images)

Die nächsten Termine im Überblick

  • Renato Sanches trifft mit Portugal im Achtelfinale der EM auf Kroatien. (Samstag, 25. Juni um 21:00 Uhr)
  • Kingsley Coman trifft mit Frankreich im Achtelfinale der EM auf Irland. (Sonntag, 26. Juni um 15:00 Uhr)
  • Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Joshua Kimmich, Mario Götze und Thomas Müller treffen mit Deutschland im Achtelfinale der EM auf die Slowakei. (Sonntag, 26. Juni um 18:00 Uhr)
  • Arturo Vidal trifft mit Chile im Finale der Copa America Centenario auf Argentinien (In der Nacht von Sonntag auf Montag, 27. Juni um 2:00 Uhr)
  • Thiago trifft mit Spanien im Achtelfinale der EM auf Italien. (Montag, 27. Juni um 18:00 Uhr)

Bayern-Spieler der Woche

Joshua Kimmich überzeugte auf allen Ebenen. Eigentlich ist dieser Satz nicht wirklich überraschend wenn man seine Saison verfolgt hat, aber doch muss man immer wieder herausheben, dass er erst 21 Jahre alt ist und gerade seine erste Bundesliga-Saison hinter sich gebracht hat. Kimmich ist nicht nur auf dem Platz ein riesiges Talent, sondern überzeugt auch außerhalb mit klugen Interviews, sympathischen Auftritten und einer Einstellung die ihresgleichen sucht. Unser Bayern-Akteur der Woche ist somit Joshua Kimmich.